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# taz.de -- Neue Killerkomödien mit Moral: Depressive Killer
> Zwei neue Komödien handeln von Auftragsmördern ohne Arbeit. "You Kill Me"
> von John Dahl und "Brügge sehen und sterben?" von Martin McDonagh setzen
> auf Schwermut und Moral.
Bild: Ben Kingsley und Tea Leoni in "You Kill Me".
Darf der Auftragskiller nicht mehr killen, weil sein Chef es ihm verboten
hat, fühlt er sich nicht mehr als richtiger Mann. Er bekommt dann Angst,
schwul zu werden, fängt an, Fingernägel zu kauen und jede Menge Alkohol in
sich reinzukippen. Kurz: Ohne Aufgabe, ohne Waffe wird der Killer suizidal.
So passiert es in "Brügge sehen und sterben?" und auch in "You Kill Me",
zwei neuen Killerkomödien, die in diesen Wochen in die Kinos kommen. Aus
den Identitätskrisen der bis vor Kurzem noch eiskalt mordenden Hauptfiguren
soll sich hier der Witz ergeben.
In "You Kill Me" (Regie: John Dahl) beginnt es so: Frank (Ben Kingsley)
wird von seinem Boss aus Buffalo nach San Francisco in Zwangsurlaub
geschickt. Frank ist nämlich nicht nur Killer, sondern auch Säufer und hat
gerade im Rausch den einen Mord, der das Mafiabusiness seines Bosses hätte
retten können, verpennt. In San Francisco, wo ihn niemand kennt, muss Frank
zu den Anonymen Alkoholikern, und prompt wird er dort von seinem
Entzugshelfer angegraben. Ohne Pistole freundlich zu bleiben: eine neue
Herausforderung für Frank.
Ihn verbindet somit eine ganze Menge mit Ray (Colin Farrell), dem Killer
aus "Brügge sehen und sterben?" (Regie: Martin McDonagh). Auch Ray befindet
sich im unfreiwilligen Exil, er ist von seinem Boss aus London verbannt
worden. Warum nach Brügge, könnte man fragen, doch darum geht es erst mal
nicht. Wieder ist Strafe das Motiv: Ray hat bei einem Einsatz aus Versehen
einen kleinen Jungen erschossen - dafür soll er nun büßen. Ein wenig Moral
gibt es in der Killerwelt also noch. Zur Seite steht ihm Kollege Ken
(Brendan Gleeson), ebenfalls Killer. Zunächst probieren Ray und Ken es in
Brügge mit Gemütlichkeit, sie gehen Eis essen, Ray lässt sich sogar mit ins
Museum schleppen (wo allerdings gleich Boschs "Das Jüngste Gericht" hängt).
Zwischendurch reißt Ray Witze darüber, dass er und Ken sich im Hotel ein
Doppelzimmer teilen müssen. Doch Ray kriegt Depressionen.
Der Killer als bemitleidenswerter Grübler, an dem die Vergangenheit und ein
schlechtes Gewissen nagen: Von der coolen Ironie, die Quentin Tarantino mit
"Pulp Fiction" seinerzeit im Killerfilm einführte, mit der sich die Mörder
schulterzuckend Blutspritzer von ihren Sonnenbrillen wischen und das
Publikum die grausigste Meuchelei weglacht, ist hier nichts übrig.
Abgesehen davon, dass in beiden Filmen schlicht zu wenig gemordet wird, um
sich danach mit affektiver Gleichgültigkeit davon zu distanzieren, sind die
Figuren kein bisschen überzeichnet, weder Maschinen noch coole Säue. Man
sieht hier nur ganz normale Männer, was auch heißt: Sie nehmen sich und
ihre Sorgen zu ernst.
Für die Filme bedeutet das nicht Gutes. Zwingt man schwermütige Killer in
malerischen Kulissen zum Däumchendrehen, bleibt eben wenig Unterhaltsames
übrig. So braucht es in beiden Filmen auch rasch Frauenfiguren, die die
Protagonisten und das Publikum von Handlungsarmut ablenken. In "You Kill
Me" ist es die gutmütige Laurel (Téa Leoni), in die sich Frank verliebt, in
"Brügge sehen und sterben?" lässt sich Ray von der hübschen Koksdealerin
Chloé (Clémence Poésy) um den Finger wickeln. Beide Frauen könnten
unterschiedlicher kaum sein, doch eint Laurel und Chloé, dass sie sich von
der Selbstauskunft ihrer neuen Lover, normalerweise Auftragskiller zu sein,
nicht schrecken lassen. Im Gegenteil: Der Beruf scheint auf sie einen
besonderen erotischen Reiz auszuüben. Tatsächlich ist dies die bizarre
Logik beider Filme: Die Frauen sollen heterorestaurativ wirken - die Männer
also in ihrem Mannsein bestätigen -, gleichzeitig sollen sie tollkühn und
tough rüberkommen, also irgendwie keine "richtigen" Frauen sein.
Beide Filme sind somit höchst halbgare Konstrukte, doch "You Kill Me" ist
in seinem Scheitern konsequenter. Dass Frank ein Killer ist, bleibt bis zum
Schluss Behauptung, man sieht ihn kein einziges Mal beim Bedienen einer
Waffe, und an Ben Kingsleys superlakonischem, supernaivem Spiel lässt sich
keine Kaltblütigkeit ablesen. Möglicherweise sollte es eine besonders
gelungene Pointe sein, dass Frank in San Francisco dem Alkohol abschwören
soll, während in den Dialogen der Humor trockenläuft. Unterm Strich muss
man aber sagen: Der Film verpufft einfach.
In "Brügge sehen und sterben?" wird wenigstens einiges an Ehrgeiz daran
gesetzt, das nicht passieren zu lassen. Ein zünftiger Showdown muss her,
Ken wird den hochdepressiven Ray in einem von unkillerhafter
Sentimentalität sabotierten Moment vor dem Selbstmord bewahren, obwohl er
ihn gerade noch, wie vom Chef per Telefon angeordnet, abknallen wollte. Das
bringt ebenjenen Chef (Ralph Fiennes) erbost nach Brügge, und schon sorgen
ein paar logisch nicht unbedingt stringente, doch immerhin schwungvoll
gefilmte Minuten Actionkino dafür, dass pünktlich zum Abspann alle drei
Männer fachgerecht zermatscht auf Brügges Marktplatz liegen. Mehr braucht
es nicht, um Killerfilmfans zufriedenzustellen, doch fragt man sich beim
Verfolgen des ganzen Gerennes auch ständig: Womit hat Brügge das verdient?
14 May 2008
## AUTOREN
Jan Kedves
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