# taz.de -- Neuveröffentlichungen: Die Achse der Übriggebliebenen | |
> Die Musikveteranen von Green Day, Manic Street Preachers und den | |
> Lemonheads veröffentlichen neue Alben. Mit durchwachsenen Ergebnissen. | |
Bild: Gesichter, auf denen das Punkrocker-Leben bereits erste Spuren hinterlass… | |
Manchmal wird man von der Vergangenheit überrollt: So gut haben Green Day | |
ihr regierungs- und kriegs- und kapitalismuskritisches Konzeptalbum | |
"American Idiot" verkauft, dass alle Kritik in liebevoller Umarmung | |
verpuffte. Was tun, wenn sich die Relevanz im Erfolg verflüchtigt? Die | |
Antwort der kalifornischen Punkband ist ziemlich simpel: Wiederholung. Fünf | |
Jahre voller Zweifel hat Sänger und Songschreiber Billie Joe Armstrong | |
benötigt, um für "21st Century Breakdown" 18 Songs mit Schlagworten wie | |
"revolution", "generation" und "religion" zu bestücken. Dann teilte er sie | |
in die drei Akte eines Dramas um die nicht zufällig demonstrativ | |
christliche Namen tragenden Protagonisten Christian und Gloria ein, das | |
live exakt in derselben Reihenfolge aufgeführt wird. Grundsätzlich aber | |
garantieren Green Day weiterhin Revival-Punk mit demotauglichen | |
Mitgröhlrefrains, unbeleckt von der Wahl Obamas, aber nicht mehr in der | |
hysterischen Geschwindigkeit, Green Days einstigem Standortvorteil. "Viva | |
la Gloria!" beginnt gar mit einem geschmackvollen Streicher-Intro, "East | |
Jesus Nowhere" ist eine verbeamtete Ballade, "Before The Lobotomy" | |
schunkelt schön gemütlich, und "21 Guns" könnte auch von Bruce Springsteen | |
stammen. Kurz: Das Trio erbringt endgültig den Beweis, dass Punk zum | |
Stadion-Rock unserer Tage geworden ist. | |
Green Day, "21st Century Breakdown" (Reprise/Warner) | |
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Manchmal holt einen die Vergangenheit ein: Seit ihr Gitarrist, | |
Hauptsongschreiber und Banddesigner Richey James Edwards 1995 spurlos | |
verschwunden ist, haben die Manic Street Preachers diesen kreativen Schwund | |
ignoriert. Nun, mit dem gebührenden Abstand, verarbeiten sie Edwards | |
suizidalen Abgang plötzlich denkbar offensiv: "Journal for Plague Lovers" | |
ist das erste Album der walisischen Band, dessen Texte ausschließlich vom | |
abwesenden Bandmitglied verfasst wurden. Sie stammen aus Edwards den | |
anderen Bandmitgliedern hinterlassenen Notizbüchern. | |
Das Album greift die frühe Bandgeschichte nicht nur textlich auf, sondern | |
auch musikalisch: Soul- und Glamrock-Einflüsse sind weitgehend getilgt, | |
stattdessen dominieren vergleichsweise rohe Gitarren und ein atemlos | |
vorwärtstreibendes Schlagzeug. | |
Der Sound, für den der in Chicago beheimatete Produzent Steve Albini | |
verantwortlich zeichnet, ist nicht überlebensgroß. Im Vergleich zum | |
mittlerweile gewohnten computergestützten Klangoverkill sogar altbacken. | |
Genau die richtige Entscheidung also, für die Verneigung vor dem | |
(vermutlich) toten Freund und Kollegen, die trotz Pathos, nie in den Kitsch | |
kippt. "Silence is not sacrifice" ist eine der Zeilen, die Edwards | |
hinterlassen hat. Die Manic Street Preachers erwecken sie wieder zum Leben. | |
Das allein ist erstaunlich genug. | |
Manic Street Preachers, "Journal for Plague Lovers" (Sony Music) | |
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Manchmal wird man die Vergangenheit einfach nicht los: Seit Evan Dando mit | |
den Lemonheads zum Aushängeschild des Frühe-90er-Alternativrock wurde, war | |
er so lange Klatschspaltenfutter, bis er endlich auch ein Model heiraten | |
durfte. Inzwischen erweckt er den Eindruck, er hätte das Beste seit zwei | |
Jahrzehnten hinter sich. | |
"Varshons" soll den künstlerischen Bezugsrahmen der vor vier Jahren | |
reformierten Lemonheads abstecken, ist aber kaum mehr als das | |
Eingeständnis, dass die Band ein Auslaufmodell ist. Das Problem ist nicht, | |
dass "Varshons" eine Sammlung von Coverversionen ist, und auch nicht, dass | |
die Auswahl weitgehend erwartbar ist, sondern wie uninspiriert Dando seinen | |
Helden huldigt. Ob Gram Parsons, Townes Van Zandt oder G. G. Allin: Der | |
mittlerweile 42-jährige Dando fügt den Vorlagen keine neuen, originären | |
Gedanken hinzu, sondern spult das Referenzgeschäft erschütternd lustlos ab. | |
Der Versuch, dann doch mal zu überraschen, misslingt: "Dirty Robot", im | |
Original vom niederländischen Electropop-Duo Arling &Cameron, hält nicht | |
nur ein paar grobschlächtig programmierte Elektrobeats bereit, sondern auch | |
die Erkenntnis, dass Gaststar Kate Moss nicht singen kann. Wenigstens sind | |
von den vielen Partys gute Beziehungen übriggeblieben. Ansonsten bestätigt | |
Dando alle über ihn existierenden Vorurteile und führt sein Image als | |
schlampiges Genie und Allzufrühvollendeter spazieren. | |
The Lemonheads, "Varshons" (Cooking Vinyl/Indigo) | |
18 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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