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# taz.de -- Mordprozess gegen "Barbaren" in Paris: Mord aus Geldgier und Antise…
> Die "Gang der Barbaren" aus einer Vorstadt von Paris entführte und tötete
> einen jungen Handyverkäufer, weil er Jude war. Jetzt droht den 27
> geständigen Angeklagten lange Haft.
Bild: Ruth Halimi zeigt während eines Interviews ein Foto von ihrem ermordeten…
PARIS taz | "Ich bin untröstlich über das, was ich getan habe", sagt die
junge Frau, "und untröstlich darüber, was ich nicht getan habe." Sie hat
den Handyverkäufer Ilan Halimi verführt und in die Falle gelockt in einem
sozialen Wohnungsbau in Bagneux, südlich von Paris. Ein anderer Angeklagter
versichert: "Ich werde meine Passivität lebenslänglich bereuen." Er hat den
Gefangenen Ilan Halimi am Anfang der dreiwöchigen Gefangennahme bewacht.
Mit "Pardon" wendet sich ein anderer junger Mann an die Angehörigen des
Opfers: "Ich habe Böses getan." Er hat Ilan Halimi mit dem Cutter
gefoltert. Dann ergreift Youssouf Fofana das Wort. Der 27-Jährige war Chef
- und zugleich einer der älteren Mitglieder - der Vorstadtbande. Am letzten
Tag des zehnwöchigen Prozesses ruft er in den Gerichtssaal: "Lieber einen
Tag lang Löwe sein als 100 Tage Schaf." Der Satz des früheren israelischen
Premiers Ben Gurion ist im Mund von Fofana eine antisemitische Erklärung:
Er hat Ilan Halimi als Opfer ausgewählt, weil er Jude war. Und er hat ihn
sterbend neben einer S-Bahn-Strecke abgelegt.
Am Ende des Prozesses, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand,
weil zwei Angeklagte zur Tatzeit minderjährig waren, sind alle 27
Angeklagten geständig. Fast alle riskieren Gefängnisstrafen. Seit Mittwoch
beraten die Geschworenen in einem Pariser Hotel. Sie müssen 150 Fragen zu
jedem einzelnen Angeklagten beantworten. Ihr Verdikt wird Freitag oder
Samstag erwartet. Anführer Fofana, der wegen Entführung und Mord angeklagt
ist, mit Antisemitismus als Tatmotiv, riskiert die Höchststrafe:
lebenslänglich, mit Sicherheitsverwahrung von mindestens 22 Jahren. Den
übrigen 26 angeklagten Frauen und Männern drohen Strafen, die von Gefängnis
auf Bewährung bis zu 20 Jahren Gefängnis reichen.
"Barbaren" haben sich die jungen Leute dereinst genannt: "Gang der
Barbaren". Bevor sie im Januar 2006 den Handyverkäufer Ilan Halimi
entführt, gefoltert und ermordet haben, hatten sie sich bereits vergeblich
an anderen Opfern erprobt. Sie wollten Geld erpressen. Von den Angehörigen
von Halimi verlangten sie 400.000 Euro. Um ihrer Forderung Nachdruck zu
verleihen, schickten sie Videos mit dem gefesselten, geknebelten und
blutenden Opfer. Und Drohungen: "Als Nächstes schicken wir einen Finger von
Ilan." Trotz über 130 Anrufen und trotz Dutzender E-Mails an die
Angehörigen des Opfers fand die Pariser Polizei nichts.
Dabei spielte die Tat beinahe unter ihren Augen. Ilan Halimi war 24 Tage
lang in Bagneux, einer Banlieue im Süden von Paris, in einem
Sozialwohnblock gefangen. Zunächst in einer Wohnung, dann in einem
Kellerraum. Unterdessen konnte der Hauptangeklagte Fofana mehrfach in sein
Herkunftsland Elfenbeinküste und zurück nach Frankreich reisen.
Bei den "Barbaren" funktionierte die Bandenlogik perfekt. Einzelne
Mitwisser gingen auf Distanz. So lehnte es ein Mädchen ab, Ilan Halimi in
die Falle zu locken. mehrere "Gefangenenwärter" stiegen aus. Aber niemand
ging zur Polizei. Auch Komplizen hielten dicht. So der Hausmeister, der den
Entführern die Schlüssel für Wohnung und Kellerräume gab. Und so wollten
auch Angehörige von Tätern, glauben, dass alles "gut" enden werde.
Allein Fofana nutzte den Prozess als Bühne. Provozierte mit "Allahu
akbar"-Rufen, antisemitischen Ausfällen und mehrmaligem Fernbleiben vom
Prozess. Seine Mitangeklagten hingegen enthüllten neben ihrem
Kadavergehorsam eine tiefe soziale und kulturelle Misere in unmittelbarer
Nachbarschaft von Paris.
9 Jul 2009
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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