| # taz.de -- Personenführung #19: Christian Specht: Er kam, setzte sich und bli… | |
| > Christian Specht, Aktivist und Porträtist, feiert seinen 45. Geburtstag. | |
| > Ein Glückwunsch für die Seele der taz. | |
| Bild: Selbstporträt des Zeichners: in seine Arbeit am Schreibtisch vertieft. | |
| Volksmusik poltert aus dem Atelier. Drinnen sitzt ein summender Künstler | |
| und malt. „Grün, Rot, Rosa und Blau“, sagt er, sind seine Lieblingsfarben. | |
| Bevorzugtes Werkzeug: der Filzstift. Sein Zeichenstil vereint Schlichtheit | |
| und Präzision. Sein Werk ist schon jetzt gewaltig. Auf nahezu jeder Etage | |
| des Redaktionsgebäudes an der Rudi-Dutschke-Straße ist es präsent. | |
| Der Künstler schaut derweil auf seine aktuelle Skizze und lächelt | |
| zufrieden. Christian Specht hat soeben die formvollendeten Windungen einer | |
| roten Schlange auf dem Papier eingefroren. Richtig, man kennt den Namen | |
| eigentlich aus anderen Zusammenhängen: Specht, der politische Hausaktivist, | |
| die Nervensäge, der Kampagnenmacher, der - wie es 2010 in einem Hommage | |
| hieß – einzige „Popstar“ der taz. | |
| ## Mit lautem Getöse | |
| In jedem Fall ist Christian Specht jemand, der sich stets neu erfindet. | |
| Zumeist nicht im Stillen, sondern mit lautem Getöse auf den Fluren der | |
| Zeitung. Seit 1987 ist er Angehöriger der taz. Er kam, setzte sich und | |
| blieb. Umgeben von Schreibenden, entschloss er sich, seine Botschaften | |
| aufschreiben zu lassen. Was wenig mit seinem durch eine angeborene | |
| Behinderung bedingten Analphabetismus zu tun hat, sondern damit, dass, wie | |
| der taz-Aushilfshausmeister Helmut Höge einst schrieb, Specht schlicht zu | |
| faul war, lesen und schreiben zu lernen. | |
| Vor gut einem Jahr bekam er zu seinem Geburtstag in der taz eine Sammlung | |
| bunter Stifte geschenkt. Auch wenn der 45-Jährige gern erzählt, er habe | |
| „schon immer gemalt“, entwuchs diesem Moment eine neue, jedenfalls musische | |
| Aufgabe. Seitdem zieht er sich häufiger in sein Atelier zurück, das er nur | |
| morgens an die Redaktion zwecks Konferenz abtreten muss. | |
| ## Ästhetische Impulse | |
| Sonst hat er hier seinen schöpferischen Frieden. Und diesen nutzt er | |
| nachhaltig. Christian Spechts Strichmännchen und -figuren tragen den | |
| elementaren Wesenskern des oder der Porträtierten in sich – pars pro toto. | |
| Seine ästhetischen Impulse entnimmt er stets dem Zwischenmenschlichen oder | |
| dem Politischen. Oder beidem! | |
| Einem allzu garstigen Ressortleiter verpasste er etwa spitze Haifischzähne. | |
| Naturalistische Anklänge findet man in seinen Bildern jüngst öfter. | |
| Jedenfalls nahm es der Betroffene nachdenklich hin und war doch ein Stück | |
| weit geehrt, denn Specht ist in der Motivwahl sehr wählerisch. Seine | |
| gesellschaftskritischen Arbeiten wandern regelmäßig in die eigens | |
| geschaffene Rubrik „Der Specht der Woche“ auf den Gesellschaftsseiten. | |
| Jüngst traf es Berlins Innensenator Frank Henkel, der via Skizze zur Tasse | |
| ohne Henkel wurde. Auch spontane Installationen gehören zum Specht'schen | |
| Oeuvre. Den Besuch von Bundeswehrsoldaten kommentierten zwei sich | |
| kreuzenden Pappgewehre an der Wand seiner Werkstatt. | |
| ## Er wird die Zeitung retten | |
| In der taz ist man sich gewiss, dass seine Bilder dereinst die Zeitung | |
| retten werden. Wird es in der übernächsten Medienkrise richtig eng, werden | |
| es Spechts Bilder sein, die Spitzenpreise erzielen dürften. Wohl auch weil | |
| seine Kunst die Seele der taz schmunzelnd verwaltet: Sie ist liebevoll, | |
| laut, anders, wütend, vielfältig und so ausschweifend wie treffend gewitzt. | |
| Ganz so wie Christian Specht selbst. Zunächst aber will er das Geschaffene | |
| möglichst bald und möglichst umfangreich ausstellen: "Ich könnte mir eine | |
| Sammelausstellung mit anderen behinderten Künstlern vorstellen. Viele | |
| trauen sich nicht, denen will ich Mut machen." | |
| Anfang Januar 2014 feierte er seinen 45. Geburtstag. Wir wünschen ihm das | |
| Beste – und dass er bleibt, was er ist: einer von uns. | |
| Jan Scheper | |
| 14 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Scheper | |
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