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# taz.de -- Nicht subversiv, aber lustig
> Unterhaltung pur: Spaßguerillas Ost und West langweilten sich im Haus der
> Demokratie zum Thema öffentliche Protestkultur  ■ Von Barbara Bollwahn
Es gibt Veranstaltungen, deren Unterhaltungswert in ihrer Drögheit liegt.
Freunde des schlechten Geschmacks dürften am Dienstag abend im Haus der
Demokratie voll auf ihre Kosten gekommen sein. Unter dem Motto „Mit Eiern
gegen das Establishment? Die Spaßguerilla als Element des politischen
Widerstands“ waren Spaßvögel aus Ost und West geladen, um darüber zu
diskutieren, wie subversiv das Gelächter über die Machthabenden ist, ob
satirische Politaktionen nur ihrer Selbstbefriedigung dienen und warum es
gegenwärtig politsatirisch-spaßmäßig nicht mehr so wie früher abgeht.
Um Leute wie den Aktionspolitologen Dieter Kunzelmann, Reinhard Schult vom
Neuen Forum, den Erfinder der Eierwurfmaschine und Betreiber des „Amtes für
Wahrnehmungsstörung“ Kurt Buchwald, den Ausstellungsmacher Christoph
Tannert und Vertreter des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen in die Tiefen
und Höhen der subversiven Spaßforschung zu reißen, bedurfte es eines
gestandenen Moderators.
Den hatte man in der Person von Erhard O. Müller gefunden, seines Zeichens
Vorstandsmitglied des Hauses der Demokratie und Vertreter einer
Ernsthaftigkeit Ost, die für derlei Veranstaltungen geradezu unerläßlich
ist. Wenn niemand auf seine Ost-West-vergleichenden Fragen eingehen wollte,
kippelte er auf seinem Stuhl derart weit nach hinten, daß einem angst und
bange wurde. Bisweilen schlug er seine Beine auch zweifach umeinander, so
daß seine Nasenspitze noch blasser wurde. Allein deswegen war er das einzig
belebende Element des Abends.
Ohne sein eigenes Zutun kam trotzdem hier und da Bewegung in den mit etwa
80 Personen gut besuchten Saal. Als Eiermann Kunzel dem Büro für
ungewöhnliche Maßnahmen vorwarf, mehr am Vermarkten von Aktionen als an
diesen selbst interessiert zu sein, konterten die selbsternannten „PR-Leute
im Bereich der sozialen Plastik“ (keiner lachte), daß er es ungleich
leichter hätte, sich im öffentlichen Raum zu profilieren. Daraufhin trat
Kunzelmann in Aktion, verschanzte sich hinter seiner Sonnenbrille und
schmierte sich Balsam auf die spröden Lippen.
Als Reinhard Schult gar behauptete, daß bei vielen Leuten einfach die Luft
raus sei, und Christoph Tannert es schlichtweg ablehnte, Künstler als
Ideenlieferanten für Provokationen zu mißbrauchen, mußten die PRler in
Sachen Soziales wiederum vehement protestieren. Mit solch entmutigenden
Feststellungen würde man nur Resignation verbreiten.
So richtig lustig wurde es, als eine leicht verwirrte Studentin von Müller
und Teilen des Publikums gehindert wurde, ihren Vortrag über multiverselle,
produktive Räte (oder so ähnlich) zu halten. Da half ihr auch nicht,
zärtlich über das ergraute Haupt von Müller zu streichen, um ihn
anschließend unter hysterischem Gelächter als „fürchterlichen Demokraten an
der Macht“ zu bezeichnen. Das war zwar noch nicht subersiv, aber lustig
allemal.
1 Dec 1994
## AUTOREN
Barbara Bollwahn
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