# taz.de -- heute in hamburg: „Obdachlose Frauen werden oft Gewaltopfer“ | |
Von Adèle Cailleteau | |
taz: Frau Hniopek, obdachlose Frauen sind auf der Straße kaum zu sehen. | |
Sind es viele? | |
Andrea Hniopek: Bei der Mehrheit der obdachlosen Frauen bemerkt man das gar | |
nicht. Sie sind in der Lage, ihre Obdachlosigkeit zu kaschieren. Wir haben | |
mal eine Fotoaktion gemacht und obdachlose und nicht obdachlose Frauen | |
fotografiert. Man konnte keine Unterschiede sehen. | |
Wie schaffen die Frauen das? | |
Für sie ist es sehr wichtig, in der Öffentlichkeit nicht als Obdachlose | |
betrachtet zu werden. Frauen haben enorme Ressourcen, sich zu organisieren. | |
Sie nehmen bestehende Hilfe in Anspruch und schaffen es, ihre Kleidung zu | |
waschen und sich zu pflegen. | |
Wie ist in Hamburg das Verhältnis von obdachlosen Männern und Frauen? | |
Wir haben keine genauen Zahlen dazu, aber wir gehen davon aus, dass die | |
Mehrheit der Menschen auf der Straße Männer sind. Die meisten sagen, etwa | |
25 Prozent der Obdachlosen sind Frauen. Ich würde sagen, es sind wesentlich | |
mehr. Aber immer noch weniger als die Hälfte – Tendenz allerdings deutlich | |
steigend. | |
Warum? | |
Das liegt zunächst daran, dass mehr Einrichtungen extra für Frauen | |
geschaffen werden. So werden obdachlose Frauen einfach sichtbarer. Hinzu | |
kommt aber auch, dass Frauen immer selbständiger und damit gewissermaßen | |
den Männern ähnlicher werden. Mehr Frauen haben eigene Einkommen, leben | |
alleine und landen dann ohne Unterstützung der Angehörigen in der | |
Obdachlosigkeit. | |
Was ist das Besondere daran, als Frau obdachlos zu sein? | |
Frauen sind im Gegensatz zu Männern auf der Straße mehr physischer und | |
psychischer Gewalt ausgesetzt. Viele erzählen, dass sie immer wieder Opfer | |
von Gewalt werden. Wir schätzen, dass 90 Prozent aller obdachlosen Frauen | |
mindestens ein Mal in ihrem Leben physische, insbesondere sexualisierte | |
Gewalt erleben. | |
Ist das Hilfesystem an Frauen angepasst? | |
Die Hilfe ist eher männlich ausgerichtet. Erst seit 20 oder 30 Jahren gibt | |
es eine besondere Hilfe für Frauen. Es gibt aber noch immer wenige | |
Einrichtungen, die sich speziell an Frauen richten. Wichtig sind aber auch | |
Einrichtungen, die sowohl Männer als auch Frauen offenstehen. Es ist | |
wichtig, dass sich Frauen trauen, mit ihren Problemen im Privaten ein Stück | |
in die Öffentlichkeit zu gehen. | |
Debatte „Mut gegen Armut: Obdachlosigkeit von Frauen“ mit Cansu Özdemir | |
(Linke) und Andrea Hniopek: 18.30 Uhr, La Cantina, Hohenesch 68 | |
5 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Adèle Cailleteau | |
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