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# taz.de -- „Nicht passiv bleiben“
> ■ Das „First Somali Manifesto“, ein im Mai 1990 verfaßter Brief der
> Opposition an Präsident Barre - ein Auszug
DOKUMENTATION
„Wir, die Unterzeichnenden, Veteranen, die am nationalen
Unabhängigkeitskampf teilgenommen haben, Sultane und Häuptlinge der
somalischen Gemeinschaften aus verschiedenen Regionen, religiöse Führer,
Geschäftsleute, Intellektuelle und andere, sind aus somalischer und
islamischer Sicht zu der einhelligen Überzeugung gelangt, daß wir
angesichts der Leiden unseres Volkes nicht länger passive Zuschauer bleiben
können. Wir dürfen die Pflicht und Verantwortung gegenüber... unserem Land
nicht weiter vernachlässigen (...)
Insbesondere die folgenden Tatsachen beunruhigen uns zutiefst:
-der Bürgerkrieg zwischen Regierungskräften und Oppositionsbewegungen, der
unserem Mutterland schweren Schaden zugefügt hat, nicht nur militärisch,
sondern auch politisch, wirtschaftlich, sozial und moralisch, so daß wir
uns schämen, Somalis zu sein...
-die Ermordung von Zehntausenden unschuldiger Zivilisten...
-die Flucht von Hunderttausenden aus ihrer Heimat (...)
Jeder Somali und jeder Ausländer, der sich für Somalia interessiert, weiß,
daß die Mißwirtschaft der Regierung und der öffentlichen Verwaltung schon
seit langem ein so beschämendes Ausmaß angenommen hat, daß man sich
angesichts der grenzenlosen Korruptheit der Regierung, angesichts ihres
Tribalismus, Nepotismus, ihrer Tyrannei und Ungerechtigkeit... fragen muß,
ob jene, die das somalische Volk eigentlich regieren sollten, auch nur das
leiseste Gefühl von nationaler Verantwortung haben (...)
Wir nehmen zur Kenntnis, daß das Regime jüngst seine Bereitschaft zur
Aufgabe des gegenwärtigen Einparteiensystems kundgetan hat, und durch
Verfassungsänderungen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, rechtzeitig zu
den Neuwahlen 1990 ein demokratischen Mehrparteiensystem zu schaffen.
Andererseits ist es die bittere Wahrheit, daß das somalische Volk... der
üblichen politischen Rhetorik und leeren Versprechungen überdrüssig
geworden ist... Es scheint uns, daß sich die gegenwärtigen politischen
Machthaber... so sehr an ihr politisches Machtmonopol gewöhnt haben, daß
sie jeden Sinn für die Unabdingbarkeit politischer Partizipation der
Bevölkerung verloren haben. Andererseits ist es vollkommen klar, daß das
gegenwärtige Regime allein weder die Macht noch die Fähigkeit besitzt, uns
aus der gegenwärtigen Gefahr herauszuführen...
Die in Aussicht gestellten Verfassungsänderungen und demokratischen
Reformen erhalten erst dann eine gewisse Glaubwürdigkeit, wenn als erstes
alle repressiven Gesetze sowie alle „Apparate“ (...die Geheimdienste, die
Militärpolizei...) abgeschafft werden, (...) um dem somalischen Volk seine
geheiligten Freiheiten wiederzugeben, wie Redefreiheit, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit und Reisefreiheit...
Nach unserer Meinung ist es unumgänglich, möglichst bald auf neutralem
Boden eine „Nationale Versöhnungs- und Rettungskonferenz“ nach unserem
traditionellen „Shir„-System einzuberufen, möglichst in Djibouti,
Saudi-Arabien, Ägypten oder Italien (...)
Hauptziele der Konferenz wären:
1. den blutigen Bruderkrieg der Somali zu beenden und dem Land Recht,
Ordnung und Stabilität wiederzugeben,
2. Einvernehmen über die Grundprinzipien einer neuen somalischen Verfassung
herzustellen,
3. politisches Einvernehmen über den Zeitplan und den Wahlmodus für freie
Wahlen eines neuen Parlaments, eines neuen Präsidenten, neuer Regional- und
Distrikträte und über notwendige Reformen der öffentlichen Verwaltung, der
Wirtschaft, der öffentlichen Dienste und der Streitkräfte herzustellen,
4. eine geschäftsführende Regierung mit der Verantwortung für die Umsetzung
der Konferenzbeschlüsse zu bilden...“
Es folgen 114 Unterschriften.
6 Aug 1990
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