# taz.de -- Prozess gegen Luftablasser: Richter lässt die Luft raus | |
> Als Protest gegen CO2-Ausstoß lassen Klimaschützer bei PKW die Luft aus | |
> den Reifen. Drei Studenten landen deswegen vor Gericht. Sie kommen mit | |
> Geldbuße davon. | |
Bild: Hier könnte man auch mal die Luft rauslassen: Reifen von Formel-1-Rennwa… | |
Nie zuvor hat es so einen Prozess gegeben. Dabei lag Luftablassen aus | |
Reifen von Nobelwagen mit starkem CO2-Ausstoß bei radikalen Umweltschützern | |
eine Weile hoch im Kurs. Weit über 200 Wagen sind in den letzten Jahren in | |
Berlin geplättet worden. Sachbeschädigung an acht spritfressenden PKW durch | |
Luftablassen wirft der Staatsanwalt den drei Studenten vor, die am Montag | |
im Amtsgericht Moabit auf der Anklagebank sitzen. Unter ihnen der | |
25-jährige Kinderclown, Friedensaktivist und taz-Kolumnist Jean Peters. | |
Aber auch aus dem Gerichtsprozess ist schnell die Luft raus. | |
400 Euro Geldbuße für jeden der Angeklagten, verkündet Richter Holger Stoye | |
nach knapp dreistündiger Beweisaufnahme. Im Gegenzug wird das Verfahren | |
eingestellt. Zuvor hat Stoye neun Polizisten, zumeist Zivilfahnder, als | |
Zeugen gehört. Auf frischer Tat - also mit der Hand am Ventil - hat keiner | |
der Beamten die Angeklagten in der Tatnacht im September 2007 in | |
Wilmersdorf gesehen. Nur gebückte Gestalten, die sich in alle Richtungen | |
umschauen und dann zwischen den parkenden Autos im Bereich Sächische | |
Straße, Ludwig-Kirchplatz verschwinden. | |
Bei der "Nachschau", sagt einer der Beamten als Zeuge, "habe ich aus einem | |
Reifen die Luft entweichen hören". Hinter Scheibenwischern von Wagen der | |
Marke VW Touareg, Mercedes ML 320 oder Landrover Discoverey hätten | |
Bekennerschreiben geklemmt. Den Wortlaut des an die Autohalter | |
gerichteteten Textes rekapituliert er so: "Ihr Fahrzeug trägt nicht zum | |
Umweltschutz bei. Wir helfen Ihnen, in Zukunft öffentliche Verkehrsmittel | |
zu benutzen oder sich ein kleineres Fahrzeug zuzulegen". Das Schreiben sei | |
identisch gewesen mit den vielen anderen, die man in jenen Tagen und Wochen | |
im Bereich Grunewald an plattgelegten Autos gefunden habe. | |
Auch die Wagenhalter sind als Zeugen geladen. Aber sie werden nicht gehört. | |
Nach einer Toilettenpause verständigen sich die Prozessbeteiligten, dass | |
Verfahren nach Paragraph 153a einzustellen. Verteidiger Rüdiger Jung | |
erklärt die Gerichtsentscheidung gegenüber der taz so: "Luftablassen ist | |
ein Vergehen, das nach keiner Verurteilung verlangt". Luftablassen sei | |
keine Sachbeschädigung, weil der Reifen dadurch nicht beschädigt werde, | |
sagt Verteidigerin Anna Luczak. Sie beruft sich auf eine Entscheidung des | |
Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1959. | |
In der Festnahmenacht war die Stimmung nicht so entspannt. Mit auf dem | |
Rücken gefesselten Händen waren die drei Studenten wie Schwerverbrecher | |
abgeführt worden. Es folgten 16 Stunden Polizeigewahrsam überwiegend in | |
Einzellezellen. Während dieser Zeit wurden ihre Wohnungen durchsucht, | |
Computer und Festplatten beschlagnahmt. Vor Gericht verliest der Student | |
Nils P. stellvertretend für die Angeklagten eine Erklärung: Man müsse kein | |
Ökologe sein, um über die Gefahren globale Erwärmung Bescheid zu wissen. | |
Auch seine Enkelkinder sollten noch eine lebenswerte Welt vorfinden. | |
Deshalb hätten sich die drei entschlossen, an einem von Uni-Kommillitionen | |
in der Mensa propagierten Aktionstag zum Luftablassen teilzunehmen. Aber | |
andere Aktivsten seien schneller gewesen. Die Autos, die man in jener Nacht | |
inspiziert habe, seien schon platt gewesen. | |
Der angeklagte Clown Jean Peters studiert zurzeit in London | |
Globalisation-Developement. Am Ende des Prozesses sagt Richter Stoye | |
augenzwinkend: "Ich bin gespannt, wie es den Autos in London geht". | |
5 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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