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# taz.de -- Neue Busse für die Hauptstadt: Lagos sehen und nicht sterben
> Nigerias Metropole, die chaotischste Stadt Afrikas, saniert ihren
> Nahverkehr. Es gibt jetzt Busse, in denen man ans Ziel kommt, ohne
> belästigt, bestohlen oder verletzt zu werden.
Bild: Eine kurze Fahrt mit den gelben Bussen in Lagos kann auch mal mehrere Stu…
LAGOS taz Bislang war Lagos gelb. Jetzt ist Nigerias Metropole blau und
rot. Die typische Straßenszene der mit knapp 20 Millionen Einwohnern
größten Stadt Afrikas war ein Gewusel aus gelben Minibussen und zu
Massentransportern umgebauten Lastwagen. Der Spitzname für die gelben
Kleinbusse sagt alles: Danfo - "Komm raus und prügel dich!"
Es geht ruppig in diesen gelben Bussen zu. Rauchschwaden von Marihuana
umgeben die Busparkplätze. Pendler, die kein eigenes Auto haben, und das
sind die meisten, haben keine andere Wahl, als sich von oft zugedröhnten
Fahrern kutschieren zu lassen. Willkürliche Fahrpreiserhöhungen führen
regelmäßig zu heftigen Wortgefechten zwischen dem an der Tür hängenden
Schaffner und den Fahrgästen. Der technische Zustand der gelben Busse ist
so erbärmlich wie der Innenraum: Aufgerissene Kleider und selbst kleine
Verletzungen sind unvermeidlich. Wehe, ein solcher Bus hat tatsächlich
einen Unfall.
Das Störendste aber - weshalb kaum ein Nichtlagosianer jemals auf die Idee
kommen würde, dieses Wagnis einzugehen - ist, dass man Lagos in- und
auswendig kennen muss, um mit den gelben Bussen an sein Ziel zu kommen.
Denn Fahrtziel oder Route kann man nur durch das Schreien der Schaffner
erahnen. Und selbst wenn man all diese Hürden genommen hat, wird eine
kleine Fahrt durch Lagos mit seinen sagenhaften Staus nicht selten zum
Tagesausflug. Nigerias Politiker wissen das: Sie zwängen sich nur noch mit
Polizeisirenen im Konvoi durch das Verkehrsmonster.
Der Grund für das Chaos ist die Vernachlässigung von Lagos durch mehrere
nigerianische Regierungen. Bis Mitte der 80er-Jahre war Lagos die
Hauptstadt Nigerias. Dann aber zog die damalige Militärregierung aus der
lärmenden Metropole um - in eine neue Retortenhauptstadt Abuja, in der
geografischen Mitte des Landes und anfangs noch ohne störende Bevölkerung.
Inzwischen zählt Abuja drei Millionen Einwohner. Es wurde mit Staatsgeldern
überschüttet, während Lagos stiefmütterlich behandelt wird. Man überließ
Lagos sich selbst, investierte kaum noch in Infrastruktur: keine U-Bahn,
keine Straßenbahn, keine Züge, keine Fähren, die für die an Lagunen
liegende Stadt, deren zentrales Geschäftsviertel auf einer Insel liegt,
nahelägen. Nur drei immer verstopfte Stadtautobahnbrücken. Dennoch riss der
Strom der Zuziehenden nicht ab. Denn Lagos blieb das wirtschaftliche
Zentrum Nigerias.
Jetzt hat die Regierung endlich einen großen Wurf gewagt. Sie hat in Lagos
ein Schnellbussystem eingeführt, den "Bus-Rapid-Transit", kurz BRT. Für den
Anfang wurden 22 Kilometer Busspuren von den knapp bemessenen Straßen
abgetrennt. Das ließ Autofahrer und private Busunternehmer endgültig
verzweifeln, denn ihre ohnehin verstopften Fahrbahnen wurden noch schmaler.
Aber der Erfolg gibt den mutigen Stadtplanern recht. In seinen ersten 100
Tagen beförderte das BRT-System fast 10 Millionen Lagosianer. 200 Busse
wurden von der Firma Marcopolo aus Brasilien eingekauft. Die Weltbank nimmt
das Lagoser System bereits als Vorbild. Aus Ghana kam schon ein
Erkundungsteam.
Unkenrufer, die Lagos für unregierbar halten, freuen sich nun über eine
neue Seite dieser chaotischen Stadt. Lagos bewegt sich wieder. Die neuen
Busse lassen auf den Busspuren den Stau hinter sich. Lagosianer stellen
sich an den strahlend neu gebauten Haltestationen zum Einsteigen sogar in
Reih und Glied auf. Wenn nicht gerade Rushhour ist, bekommt jeder einen
Sitzplatz. Früher kam es beim Erkämpfen von Sitzplätzen in den gelben
Bussen oft zu Tumulten, ein Paradies für Taschendiebe. Auch innerhalb der
neuen Busse geht es zivilisierter zu: Fliegende Händler, Bettler und auch
Prediger dürfen nicht mehr ihren Geschäften nachgehen. Ein Heer von
Nachwuchspriestern hatte seit Jahren die Busse als Missionsgebiet
auserkoren.
So sehen die leidgeprüften Bewohner von Lagos nach Jahrzehnten nun erstmals
endlich Politik, die ihr alltägliches Leben verbessert. Sie freuen sich
schon auf die nächste Ankündung des Gouverneurs: eine Eisenbahn.
8 Jan 2009
## AUTOREN
Hakeem Jimo
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