# taz.de -- Mein Kumpel, die Amazone | |
> Seit 22 Jahren Lederkluft: Doro Pesch, Königin des Heavy Metal, sieht das | |
> Musikbusiness als „Unisex-Ding“. Morgen stellt sie ihr neues Album | |
> „Fight“ vor | |
Auf dem Cover ihres neuen Albums „Fight“ trägt Doro Pesch ihre schwarze | |
Lederkluft wie ein Skelett. Mit wehenden blonden Haaren posiert die „Queen | |
des Heavy Metal“ vor den Ruinen einer versunkenen Roboterzivilisation. | |
Dieser Bekleidungsstil der Fantasy-Amazone ist 2002 als „Shakira-Look“ | |
wieder populär geworden. Doro Pesch trägt ihn seit 1980. | |
1980 lag Dorothea Pesch, damals gerade 16, ein Jahr mit Tuberkulose im | |
Krankenhaus. „Ich dachte, wenn ich hier jemals lebend rauskomme, dann | |
möchte ich tun, was ich wirklich will. Kaum war ich aus dem Krankenhaus | |
raus, hatte ich meine erste Band.“ Am Tag arbeitete sie acht Stunden als | |
Schriftsetzerin, am Abend wurde fünf Stunden geprobt. Vom „New Wave of | |
British Heavy Metal“, losgetreten von wütenden jungen Musikern in Englands | |
Industriezentren, hatte Doro Pesch damals noch gar nicht gehört: „Ich hatte | |
so viel Energie und so viele Aggressionen, dass einfach Heavy Metal daraus | |
wurde. Obwohl der Begriff selbst noch gar nicht verbreitet war.“ | |
1982 wurde Warlock gegründet. Schon bald kristallisierte sich heraus, auf | |
wen es in der Band eigentlich ankam. 1986 zog Doro Pesch mit der Band nach | |
New York. Und sie durchschaute die Bedingungen des amerikanischen | |
Musikgeschäfts, während sich ihre Kollegen das Rock-’n’-Roll-Leben lustig… | |
vorgestellt hatten: „Zwei wollten lieber in Bars abhängen als im Proberaum. | |
Ich sagte okay, ihr seid raus. Das tat weh, aber ich musste es tun.“ 1988 | |
war auch der letzte männliche Mitbegründer der Band ausgewechselt. 1989 | |
benannte sich die Band in Doro & Warlock um. Anfang der Neunziger war die | |
erste Hochphase des Heavy Metal vorbei, aber Doro Pesch veröffentlichte | |
unermüdlich weiter Platten, fortan mit einer Band, die nur noch den Namen | |
Doro trug. | |
Seither ist Doro Pesch auch offiziell als Einzelkämpferin ausgewiesen. Und | |
seither scheint sie eine besondere Faszination auf die großen alten Herren | |
der Heavy-Metal-Geschichte auszuüben. Gene Simmons von Kiss produzierte | |
„Doro“ (1990). Mit Lemmy Kilminster von Motörhead sang sie auf „Calling … | |
Wild“ (2000) im Duett. Was Doros Musik betrifft, ist das nicht | |
selbstverständlich, obwohl sie eine schöne Stimme hat. Denn die Musik von | |
Kiss und Motörhead gilt auch über die Grenzen des konservativen Metallers | |
hinaus als cool. Doros Musik dagegen liegt im mittleren Bereich des großen | |
Heavy-Metal-Koordinatensystems; beim Hardrock, der gemeinhin eben nur unter | |
Hardrockfans als cool gilt. Keine wahnwitzigen Speedgitarren wie bei | |
Slayer, kein Kopfgesang wie bei Judas Priest. Auch Doros Texte bewegen sich | |
in den Konventionen des Hardrock, tiefernst, manchmal voller Pathos. | |
Dennoch erscheint sie neben den tollsten Jungs des Metal, und RTL lud sie | |
zur besten Sendezeit zum Promiboxen. Liegt das daran, dass sie als Amazone | |
in Leder Männerfantasien verkörpert? | |
Tatsächlich setzt sich Doro Pesch als Frau energisch durch in einem Genre, | |
in dem es nur eine Hand voll Musikerinnen gibt: Joan Jett; die 1978 | |
gegründete All-Woman-British-Metal-Band Girlschool; vielleicht noch die | |
Doom-Metal-Girls von Kittie. Doro Pesch ist hart, aber eben nicht zu hart, | |
auch, was ihre Einstellung betrifft: Feministische Kritik müssen | |
Musikerkollegen nicht befürchten, denn Doro hat eine erstaunliche Erfahrung | |
gemacht: „Es ist nicht einfacher für einen männlichen Musiker im | |
Musikbusiness zu überleben als für jeden anderen. Ich habe es immer als ein | |
‚Unisex-Ding‘ empfunden.“ Einerseits ist das blauäugig. Andererseits mac… | |
es zukünftigen Metalmusikerinnen vielleicht auch Mut, wie sie die | |
zweifellos vorhandenen Probleme von Frauen im Musikbusiness einfach | |
wegdenkt. Und schließlich: Eine Frau, die ganz selbstverständlich als | |
dufter Kumpel mit Lemmy im Auto fährt, ist das kein reizvolles Role Model? | |
„I drive with Lemmy down Woodland Hills / you know it’s feeling good / it�… | |
overkill“, singt sie in ihrem neuen Stück „Salvaje“. JULIE MIESS | |
Am 5. November im ColumbiaFritz, 21 Uhr | |
4 Nov 2002 | |
## AUTOREN | |
JULIE MIESS | |
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