# taz.de -- Oldenburgs OB wackelt: Die Karriere eines Blenders | |
> Eine breite Mehrheit im Stadtrat will Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd | |
> Schwandner abwählen. Dabei hätte man wissen können, wer Schwandner ist | |
> und wie er tickt, wenn man es denn nur gewollt hätte. Eine Spurensuche. | |
Bild: Aug' in Aug' mit den Großen: OB Gerd Schwandner (l.) und Bundesaußenmin… | |
Sie hofften auf ihn, aber er enttäuschte sie. Jetzt wollen sie ihn | |
loswerden, auch wenn sie ahnen, dass sie es nicht schaffen werden. | |
Oldenburgs Grüne und Gerd Schwandner, der Oberbürgermeister der Stadt. Sie | |
trugen dazu bei, dass er vor zweieinhalb Jahren ins Amt kam. Jetzt | |
betreiben sie seine Abwahl. Bis auf die CDU haben sich alle Ratsfraktionen | |
angeschlossen: Grüne, SPD und FDP, Linke und Wähler für Oldenburg - | |
gemeinsam haben sie 70 Prozent der Stimmen. Am heutigen Montagabend in der | |
Ratssitzung müssten drei aus der CDU-Fraktion mitmachen, damit die | |
erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit erreicht wäre. Sonst kann der | |
Abwahlantrag nicht eingebracht werden. Mithin ist die Initiative der Grünen | |
nur ein symbolischer Akt - eine Art Selbstreinigung für das, was 2006 im | |
Herbst passiert ist. | |
Damals trat Schwandner als parteiloser Ex-Grüner für die CDU als | |
Oberbürgermeisterkandidat an. Lutz Stratmann, der niedersächsische Kultur- | |
und Wissenschaftsminister und damalige Oldenburger CDU-Vorsitzende, | |
brauchte dringend jemanden von außen, die eigene Truppe gab nichts her. Er | |
fragte Schwandner, dessen Frau Annette in Stratmanns Ministerium die | |
Kulturabteilung leitet. Und Schwandner sagte ja. | |
In Oldenburg wusste man zunächst nichts über den Mann, es war eher Geraune: | |
Schwandner ist eigentlich Mediziner, saß für die Grünen im Landtag. Hat | |
Geld mit Internetfirmen verdient. War auch mal in Bremen tätig. Hat in | |
Karlsruhe eine Professur inne, irgendwas mit Marketing. Das klang okay - | |
und genauer wollte es auch gar niemand wissen. | |
Die CDU war froh über einen herzeigbaren Kandidaten, die Grünen und viele | |
andere betörten sich am einzigem Wahlversprechen: Schwandner wollte ein | |
Einkaufscenter in der Innenstadt noch verhindern, das der amtierende | |
SPD-Oberbürgermeister zusammen mit dem Shopping-Mall-Riesen ECE fast | |
durchgeboxt hatte. Die Stichwahl zwischen beiden wurde zum Plebiszit über | |
das Shoppingcenter. Schwandner gewann knapp. Einen "Koloss am Schloss" | |
werde er verhindern, hatte er gesagt - fünf Wochen nach der Wahl genehmigte | |
er ihn. | |
Für die Grünen war die Zusammenarbeit beendet, Schwandner gilt seitdem als | |
Wahlbetrüger und macht es Kritikern nicht leicht, dieses Bild zu | |
korrigieren. Er macht sein Ding, verfolgt Ziele, die nur er kennt, denkt in | |
weltpolitischen Kategorien und vergisst mitunter, dass es einen Stadtrat | |
gibt. Zum Beispiel seine China-Initiative: Er wolle "Oldenburg auf die | |
mentale Karte Chinas" setzen, sagt er ständig, fliegt mit Delegationen | |
mehrfach hin, ohne dass ihn der Rat geschickt hätte. Einziges in Erinnerung | |
gebliebenes Resultat bislang: Vielleicht gibt es bald chinesische Masseure | |
in einem Oldenburger Spaßbad. | |
Oder das Vertriebenendenkmal: Der Rat lehnt es ab, trotzdem stellt | |
Schwandner 109.000 Euro dafür in den Haushalt ein. Neulich in Berlin | |
