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# taz.de -- Nobles Signal an alle Atom-Junkies
> ■ Der Friedensnobelpreis 1995 geht an die "Pugwash Conferences", eine im
> Kalten Krieg entstandene Vereinigung atomwaffenkritischer
> Wissenschaftler, und ihren 86jährigen Vorsitzenden Joseph Rotblat
Oslo/London/Berlin (taz/AFP) Vor dem Hintergrund der neuen französischen
und chinesischen Atomtests geht der Friedensnobelpreis in diesem Jahr an
den britischen Physiker Joseph Rotblat und seine Anti-Atomwaffenvereinigung
Pugwash. Das gab das norwegische Nobelkomitee gestern in Oslo bekannt. Der
Präsident des Nobelkomitees, Francis Sejersted, sagte, man wolle die
Politiker der Welt „dazu ermutigen, ihre Bemühungen um die Abschaffung
aller Atomwaffen voranzutreiben“.
Die „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“ wurden 1957 in dem
kanadischen Dorf Pugwash von dem britischen Philosophen Bertrand Russell
und dem Begründer der Relativitätstheorie, Albert Einstein, ins Leben
gerufen. Vorausgegangen war 1955 ein Manifest, in dem Wissenschaftler dazu
aufgerufen wurden, sich gegen einen drohenden Atomkrieg einzusetzen. Daraus
entstand eine Serie von bisher 40 Treffen, beginnend mit der
Gründungsversammlung im Juli 1957 in der Residenz des US-Milliardärs Cyrus
Eaton im kanadischen Dorf Pugwash.
Einmal jährlich gibt es eine Pugwash-Konferenz über ein Schwerpunktthema.
Die Ergebnisse erscheinen vierteljährlich in einem newsletter. Zu den
vorbereitenden Studiengruppen werden auch jüngere Wissenschaftler
eingeladen, aus denen der mittlerweile angejahrte Klub seinen Nachwuchs
kraft Kooptation rekrutiert. Der bürokratische Aufwand ist gering, die
Arbeit wird ausschließlich durch Spenden oder Drittmittel von Stiftungen
finanziert. Die Konferenzen hatten einen entscheidenden Anteil an
internationalen Abrüstungsabkommen. In den letzten Jahren erweitete die
Konferenz ihr Arbeitsgebiet auf regionale Krisen und Entwicklungsfragen der
Dritten Welt. Zu den Naturwissenschaftlern traten Ökonomen und Politologen.
Joseph Rotblat war von 1957 bis 1973 Pugwash-Generalsekretär und ist seit
1988 Pugwash-Präsident. Der 86jährige, in Warschau geborene Professor, war
bei Kriegsausbruch 1939 nach Großbritannien gekommen und ist seitdem
britischer Staatsbürger. Er nahm am Bau der ersten Atombombe in Los Alamos
teil und wurde in seinem Weltbild durch den Abwurf der Bombe so
erschüttert, daß er den Dienst quittierte, die Atomphysik aufgab und sich
später wissenschaftlich nur noch mit den Folgen der Atomstrahlung
beschäftigte. So gehörte er zu den Erstunterzeichnern des Pugwash-
Manifests und war der erste Wissenschaftler von Weltrang, der mit der
britischen Anti-Atombewegung CND bei deren Gründung 1958 zusammenarbeitete.
Zu der Preisverleihung sagte Rotblat, er stehe unter Schock, sei aber
„hocherfreut und sehr aufgeregt“. Vertreter der britischen Friedensbewegung
waren ebenfalls begeistert, meinten aber, es handele sich um eine aus der
Schublade gezogene Kompromißlösung des Nobelkomitees, das sich auf niemand
anderen habe einigen können.
CND und Greenpeace nannten die Auszeichnung schließlich ein „klares
politisches Signal“ vor allem an Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac.
Die französische Regierung gratulierte den Preisträgern trotzdem. C.S./D.J.
14 Oct 1995
## AUTOREN
C.S. / D.J.
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