# taz.de -- Nominierte 2020: Alessandra Korap Munduruku: "Der Kolonialismus hat… | |
> Alessandra Korap ist Munduruku-Indigene und kämpft in Brasilien gegen die | |
> Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes. | |
Bild: Alessandra Korap Munduruku aus Brasilien ist für den taz Panter Preis no… | |
von [1][Niklas Franzen] | |
Angst habe [2][Alessandra Korap Munduruku] keine mehr. Zu viele | |
Morddrohungen habe sie erhalten, zu lange seien Kopfgelder auf sie | |
ausgesetzt. „Und wenn ich jetzt still bin“, sagt sie der taz am Telefon. | |
„Haben sie gewonnen.“ Die 36-Jährige ist Vertreterin der | |
Munduruku-Indigenen und eines der bekanntesten Gesichter des Kampfes für | |
den Amazonas-Regenwald. | |
Korap wuchs am Ufer des Tapajós-Flusses im Norden von Brasilien auf. | |
Aktivistin sei sie seit ihrer Geburt. Lange Zeit traute sie sich jedoch | |
nicht, öffentlich zu sprechen. „Auf den Versammlungen im Dorf gab es keinen | |
Platz für uns Frauen. Gesprochen haben immer nur die Männer.“ Doch als auch | |
in ihrem Gebiet die Bagger anrollten, um den Regenwald zu vernichten, | |
ergriff die kleine Frau mit dem tätowierten Gesicht immer öfters das Wort – | |
und erkämpfte sich ihren Platz. Heute, sagt sie, kämpften viele Frauen an | |
vorderster Stelle mit. | |
Dass Korap zur Vollzeitaktivistin avancierte, hat verschiedene Gründe: | |
Staudämme und Bergbauprojekte verschmutzen die Natur, Goldschürfer und | |
Holzfäller dringen gewaltsam in indigene Gebiete vor, immer mehr | |
Waldflächen weichen Kuhweiden und Sojafeldern. Eine Bahntrasse, die | |
sogenannte Ferrogrão (Eiserne Bohne), soll quer durch das Gebiet der | |
Munduruku gebaut werden. Das Ziel: Soja aus dem Süden zu den Häfen am | |
Tapajós-Fluss zu transportieren und von dort direkt nach Europa und China | |
zu verschiffen. Am schmutzigen Geschäft in Amazonien sind auch zahlreiche | |
ausländische Firmen beteiligt. „Der Kolonialismus hat nie geendet“, lautet | |
Koraps ernüchterndes Urteil. | |
Im vergangenen Jahr zog die Aktivistin mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen | |
nach Santarém, eine 300.000-Einwohner-Stadt mit schnuckeliger Altstadt und | |
schönen Stränden an der Mündung der Flüsse Tapajós und Amazonas. An viele | |
Dinge musste sie sich in der Stadt erst gewöhnen. Lebensmittel im | |
Supermarkt kaufen, Miete bezahlen, wenig Platz zu haben. An der Universität | |
studiert sie nun Jura. „Um die Gesetze zu verstehen, die die Weißen lehren, | |
aber nicht respektieren.“ | |
## Folgenreiche Reden | |
Höhepunkt ihres Aktivismus war der [3][20. September 2019]. An diesem Tag | |
sprach sie am Brandenburger Tor vor 270.000 Menschen auf der | |
Abschlusskundgebung des globalen Klimastreiks. „Ich habe noch nie so viele | |
weiße und blonde Menschen gesehen“, sagt Korap und lacht. „Es tat gut zu | |
sehen, dass wir nicht alleine sind.“ Auch Deutschland habe eine | |
Verantwortung. So profitierten zahlreiche deutsche Unternehmen direkt vom | |
Raubbau des Regenwaldes. Die Deutschen, fordert Korap, sollten Soja und | |
Fleisch aus Brasilien boykottieren. Dafür eintreten, dass das umstrittene | |
EU-Mercosur-Freihandelsabkommen gestoppt wird. Und Druck auf Brasiliens | |
Regierung aufbauen, notfalls auch mit Sanktionen. | |
Wenn Korap über den Wald spricht, kann es schon einmal lauter werden. Im | |
vergangenen Jahr faltete sie im Parlament hochrangige Politiker*innen | |
zusammen. Ein anderes Mal griff sie eine Bergbaufirma direkt an. Ein Video | |
ihrer Rede ging viral, es folgten zahlreiche Morddrohungen. Und es blieb | |
nicht bei Drohungen. Kurz nach der Rede wurde bei ihr eingebrochen, das | |
Haus verwüstet. Dokumente, eine Speicherkarte und ein Handy fehlten, andere | |
Wertgegenstände nicht. Korap ist sich sicher: „Das war eine Warnung.“ Für | |
kurze Zeit musste sie untertauchen. Heute vermeidet sie öffentliche | |
Auftritte, teilt ihren Standort nicht mit. | |
Dass Menschen wie Korap bedroht, verfolgt und manchmal sogar ermordet | |
werden, hat auch mit einem Mann zu tun: Präsident Jair Bolsonaro. Bereits | |
im Wahlkampf tönte der Rechtsradikale, keinen weiteren Zentimeter Land als | |
Schutzgebiet für indigene Gemeinde ausweisen zu lassen, beschimpfte | |
Indigene auf rassistische Weise, wetterte gegen Umweltschützer*innen. Seit | |
seinem Amtsantritt 2019 baut seine Regierung systematisch | |
Umweltschutzmaßnahmen ab und kämpft für eine kommerzielle Ausbeutung des | |
Amazonas-Regenwaldes. Die Politik der Regierung hat direkte Konsequenzen | |
für die indigene Bevölkerung. Anfang Oktober stellte der Indigene | |
Missionsrat CIMI in einem Bericht fest, was für viele ohnehin klar war: Die | |
Gewalt gegen Indigene ist mit der Präsidentschaft Bolsonaros massiv | |
gestiegen. | |
Allerdings hätte die Zerstörung ihrer Heimat bereits vor Bolsonaro | |
begonnen, betont Korap. Auch die sozialdemokratische Arbeiterpartei PT ließ | |
Staudämme bauen und hofierte das Agrobusiness. Demokratie, meint die | |
Aktivistin, habe für Indigene in Brasilien noch nie existiert. Auch deshalb | |
wird sie weiterkämpfen. „Ich werde nicht zulassen, dass sie uns | |
auslöschen.“ | |
11 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Niklas-Franzen/!a53180/ | |
[2] http://www.aswnet.de/projekt/faorindigenefrauen | |
[3] http://www.aswnet.de/news/brasilien-asw-partner-bekraeftigen-ihren-willen-z… | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |