# taz.de -- „Meine Bilder sind extremely to got kaputt“ | |
> ■ Stipendiatin mit Mut zu Enthüllungen: Die schwedische Malerin Cecilia | |
> Edefalk arbeitet im „Pferdestall“und hat die Jubiläumsausstellung des | |
> ruhmreichen Bremerhavener Kunstkabinetts gestaltet | |
Ihr Arbeitsraum: Der Dachboden eines ehemaligen Pferdestalls im Zentrum | |
Bremerhavens. Anfang der 90er Jahre wurde er zu einem Kulturzentrum | |
umgebaut. Über dem Saal und unter den Dachschrägen, wo früher das Heu | |
gelagert haben soll, befindet sich das Atelier. Die LeiterInnen des | |
„Pferdestalls“laden KünstlerInnen ein, hier ein 12- bis 18monatiges | |
Arbeitsstipendium zu absolvieren. Auch Cecilia Edefalk erhielt eine solche | |
Einladung. Seit Anfang 1996 arbeitet sie in diesem Atelier und hat den | |
Aufenthalt ganz nebenbei dazu genutzt, die Jubiläumsausstellung des | |
ruhmreichen „Kabinetts für aktuelle Kunst“zu gestalten. | |
Die 1954 im schwedischen Norrköping geborene Cecilia Edefalk lebt in Berlin | |
und Stockholm, wenn sie nicht ein Stipendium wie in Bremerhaven erhält. Das | |
Frankfurter Museum für Moderne Kunst hat gerade eine ihrer spektakulärsten | |
Bild-Serien gekauft, in der ein Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr | |
gezeigt werden. Es ist ein ungewöhnliches Motiv im Vergleich zu ihren | |
bisherigen Arbeiten. Denn Cecilia Edefalk wurde für die Diskretion ihrer | |
Selbstportraits gerühmt. Sie lasse der Frau Geheimnisse, hieß es in einer | |
Rezension. Doch Edefalk kehrte dieses Kompliment kurzerhand um und rückte | |
mit größter Lust ins Bildzentrum, was sonst schamhaft verdeckt wird. | |
Im Atelier im Dach des „Pferdestall“hat sie eine lange Zwischenwand | |
eingezogen. „Für mich ist es gut, Wände zu haben, da ich nicht auf der | |
Staffelei arbeite und auch nicht auf dem Boden.“Was jetzt an den Wänden | |
hängt, nennt sie Circle-Painting. Es sind kreisrunde Leinwände. Der Kreis | |
ist für Cecilia Edefalk keine beliebige formale Spielerei. Der Kreis ist | |
ein philosophisches Emblem. Auf einem der Bilder sind Stan Laurel und | |
Oliver Hardy zu sehen. In Schwarz-weiß und – typisch für ihre Arbeitsweise | |
– nach einer Fotografie. Der Dünne versucht dem Dicken auf die Beine zu | |
helfen. Beide scheinen in Wolken zu versinken, auf der Vorlage ist es ein | |
Fluß, aber die Malerin will keine konkrete Umgebung, ihr Bild soll keinen | |
Fluchtpunkt, keine Zentralperspektive kennen. So rund wie die Leinwand, so | |
kreiselnd soll das Gemälde sein. | |
Ganz anders ihre Arbeiten im „Kabinett für aktuelle Kunst“. Zum 30jährigen | |
Jubiläum dieses einzigartigen Bremerhavener Kunstraums hat sie dem | |
Kabinett-Gründer und Ausstellungsmacher Jürgen Wesseler eine sehr ironische | |
und persönliche Hommage gewidmet. Ironisch, weil sie die strenge | |
Konzept-Art, die diesen Ort berühmt gemacht hat, unterwandert. Dies nicht | |
nur mit einer in Ölfarbe gemalten Hand – eine Anspielung auf Andreas | |
Slominsky, der vor Jahren eine Leichenhand in der Wand versteckt hatte –, | |
sondern vor allem mit einem kleinformatigen Bleistift-Portrait Jürgen | |
Wesselers (als jugendlicher Held), der so in seinen eigenen Kunstraum | |
gestellt wird. Diese und weitere Spiegelungen kombiniert sie mit Zitaten | |
und Hinweisen auf die „gloriose Geschichte des Kabinetts“, in dem Künstler | |
wie Blinky Palermo oder Joseph Kosuth ausgestellt haben. | |
In ihrer Malerei, so betont sie, gehe es immer um beides – um | |
konzeptionelle Grundlagen und um die Aura. „Kann man das sagen: Aura? Oder | |
ist das verboten?“, fragt sie besorgt und etwas kokett. „Ich habe ein | |
starkes Gefühl für Malerei“, sagt sie, „manche Leute denken, meine Positi… | |
sei klassisch, weil ich Selbstportraits gemalt habe.“Sie zeigt auf eine | |
noch nicht vollendete Arbeit, wieder eine kreisrunde Leinwand: Auf | |
„schüchternem Gelb“befindet sich ein kleiner Ball. Sie nimmt das Bild von | |
der Wand und beginnt, es ganz langsam zu rollen. Der Ball bewegt sich, | |
verändert seine Gestalt. | |
„Alles, was hier hängt, ist noch unfertig“, sagt sie. Fertige Bilder liegen | |
gestapelt bereit zum Abtransport für eine Gruppenausstellung Anfang | |
September in Kopenhagen. „Bevor sie fertig sind, sehen meine Bilder schlaff | |
aus – extremely to got kaputt.“Deshalb läßt sie ungern jemanden ins Ateli… | |
kommen. „Ich male, als ob ich nicht wüßte, wie man malt.“Aber ganz fertig | |
dürften ihre Bilder niemals werden, denn: „Perfekte Kunst ist knacktot.“ | |
Auf ihrem Tisch liegt ein Bildband. Giovanni Bellini. Mit dem | |
venezianischen Renaissance-Maler teilt sie das Interesse am Figürlichen. | |
„Der Raum drumherum ist bei mir immer ein psychologischer Raum.“Es sind die | |
Figuren wie jener nackte Mann, der während des Geschlechtsakts Mund und | |
Augen vor Schreck aufgerissen hat. Cecilia Edefalk wollte einen Erwachsenen | |
malen. „Aber wenn ich einen Mann male, von inside out, wird er zu einem | |
Jungen.“Es sei wie bei Goya, sagt sie. „Wenn er die Maja malt, ist es auch | |
ein Selbstportrait.“Also doch ein rätselhaftes Bild, trotz aller schamlosen | |
Offenheit. | |
Hans Happel | |
Cecilia Edefalk bis zum 14. September im Kabinett für aktuelle Kunst des | |
Kunstvereins Bremerhaven | |
8 Aug 1997 | |
## AUTOREN | |
Hans Happel | |
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