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# taz.de -- Naturschutz vs. Tourismus: Woher der Wind weht
> In Husum wünschen sich die BürgerInnen mehr Mitbestimmung. taz.meinland
> lud zur Diskussion in den Speicher Husum ein.
Bild: Es gibt in Husum auch Menschen. Und die wollen mitbestimmen.
von [1][ANN-KATHRIN LIEDTKE]
Es ist vielleicht ein bisschen zugig heute – aber der Wind weht immer in
Husum. An der nördlichsten Spitze des Deichs läuft der Rasen beinahe
nahtlos ins Meer über – ganz ohne Sandstrand – ein Hotel mit Campingplatz,
weites Land, ganz allein auf weiter Flur, hier, am Deichabschnitt Dockkoog,
ein Erholungsgebiet für Anwohner und Feriengäste.
Dass dieser Zipfel Land in Husum für Diskussionen, ja, teils für Streit
sorgte, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Und doch war er für
taz.meinland einer der entscheidenden Auslöser, um nach Husum gefahren.
Spaltet der Deich Husum?
Rund 90 Menschen sind gekommen, um im [2][Speicher Husum] mit der taz zu
diskutieren: Was hat es auf sich mit dem Dockkoog? Spaltet er die Gemeinde
tatsächlich? Was bewegt die Menschen hier im Norden? Und was sind ihre
Wünsche? Barbara Oertel, Auslandsredakteurin bei der taz, und Malaika
Rivuzumwami, Redakteurin im Projekt taz.meinland, führten Montagabend durch
die Veranstaltung und hakten kritisch nach.
Geladen waren Irene Fröhlich, die die taz in einem Leserinnenbrief nach
Husum einlud, Jannes Fröhlich, vom WWF (Wattenmeerbüro), Patrick Breyer
(Piratenpartei), Dr. Barbara Ganter (Bündnis 90/Die Grünen) und Uwe
Schmitz, parteiloser Bürgermeister von Husum.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung sind sich alle zunächst recht einig: der
Deich spalte Husum nicht. Es gebe Debatten, ja, aber die Differenzen seien
nicht unüberwindbar und auch der Planungsprozess habe damals zunächst gut
begonnen. Später habe die Politik aber die Bürgerinnen und Bürger Husums
aus den Augen verloren, nicht mehr mit eingebunden. „Es wäre wichtig
gewesen diese Diskussion um den Deich zu Ende zu führen“, sagt Schmitz.
„Wir hätten noch mehr Zeit gebraucht.“
Lösung nicht in Sicht
Doch die Zeit drängt. Der immer weiter steigende Meeresspiegel erfordert
dringend eine Verstärkung und Erhöhung des Deichs. An dem Umbau hängt viel:
Umweltschutz, Erhalt der Kultur und des Wattenmeers in Husum, die
Tourismusbranche. Eine Projektgruppe erarbeitete und bewertete vier
mögliche Lösungsansätze, drei davon stehen bis heute zur Debatte. Eine
Lösung ist jedoch noch nicht in Sicht. Denn die Husumer sowie der WWF
stimmten mit dem Lösungsvorschlag der SPD und CDU nicht überein. Sie
sprechen von verpassten Chancen, von verfrühter Aufgabe von Ideen.
„Man guckte sich zwar an, was die Bürger zu den Vorschlägen sagen, aber
letztendlich hat sich die Politik doch anders entschieden“, sagt Patrick
Breyer. „Es geht um tatsächliche Mitbestimmung, nicht allein ein
Mitwissen.“ Breyer spricht damit aus, was das eigentliche Problem in Husum
zu sein scheint: fehlende Möglichkeit der Partizipation an
Entscheidungsprozessen. Sie wollen mitreden, wenn es um ihre Heimat geht.
Peter Knöfler meint unterstützend: „Husum hat dieses eine spezielle
Problem: die Arroganz der Macht.“
„Durch diese vorgetäuschte Wahlbeteiligung entsteht Politikverdrossenheit“,
sagt eine Frau aus dem Publikum entschieden. Abzustimmen und dann
festzustellen, dass die Entscheidung eigentlich schon vorher gefallen ist,
führe zu Frust und zerstörtem Vertrauen.
Angst vor der Flut
Während der Diskussion stellt sich heraus, dass die Husumer nicht nur über
den Dockkoog sprechen wollen. „Die Sturmflut 1962 habe ich miterlebt“,
erzählt Manfred Niederbremer im Publikum während der Veranstaltung. „Ich,
als gebürtiger Ostwestfale, habe damals einen riesigen Schreck bekommen.
Mit so etwas hat man ja auf dem platten Land weniger zu tun. Für einen
Moment dachte ich: ich ziehe gleich wieder weg.“
Niederbremer lacht. Wegziehen wollte er dann doch nicht. Zu sehr habe sich
der 78-Jährige in der Gegend wohlgefühlt. „Aber vom Deichbau verstehe ich
trotzdem nichts. Es lässt sich hier gut leben. Das ist doch das, was
zählt.“
Die Husumer sind stolz auf ihre kleine Stadt mit den niedrigen bunten
Häusern, den kleinen Cafés – und eben der weiten Landschaft, dem Watt. Für
die meisten gibt es bereits einen passenden Lösungsvorschlag. Er nennt sich
„Husumer Hallig“. „Für mich wäre das eine Möglichkeit, mit dem Wasser …
Husum zu leben“, sagt Jannes Fröhlich. Und vor allem könne der Erhalt der
Natur gewährleistet werden.
„Ein Hotelneubau würde uns langfristig nichts nützen“, meint Irene
Fröhlich. „Wir brauchen einen nachhaltigen Tourismus.“ Die Husumer hängen
an ihrer Landschaft und dem gar nicht so grauen Städtchen am Meer - auch
wenn Theodor Storm einmal das Gegenteilige behaupten haben soll.
7 Mar 2017
## LINKS
[1] http://https//www.taz.de/Ann-Kathrin-Liedtke/!a36883/
[2] http://www.speicher-husum.de/
## AUTOREN
Ann-Kathrin Liedtke
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