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# taz.de -- Neues Album von Sezen Aksu: Hrant Dink und kurze Röcke
> "Deniz Yildizi", das neue Album der Sängerin Sezen Aksu, wird in der
> Türkei gefeiert. Dort zieht sie Bilanz. Und trauert über den Tod ihres
> Lebensgefährten und den Mord an Hrant Dink.
Bild: Gilt als "Stimme Istanbuls": Sezen Aksu.
Er war die Liebe ihres Lebens. Der türkisch-armenische Komponist Onno Tunc
gehörte zu den wichtigsten Musikproduzenten der Türkei, über Jahre hinweg
prägte er die Popszene seines Landes. Als er im Januar 1996, mit 48 Jahren,
mit seiner Privatmaschine auf dem Rückflug nach Istanbul an einem Berg
zerschellte, trauerte die halbe Nation um ihn. Am meisten aber trauerten
seine Lebensgefährtin, die Sängerin Sezen Aksu, und Onnos jüngerer Bruder
Arto Tuncboyaciyan.
Gemeinsam haben die beiden jetzt, zwölf Jahre später, das Album "Deniz
Yildizi" ("Seestern") aufgenommen. Der Titelsong gibt das fatalistische
Leitmotiv vor: Was am Ende bleibt, sind die guten Taten, die man vollbracht
hat - wie die Seesterne, die man ins Meer wirft, damit sie nicht am Strand
in der Sonne vertrocknen und sterben. Zunächst ist der Song eine Ode der
Sängerin an ihre neu geborene Nichte. Doch weil sich darin Erinnerungen an
die Geburt ihres eigenen Sohnes und Betrachtungen über das Leben an sich
mischen, klingt es wie eine Art Lebensbilanz. Die Musik dazu beginnt
getragen und orchestral wie der Soundtrack zu einem nostalgischen Film, um
sich dann mit einem armenischen Chor zu einem dramatischen Crescendo
aufzuschwingen.
Der Grundton der Kompositionen, die meist die Handschrift von Arto
Tuncboyaciyan tragen, ist melancholisch bis traurig. Zwei Stücke, "Yol
Arkadasim" ("Mein Weggefährte") und "Hala Haber bekliyorum senden" ("Ich
warte immer noch auf eine Nachricht von dir"), beziehen sich direkt auf
Onno Tunc, ein Instrumentalstück stammt von ihm. Doch trägt das Album auch
subtile politische Botschaften mit sich. Allein schon, dass mit der
Armenian Navy Band von Arto Tuncboyaciyan fast ausschließlich armenische
Musiker beteiligt waren, spricht für sich. Ein Stück ("Taube") ist zudem
Hrant Dink gewidmet, dem armenischen Journalisten, der im Januar 2008 auf
offener Straße in Istanbul von einem nationalistischen Fanatiker ermordet
wurde: "Taube" hieß auch das letzte Gedicht, das er vor seinem Tod verfasst
hatte. Ein weiteres Stück, "Memet", ist als eine Art Wiegenlied an einen
jungen Rekruten gerichtet und handelt von der Sinnlosigkeit des Kriegs:
Schwer, dabei nicht an den anhaltenden Konflikt mit der PKK-Guerilla zu
denken. Unter anderem deswegen haben Intellektuellenblätter wie die
türkische Zeitung Radikal "Deniz Yildizi" bereits zu Sezen Aksus bestem
Werk erklärt.
Das Album enthält aber auch ein paar fröhliche Momente. "Roman" zitiert den
Sound der Gipsy-Kapellen aus Thrakien - jener türkischen Region, die an
Bulgarien und Rumänien und damit an den Balkan grenzt. "Kutlama" wiederum
kommt wie ein italienisches Chanson daher und feiert die Landschaft und die
Gefühle, die der Frühling mit sich bringt: eine Erinnerung daran, dass der
Gott Dionysos ursprünglich aus Anatolien stammt. "Izmirin Kizlari"
schließlich ist eine Hymne auf die "Mädchen von Izmir", die in der Türkei
gemeinhin als besonders kokett gelten. Aksu muss es wissen, denn sie stammt
selbst von dort. "Keine anderen Absätze können so einladend klappern wie
diese", schwärmt sie. Und: "Papa, wie hast du dich immer über meine kurzen
Röcke aufgeregt! Hinter der Treppe habe ich sie mir um die Hüften
gebunden", heißt es dazu.
Ihr großes poetisches Vokabular und ihre unnachahmliche Mischung aus
Sprachspielen, Straßenslang und Sprichwörtern heben Sezen Aksu über die
meisten anderen Songwriter in der Türkei hinaus. Auch zeigt "Deniz Yildizi"
einmal mehr, dass sie als Künstlerin nicht gleichgültig ist gegenüber dem,
was in ihrem Land passiert. Auf ihrem neuen Album schlägt sie aber auch
einen neuen, ernsthaften Ton an, indem sie sich erstmals so direkt zu einem
so persönlichen Thema wie dem Verlust eines geliebten Freunds äußert. Sezen
Aksu hat "Deniz Yildizi" als ihr bislang persönlichstes Werk bezeichnet.
Auch Arto Tuncboyaciyan hat seinem verstorbenen Bruder schon einmal ein
ganzes Album gewidmet, auf früheren Alben stand er Sezen Aksu bereits
häufiger als Percussionist zur Seite. Mit ihm öffnet die führende
Popsängerin der Türkei nun also ein neues, spätes Kapitel in ihrer
Karriere.
Auf dem Cover präsentiert sie sich vor anatolischem Panorama, von
gestickten Blumenmustern im orientalischen Sofakissen-Stil umkränzt. Mit
blondiertem Kurzhaarschnitt hat sich Aksu ein neues Image zugelegt,
irgendwo zwischen russischer Prinzessin und Rockabilly-Braut anzusiedeln.
Mit "Deniz Yildizi" hat sie sich tatsächlich noch einmal neu erfunden.
26 Aug 2008
## AUTOREN
Daniel Bax
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