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# taz.de -- NEU IM CINEMA: Paris Is Burning Die Kraft des Verlöschens
hierhin bitte
das Foto mit
der fröhlichen
Gesellschaft
„Schwul sein, daß es keiner merkt, das ist echt!“ - Paris is burning, z.B.
aufm schwarzen Tuntenball. Foto: Verleih
Ort: Harlem in New York. Zeit: Ende der Achtziger. Darsteller: schwule
Schwarze. Filmgenre: Dokumentation. Regisseur: Frau (Jennie Livingston),
weiß. Aha, denkst du: einer von den sozialkritischen Filmen, in denen
Rassendiskriminierung, Armut, Aids und schwarze Schwulenproblematik —
betrachtet unter dem Blickwinkel des Schuldgefühls
der Weißen — gebündelt werden zur Anklageschrift gegen Unterdrückung.
Dagegen wäre zwar nichts zu sagen — das muß ja sein, damit sich die
Wohlmeinenden, Vorurteilslosen hin und wieder ums Lagerfeuer der Empörung
scharen können. Aber bei diesem Film packst du die Klampfe zum Absingen der
Sozialballade schleunigst weg, denn „Paris is burning“ zeigt eine Welt —
die Welt der schwarzen „Tuntenbälle“ —, die viele liebgewordene Gewißhe…
in der Luft zerfetzt. Und wenn dir nach dem Film draußen der erste Mensch
begegnet, fragst du dich: ob das wohl ein Mann ist oder eine Frau?
Die Schwarzen in diesem Film sind arm, sind schwul, sind unterdrückt — und
wollen es nicht sein. Aber ihr Widerstand ist nicht die Rebellion: ihr
Widerstand ist — in spielerischer Form — die höchstmögliche Anpassung an
Schönheitsnormen, die in der Werbung und in Fernsehserien verbreitet
werden. Sie wollen sein und aussehen wie die Ikonen der Gesellschaft, die
auf sie spuckt. Sie wollen perfekt die Rollen spielen, wie sie nur noch auf
Hochglanzpapier von Illustrierten und auf dem Bildschirm existieren.
Der härteste Schlag, der Schwule mit diesem Film wohl trifft, ist der: Die
Schwarzen wollen ihr Schwulsein um jeden Preis verbergen. Nix outing oder
offensives Schwulsein — nein: „Wenn du vor geübtem Auge bestehen kannst,
ohne dein Schwulsein zu verraten, das ist Echtheit“, sagt einer, und er
spricht für all die Schwulen, die sich auf den monatlichen „Tuntenbällen“
treffen, um gegeneinander um Preise zu konkurrieren, vor der Jury zu
paradieren — als atemberaubend schöne Frau mit echten Brüsten, als
Schulmädchen oder als „echter Macho“. Und aufregend, faszinierend an diesem
Film ist, wie er zeigt, daß in dem ernstgemeinten Spiel mit Anpassung, mit
Selbstauslöschung eigentlich, ein Höchstmaß an Würde und Selbstbewußtsein,
an Vitalität und Verzweiflung, an Eleganz und Humor verbunden ist. Sybille
Simon-Zülch
27 Jan 1992
## AUTOREN
sybille simon-zülch
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