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# taz.de -- Massaker in Guinea: Soldaten erschießen Demonstranten
> Menschenrechtler zählen 157 Tote nach brutaler Auflösung einer
> Oppositionskundgebung. Es geht um die Kandidatur von Militärjuntachef
> Dadis Camara bei den Wahlen 2010.
Bild: Prügelnde Soldaten auf den Straßen von Conakry.
Der Versuch, im westafrikanischen Guinea eine starke zivile Opposition
gegen das regierende Militär aufzubauen, ist von der Junta im Blut ertränkt
worden. 87 Tote laut Polizei, möglicherweise über 200 nach unabhängigen
Quellen, forderte am Montag in der Hauptstadt Conakry die Auflösung einer
Oppositionskundgebung durch Armee und Polizei. Am gestrigen Dienstag gingen
vereinzelte Proteste weiter, als Hinterbliebene die Herausgabe der Leichen
forderten. Juntachef Moussa Dadis Camara, dessen Rücktritt die
Demonstranten gefordert hatten, sprach gegenüber dem französischen Rundfunk
RFI von einem "unglücklichen Zwischenfall".
Guineas zivile Opposition aus Parteien, Gewerkschaften und
zivilgesellschaftlichen Gruppen hatte zu der Großkundgebung im "Stadion des
28. September" aufgerufen, um gegen eine Kandidatur des Juntachefs bei den
provisorisch für Januar 2010 vorgesehenen Präsidentschaftswahlen zu
protestieren. Diese Kandidatur spaltet das Land, denn sie macht Hoffnungen
zunichte, Guinea könnte erstmals seit der Unabhängigkeit 1958 bald von
Zivilisten regiert werden. Kapitän Dadis Camara hatte zu Weihnachten 2008
nach dem Tod des langjährigen Diktators Lansana Conté die Macht ergriffen
und zunächst versprochen, nur kurz zu bleiben und erstmals in Guineas
Geschichte freie Wahlen zu organisieren. Doch im Laufe der letzten Monate
machte er sich mit einem zunehmend erratischen und willkürlichen
Regierungsstil immer mehr Feinde. Er sagte außerdem zu, bei Wahlen im Jahr
2009 nicht anzutreten, ließ aber durchblicken, dass dies für 2010 nicht
unbedingt gelte.
Der 28. September ist in Guinea ein hochsymbolischer Tag. Am 28. September
1958 hatten die Guineer als einzige Provinz des damaligen
Französisch-Westafrika für die sofortige Unabhängigkeit gestimmt und sich
von der Kolonialmacht gelöst. Deswegen ist das große Stadion der Hauptstadt
nach diesem Gründungsdatum des guineischen Freiheitsstrebens benannt,
deswegen wollte die Opposition dort am 28. September demonstrieren, und
deswegen wurde diese Kundgebung verboten - offiziell hieß es, der Rasen
müsse für ein WM-Qualifikationsspiel gegen Burkina Faso geschont werden.
Der Versuch, dieses Verbot durchzusetzen, führte am Montag Nachmittag zum
Massaker. Auf einem im Internet verbreiteten Video ist zu sehen, wie sich
Sicherheitsminister Moussa Tiégboro Camara vor dem Stadion vor einer
johlenden Menge auf sein Polizeiauto stellt, um mit den Demonstranten zu
reden, und nach wenigen Minuten den Rückzug antritt; als die Menge
vorrückt, explodiert ein Tränengaskanister. Später, so Augenzeugen,
durchbrachen die Demonstranten den Polizeikordon und erzwangen den Einzug
in das 25.000 Menschen füllende Areal. "Während Siegeseuphorie die
Demonstranten ergriff, kamen Militärs und schossen auf die Menge",
berichtet die Webseite Guinéenews.
"Unsere Führer hatten nicht einmal die Gelegenheit, eine Rede zu halten",
berichtet ein Augenzeuge gegenüber Human Rights Watch. "Ich sah, wie die
bewaffneten Männer direkt in die Menge schossen und in die Luft, alles war
voller Tränengas und Gewehrkugeln und totaler Panik. Wir rannten um unser
Leben."
Die Polizei sagte später, sie habe 87 Leichen mit Schusswunden in
Krankenhäuser eingeliefert. Regierung und Armee sprachen gestern von nur
vier Erschossenen; 53 Menschen seien "erstickt". Die Oppositionspartei UFR
(Union der Republikanischen Kräfte) des Expremierministers Sidya Touré
sprach von 128 Toten. Die Menschenrechtsorganisation OGHD zählte gestern
Nachmittag 157 Tote und über 1.250 Verletzte. Ärzte sowie das Rote Kreuz
berichteten, das Militär entferne Leichen aus den Krankenhäusern, um die
wahre Todeszahl zu verschleiern.
Mehrere bekannte zivile Oppositionsführer wurden verprügelt und verhaftet,
darunter die Präsidentschaftskandidaten Sidya Touré und Cellou Dalein
Diallo. Sie kamen gestern wieder frei, aber in der Zwischenzeit wurden ihre
Häuser verwüstet. Zahlreiche Frauen sollen außerdem vergewaltigt worden
sein. "Die Vergewaltigungen begannen im Stadion, und wir haben sehr
beunruhigende Informationen, dass Frauen in Militärlagern und
Polizeistationen festgehalten und vergewaltigt werden", sagte Mamadi Kaba,
Präsident der guineischen Abteilung der in Senegal ansässigen
Menschenrechtsorganisation Raddho (Afrikanische Sammlung zur Verteidigung
der Menschenrechte) gegenüber AFP. "In Guinea regiert die Angst. Die
nächsten Wochen werden sehr schwer."
Das Militär will offenbar verhindern, dass Conakry wie in den letzten
Jahren des verstorbenen Diktators Conté zur Hochburg einer starken Front
von Regimegegnern und damit unkontrollierbar wird. Erst am vergangenen
Donnerstag hatten in der Stadt Labé 20.000 Menschen gegen den Juntachef
demonstriert.
Auf internationaler Ebene begibt sich Guineas Regime damit in die
Isolation. Der internationale Konsens ist, dass Dadis Camara sich an sein
Versprechen halten und auf eine Präsidentschaftskandidatur verzichten
solle. Die Afrikanische Union (AU) hatte Guineas Juntachef am 18. September
eine entsprechende, mit Sanktionsdrohungen gekoppelte Aufforderung erteilt,
gefolgt von der internationalen Guinea-Kontaktgruppe vier Tage später. In
Guineas Opposition wird nun über einen unbefristeten Generalstreik
nachgedacht.
29 Sep 2009
## AUTOREN
Dominic Johnson
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