begrüßte er die Gäste des traditionellen Oldenburger Grünkohlessens mit | |
"Guten Übermorgen", weil er und seine Leute den Titel "Stadt der | |
Wissenschaft" nach Oldenburg geholt haben und die Stadt schon jetzt im | |
Übermorgen sei. Klingt gut. Aber was ist heute so los? | |
Zurzeit protestieren vor seinem Rathaus die Wochenmarkthändler. Schwandner | |
will ihren Markt öfter auslagern, damit auf dem Platz "Events" stattfinden | |
können. Ein Kochfestival etwa, das vergangenes Jahr auf dem Schlossplatz | |
stieg. Dort aber ist wegen der Baustelle des Shoppingcenters erst mal kein | |
Platz mehr. | |
Zuletzt fiel Schwandner mit einem Alleingang beim geplanten Bau eines | |
Parkhauses in einem Wohngebiet am Rande der Innenstadt auf: Der Rat ist | |
dagegen, Schwandner stellt dem Investor trotzdem eine zügige Baugenehmigung | |
in Aussicht. Bedenken des Seniorenbeirats eines benachbarten Altersheims | |
wischt er rüde weg. Der Verdacht dahinter: Das Parkhaus wird für ECE | |
gebaut, weil deren Center, das ganz in der Nähe entsteht, zu wenige | |
Parkplätze hat. | |
Die Parkhaus-Sache war der Anlass für die Abwahlinitiative der Grünen. | |
Selbst die FDP, die einige von Schwandners Ideen gut findet, sieht keinen | |
Sinn mehr in der Zusammenarbeit - weil Schwandner einfach macht, ohne den | |
Rat zu informieren. | |
Nur die CDU hält jetzt noch zu Schwandner. 14 Ratsmitglieder. Zwar presche | |
Schwandner auch einigen Christdemokraten manchmal gar zu schnell vor, sagt | |
der langjährige Vize-Kreisvorsitzende Heinz Harzmann, er sei aber | |
unumstritten: ein Professor für Marketingstrategien, ein Mann von Welt, der | |
auf Englisch parliert und in China zu Hause ist. Einmal hat Harzmann sogar | |
gesagt, Schwandner sei "unser neuer Messias". Er glaubt bis heute an ihn. | |
Dann fabuliert er: Vielleicht seien die Oldenburger noch nicht bereit für | |
all die Ideen und Visionen. Dass Schwandner die richtige Wahl gewesen sei, | |
sagt Harzmann, "wird sich noch zeigen". So, als sehe er selbst auch noch | |
keine Resultate. Sind sie bei der Oldenburger CDU schlicht einem | |
aufgesessen, der vielen als Aufschneider gilt? | |
Eine Spurensuche im Vorleben des Mannes im Oldenburger Rathaus. Sie beginnt | |
bei den Grünen in Stuttgart. Dort fing seine Karriere als Politiker an - | |
sieht man mal ab von seiner Zeit bei der FDP in den 70er Jahren. 1984 wurde | |
er für die Grünen in den baden-württembergischen Landtag gewählt. Hedi | |
Christian war damals Fraktionsgeschäftsführerin und ist es heute noch. Sie | |
sagt: Schwandner sei nie wirklich ein Grüner gewesen, habe sich nie mit | |
Inhalten identifiziert. Sie beschreibt ihn als "ehrgeizig, leicht | |
verletzlich und sehr eitel". Trotzdem holte ihn die damalige Bremer | |
Kultursenatorin Helga Trüpel 1992 als Staatsrat nach Bremen. Es schien zu | |
passen: Trüpel gehörte den Grünen an, Schwandner hatte sich in Stuttgart um | |
Kultur gekümmert. | |
Fragt man Trüpel, die seit 2004 für ihre Partei im Europaparlament sitzt, | |
heute nach Schwandner, dann glaubt man ihr sofort, dass sie die | |
Zusammenarbeit mit ihm beendet hätte, wenn die Ampelkoalition damals in | |
Bremen nicht ohnehin 1995 zerbrochen wäre. Vor allem habe sie seine | |
Kommunikationsunfähigkeit gestört. Wie er Kritiker entwertete mit seiner | |
