# taz.de -- Pseudodoku "Short Cut to Hollywood": Bis zum bitteren Ende humpeln | |
> In Marcus Mittermeiers und Jan Henrik Stahlbergs Film "Short Cut to | |
> Hollywood" tauscht ein Mann Gliedmaßen gegen Ruhm. Leider dümpelt der | |
> Film ohne zündende Idee vor sich hin. | |
Bild: In dieser Szene ist Johannes Salinger (Jan Henrik Stahlberg) schon seinen… | |
Mit Überzeugungstätern kennen Marcus Mittermeier und Jan Henrik Stahlberg | |
sich aus. In ihrem Debüt "Muxmäuschenstill" von 2004 stellten die | |
Filmemacher den Erzspießer und Selbstjustizler Mux in den Mittelpunkt einer | |
bitteren Mediensatire. Mux war Karikatur und realistisches Abbild zugleich, | |
der innere Sauhund, den beizeiten jeder mal von der Leine lassen will. | |
Auch "Short Cut to Hollywood", die zweite gemeinsame Produktion der beiden, | |
handelt im Pseudodokuformat von einem Mann, der radikale Auswege aus einer | |
Krise sucht. Wie Mux ist auch Johannes Salinger (Jan Henrik Stahlberg) ein | |
Obsessiver, der den einmal eingeschlagenen Weg bis zum bitteren Ende geht. | |
Oder in diesem Fall genauer gesagt: humpelt. Anders als der Fanatiker Mux | |
will Salinger allerdings nicht die Welt, sondern vor allem das eigene | |
trostlose Leben verbessern. Mit Cowboyhut, falschen Koteletten und in | |
Begleitung seiner zwei besten Freunde soll aus Johannes "John" und aus dem | |
talentfreien Provinzmusikanten ein gefeierter TV-Star im Land der | |
unmöglichen Begrenztheiten werden. | |
Man könnte sich von hier aus mit weiteren Kalauern durch eine Rezension | |
dieses Film hangeln: Reicht man seinem Publikum den kleinen Finger, will es | |
gleich die ganze Hand. Mein Körper gehört mir - und dem Sender. Besser Arm | |
ab, als arm dran. Denn der Deal mit dem Publikum lautet: Ihr macht mich für | |
eine Saison berühmt - und ich bringe mich am Ende um. Vor laufender Kamera. | |
Um den Ernst seines Vorhabens zu beweisen, schnippelt sich "John" nach und | |
nach seine Gliedmaßen weg, nach dem Motto: Sterben müssen wir ohnehin alle. | |
Ruhm gebührt nur den Mutigen. | |
Nach anfänglichen Misserfolgen steigt tatsächlich ein Privatsender ein. Von | |
nun an geht es mit "Johns" Karriere steil bergauf - und die | |
Rock-n-Roll-Laufbahn "Live real fast, die real young" wird per | |
Vertragsverhandlung festgelegt. Satire soll und darf nicht zimperlich sein. | |
Und Satiren aufs Fernsehen, insbesondere auf dessen privatrechtliche | |
Spielarten von Castingshows bis Reality-TV, müssen bekanntermaßen besonders | |
grobe Klötze mit besonders groben Keilen bearbeiten. "Short Cut to | |
Hollywood" haut jedoch so ziemlich jedes Mal daneben. Denn Salingers | |
Selbstverstümmelungsaktionen sind weder Provokation noch Entlarvung der | |
Medien, sondern nicht mehr als ein suizidales Prestigeunternehmen. "I am | |
something like a Gesamtkunstwerk", erklärt der selbst ernannte Star auf | |
einer Pressekonferenz den spärlich anwesenden US-Medienvertretern. Die | |
Wissenschaft kennt jede Menge anderer Bezeichnungen: Automutilation. Body | |
Integrity Identity Disorder. Amputee-by-choice. | |
Vor allem aber ist Bekanntheit heutzutage ein Gut, das im Überfluss | |
vorhanden ist. Schließlich gibt es keine Stars mehr, nur noch Celebrities, | |
und im Zeitalter von YouTube & Co. ist dieser Promistatus völlig entkoppelt | |
von irgendwelchen Gratifikationen wie Sex, Drugs, Partys und verspiegelten | |
Limousinen. Jemand kann das bekannteste Gesicht der Welt haben, ohne jemals | |
das Haus zu verlassen. | |
So dümpelt der Film vor sich hin, ohne bissig zu werden oder eine zündende | |
Idee zu entwickeln. Hinter dem Zynismus, den die Story geradezu | |
marktschreierisch vor sich herträgt, steckt Bequemlichkeit. Die | |
Billigformate des Trash-TV sollen auf billige Weise kritisiert werden. Der | |
von Stahlberg mit viel Inbrunst vorgetragene Titelsong des Films bleibt von | |
"Short Cut" noch am längsten im Gedächtnis. Leider ersetzt Enthusiasmus | |
kein filmisches Konzept. | |
"Short Cut to Hollywood". Regie: Marcus Mittermeier, Jan Henrik Stahlberg. | |
Mit Jan Henrik Stahlberg, Marcus Mittermeier u. a., Deutschland 2008, 94 | |
Min. | |
24 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Dietmar Kammerer | |
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