# taz.de -- Merz‘ Großvater SA- und NSDAP-Mitglied | |
> Dokumente, die die taz gestern vom Hauptstaatsarchiv Düsseldorf | |
> ausgehändigt bekam belegen: Der Bürgermeister von Brilon Josef Paul | |
> Sauvigny war Mitglied mehrere NS-Organisationen, darunter der SA. Merz | |
> veröffentlicht dreiseitige Erklärung | |
aus BERLIN PATRIK SCHWARZ | |
„Nach allem, was ich aus meiner Familie weiß, war mein Großvater eine | |
beeindruckende Persönlichkeit und ein erfolgreicher Bürgermeister.“ | |
„Mein Großvater ist kein Nationalsozialist gewesen.“ | |
Friedrich Merz am Dienstag, 20. Januar 2004 in der „Berliner Zeitung“ | |
Der Großvater von Unionsfraktionsvize Friedrich Merz war weit tiefer in den | |
Nationalismus verstrickt, als bisher angenommen. Dies geht aus einer | |
dreiseitigen schriftlichen Erklärung hervor, die Merz gestern in Berlin | |
veröffentlichte. Der CDU-Politiker räumte darin ein, sein Großvater sei | |
„Oberschaarführer“ der „Reserve-SA“ und Mitglied der NSDAP gewesen. Mit | |
seiner Erklärung kam Merz einer Veröffentlichung der taz zuvor. Abgeordnete | |
von Grünen und SPD hatten Merz vorgeworfen, er habe im Kommunalwahlkampf in | |
Brilon seinen Großvater zum „Vorbild“ erklärt. | |
Am Dienstag hatten Redakteure der taz im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf die | |
Akten des Entnazifizierungsausschusses Brilon ausfindig gemacht. Der | |
Bestand umfaßt zahlreiche Einzelfallakten, darunter die des Briloner | |
Bürgermeister Josef Paul Sauvigny, Merz‘ Großvater. Auf einen schriftlichen | |
Antrag hin händigte das Hauptstaatsarchiv gestern Vormittag um kurz nach 10 | |
Uhr einem taz-Redakteur in Düsseldorf eine Kopie der 30-seitigen Akte aus. | |
Darunter sind Rechtfertigungsschreiben Sauvignys aus zwei Verfahren vor den | |
Entnazifizierungsausschüssen in Brilon und in Arnsberg. In einem Schreiben | |
vom 10. Dezember 1947 bezeichnet Sauvigny sich als „Oberscharführer der SA | |
Res.“. Das Dokument ist handschriftlich unterzeichnet. Als gravierend | |
schätzen Historiker das Beitrittsdatum in die SA ein, das aus dem | |
handschriftlich von Sauvigny ausgefüllten und unterzeichneten Fragebogen | |
mit dem Titel „Military Government of Germany“ von 1946 hervorgeht. Dort | |
trug Sauvigny auf Seite 6 unter dem Punkt „Membership in Organisations“ | |
ein: 1.7.1933. Hinter der Kategorie SA fügte er handschriftlich die Worte | |
„-Reserve“ ein. Der Beitrittstermin lag weniger als sechs Monate nach der | |
Machtergreifung der Nationalsozialisten und mehrere Monate vor dem | |
sogenannten Röhmputsch vom 30. Juni 1934. Erst damals wurde die SA nach | |
Ansicht von Historikern weitgehend ausgeschaltet und auf dekorative Zwecke | |
reduziert. | |
Angesichts der Bedeutung der neu aufgetauchten Informationen bemühte sich | |
die taz zunächst um eine wissenschaftliche Prüfung, eine Veröffentlichung | |
am folgenden Tag war nicht geplant. Außerdem war beim Berlin Document | |
Center als Verwalter der NSDAP-Mitgliedskartei ein Antrag anhängig, um eine | |
Überprüfung der Dokumente aus dem Hauptstaatsarchiv sicherzustellen. | |
Merz rechtfertigt in seinem Statement von gestern Nachmittag das Verhalten | |
seines Großvaters in Bezug auf die Mitgliedschaft von SA der Reserve und | |
NSDAP in unterschiedlicher Weise. Zum Verbleib im Amt nach dem Ende der | |
Demokratie von Weimar am 30. Januar 1933 schreibt Merz: „Da mein Großvater | |
mit den Nationalsozialisten zunächst die Hoffnung verband, dass sich an den | |
katastrophalen Zuständen in Deutschland und auch in seiner Heimatstadt | |
etwas ändern würde, blieb er im Amt. Nur so ist die Rede zu verstehen, die | |
mein Großvater am 01. mai 1933 gehalten hat, unterstellt, die zitierten | |
Ausschnitte in der `taz‘ vom 21.01.2004 sind zutreffend, was ich nicht | |
beurteilen kann.“ Merz fügt hinzu: „Es ist für mich selbstverständlich, | |
dass ich aus heutiger Sicht solche Sätze niemals billigen würde.“ | |
Zum Aufstieg des SA-Manns Sauvigny schreibt Merz, er sei „ohne sein Zutun“ | |
zum Oberschaarführer „befördert“ worden. Auch an der NSDAP-Mitgliedschaft | |
sieht Merz seinen Großvater unbeteiligt. „Die Mitglieder der SA und der | |
‚SA-Reserve‘ wurden später ebenfalls ohne eigenes Zutun in die NSDAP | |
überführt, mein Großvater nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des | |
Bürgermeisters wohl im Jahr 1938. Erstmals ist damit belegt, dass die NSDAP | |
Sauvigny nach seiner Versetzung in den Ruhestand zu ihren Mitgliedern | |
zählte. Merz hatte in der Berliner Zeitung am Dienstag erklärt, sein | |
Großvater habe sich 1937 frühzeitig pensionieren lassen, weil „die Nazis | |
ihn angekotzt haben.“ | |
Sauvigny amtierte von 1917 bis 1937, als er im Alter von 61 Jahren in den | |
Ruhestand verabschiedet wurde. Merz schreibt, er sei von den | |
Nationalsozialisten „gezwungen“ worden, aus gesundheitlichen Gründen die | |
Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Obwohl etwa die Beförderung in | |
der SA oder die Überführung in die NSDAP nach Merz‘ Ansicht „ohne Zutun“ | |
Sauvignys erfolgte, bestreitet der Politiker nicht, dass der Bürgermeister | |
von beiden Mitgliedschaften wußte. „Nach allem, was ich aus meiner Familie | |
weiß, war mein Großvater eine beeindruckende Persönlichkeit und ein | |
erfolgreicher Bürgermeister“, hatte der CDU-Politiker am Dienstag der | |
Berliner Zeitung gesagt. | |
Mit dieser Beurteilung der Amtsführung und des Charakters von Josef Paul | |
Sauvigny ging Merz über seine Äußerungen am 6. Januar hinaus, als er in | |
Brilon eine Rede auf der Nominierungsversammlung für den | |
CDU-Bürgermeisterkandidaten hielt. Dort hatte er lediglich anerkennend die | |
Dauer der Amtszeit angeführt. Sein Großvater sei Bürgermeister in Brilon | |
zwanzig Jahre gewesen. Die Berichterstattung der taz kommentiert Merz im | |
letzten Satz: „Der journalistische Stil der taz ist widerlich.“ | |
22 Jan 2004 | |
## AUTOREN | |
PATRIK SCHWARZ | |
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