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# taz.de -- Privater Zwist bei Musikerfamilie Wainwright: Graue Eminenz, lebens…
> Zeitgleich erscheinen die neuen Alben von Vater Loudon Wainwright III und
> seinem Sohn Rufus Wainwright. Diese Familie ist sowas wie die Osbournes
> der Prä-MTV-Ära.
Bild: Der „olle Loud Wainwright“, noch mopsfidel.
Die Familie – aber nicht als Kuschelnest, Rückzugsgebiet oder Heiligtum,
sondern als Schlachtfeld, Folterkammer oder Todeszone – war schon immer
Lieblingsthema des amerikanischen Singer-Songwriters Loudon Wainwright des
Dritten, für seine Freunde kurz LW3.
In der Folge wurden die Wainwrights sozusagen so was wie die Osbournes der
Prä-MTV-Ära und ihre kleinen und großen Krisen, Dramen und Triumphe stets
in Songform der staunenden Öffentlichkeit präsentiert: „Rufus Is A Tit Man�…
über seinen neu geborenen Sohn wurde 1975 sogar so was wie ein Hit, „Your
Mother And I“ über die Trennung der Eltern, „Hitting You“, die
Selbstanklage des Vaters, der sein Kind geschlagen hat, der schwierige
„Father/Daughter Dialogue“ eher nicht.
Von großem Unterhaltungs- und Erkenntniswert waren diese ausgesprochen
genau beobachteten und mit viel Herzblut, aber auch Selbstironie
beschriebenen alltäglichen Ausnahmezustände schon. Zumal sich Loudon nicht
nur top-down mit seinen Kindern, sondern auch bottom-up mit seinem
Problemvater auseinandersetzte und natürlich, auf Augenhöhe, mit seinen
diversen Gattinnen und Verlobten.
## Familie und Altwerden
Über seine Mutter komponierte er schließlich sogar ein ganzes Album – nach
ihrem Tod. Als Sohn Rufus und Tochter Martha ebenfalls Musiker-Laufbahnen
einschlugen, geriet die Geschichte noch unterhaltsamer, aber auch
komplexer, denn hier kamen ganz andere Sichtweisen zum Ausdruck, wie es
etwa Marthas ihrem Vater gewidmeter Song „Bloody Mother – Fucking Asshole“
andeutet.
Doch mittlerweile sind alle Beteiligten älter und weiser geworden, und die
familiären Beziehungen erscheinen in einem milderen Licht, wie Loudons
neues Album „Older Than My Old Man Now“ zeigt. Er ist nicht nur älter, als
es sein Vater jemals wurde, sondern auch in jenem Alter, das Paul McCartney
auf „Sgt. Pepper“ besungen hat: „When I’m Sixty-Four“ – und dabei
mopsfidel. Die Familie ist ein Thema, ein anderes ist das Altwerden,
offensichtlich in einem Songtitel wie „I Remember Sex“ oder in dem
gemeinsam mit der noch älteren Folk-Legende Ramblin’ Jack Elliott
eingesungenen Song „Double Lifetime“: „I want a double lifetime/ I want to
start over/ One lifetime’s not enough/ I need another/ 64 years on a
practice run/ Practice makes perfect/ I’m about half done/ I want a double
lifetime“.
Musikalisch bewegt sich Loudon Wainwright III gut gelaunt und souverän
zwischen Folk, Country und Jazz, zu den Gästen zählen neben den Kindern und
der Exfrau Suzzy Roche auch der Jazzgitarrist John Scofield. Vor dem
Ausarten in zu viel Frohsinn bewahrt LW3 das Album, indem er zwischendurch
aus Texten seines Vaters, Loudon Wainwright, Jr., liest.
Darin geht es natürlich um die Auseinandersetzung mit den Schrecknissen der
Familie: „Yet – even though years of therapy have led me to make the dark
whistling claim that he’s finally dead and gone – my father, who died when
I was 17, continues to be my principal ghost, a lifelong éminence grise,
and only my own end will finish it“, zitiert LW3 vor Beginn seines Songs
„Older Than My Old Man Now“ seinen eigenen Vater.
Wie groß die Inspirationskraft von Familienthemen unter den Wainwrights
ist, zeigt einmal mehr Rufus Wainwright auf seinem zeitgleich
veröffentlichten neuen Album „Out Of The Game“. Insgesamt muss man nämlich
feststellen, dass dies ein unerwartet schwacher Auftritt ist, eine fast
lustlos wirkende Ansammlung routiniert herunterkomponierter
Mainstream-Popsongs. Überproduzent Mark Ronson, der Amy Winehouse ihrerzeit
zu einem brillant maßgeschneiderten Soundenvironment verhalf, trägt mit
einer Ansammlung uncharakteristischer, gängiger Arrangement-Versatzstücke
aus dem Pop-Baukasten auch nicht gerade dazu bei, der drohenden
Vereltonjohnung entgegenzuwirken.
## Arbeit an der Vaterfigur
Umso deutlicher sticht der Song „Montauk“ heraus, in dem Rufus seine kleine
Tochter anspricht und in dem er verschiedene Szenarien des künftigen
Familienlebens entwickelt, etwa: „One day you will come to Montauk/ And see
your dad trying to be funny/ And see your other dad seeing through me/ Hope
that you will protect your dad“. Bedenkt man, wie viel Kraft und Aufwand
die Wainwrights gemeinhin für die Auseinandersetzung mit nur einem Vater
brauchen, mag man sich kaum vorstellen, was der kleinen Viva Katherine nun
womöglich mit zwei Vätern blüht. „Montauk“ bleibt jedoch die Ausnahme auf
diesem sicherlich Charts-tauglichen Album, auf dem Rufus aber deutlich
unter seinen künstlerischen Möglichkeiten bleibt.
Selbst wenn die innerfamiliäre Rivalität jetzt eigentlich nicht mehr das
Thema ist: Diese Runde geht an den ollen Loud.
25 Apr 2012
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
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