"großkotzigen Art". Einer, der schnell denkt - und alle blöd findet, die | |
nicht mitkommen. Er selbst habe aber nur verbrannte Erde hinterlassen und | |
stets davon geredet, Bremen müsse so werden wie New York. So wie er | |
Oldenburg zu einer der coolsten Städten Europas machen will. | |
Nach seinem Abschied aus Bremen wurde Schwandner Geschäftsführer des | |
Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. Ein ZKM-Kenner | |
sagt, Schwandner habe sich damals "große internationale Reisen gegönnt, um | |
Netzwerke zu knüpfen", Aufwand und Ergebnis standen aber "nicht unbedingt | |
in glücklicher Relation zueinander. Der hat da viel Geld verbrannt." Als | |
Gründungsdirektor Heinrich Klotz das ZKM verließ, wollte Schwandner | |
Nachfolger werden. Das Kuratorium um den damaligen baden-württembergischen | |
Ministerpräsidenten Lothar Späth favorisierte den österreichischen Künstler | |
und Medientheoretiker Peter Weibel. | |
Bis heute halten sich Gerüchte, Schwandner habe Späth Videofilme | |
zugespielt, die Weibel belasten sollten. Weibel bekam den Posten, | |
Schwandner schied wenig später als Geschäftsführer aus - nach heftigem | |
Streit mit Weibel. Der Vorwurf: Schwandner habe die Politik für seine | |
Zwecke instrumentalisieren wollen. | |
Schwandners Weg war aber deshalb nicht zu Ende, denn er hatte Fürsprecher. | |
Er wurde Professor für Internationale Management- und Marketing-Strategien | |
an der Fachhochschule Karlsruhe. In Oldenburg verweist er oft auf diese | |
Tätigkeit, ist auch stets der "Herr Professor", was vielen Respekt | |
abnötigt. An der Fachhochschule war man damals vor allem verwundert: Als | |
Marketingexperte war der Ex-Chirurg nicht aufgefallen, akademische | |
Qualifikationen für das Fach konnte er nicht vorweisen. Er hatte nur seinen | |
Dr. med. - dass so einer direkt eine höher dotierte C 3-Stelle bekam, | |
anstatt wie üblich erst einmal eine C 2-Stelle, machte viele stutzig. Einer | |
der es wissen muss, bestätigt, was viele ahnten: Das Ministerium habe | |
Schwandner den Posten zugeschustert, weil er sonst als Beamter "fürs | |
Spazierengehen hätte bezahlt werden müssen". | |
Ob es hilfreich war, dass Schwandners Frau zum selben Zeitpunkt persönliche | |
Referentin des Staatssekretärs im Stuttgarter Wissenschaftsministerium war, | |
ist unklar. Als FH-Professor war Schwandner größtenteils nach Baden-Baden | |
abgeordnet. Dort sollte er einen Studiengang für Medien- und | |
Event-Management aufbauen, was so recht nicht gelang, weshalb er noch unter | |
Schwandner wieder abgeschafft wurde. Ansonsten das gleiche Muster wie heute | |
in Oldenburg: Schwandner reiste, wie ein damaliger Kollege sagt, "völlig | |
unmotiviert durch die Welt" - vor allem nach Fernost und in die USA -, | |
"zeichnete sich nicht durch Kärrnerarbeit aus", machte sein Ding, isolierte | |
sich und hatte "von nichts eine Ahnung". In Karlsruhe und Baden-Baden waren | |
viele froh, als er die OB-Wahl in Oldenburg gewann. | |
Da ist er jetzt - und hat schon wieder viele gegen sich aufgebracht. Einer, | |
der ihn länger begleitet hat, sagt, Schwandner sei der klassische Blender, | |
der von Hof zu Hof zieht und hofft, dass ihm sein schlechter Ruf nicht | |
allzu bald einholt. Wenn es so weit sei, dann ziehe er eben weiter. | |
22 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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