# taz.de -- Marine: Tod beim Teambuilding | |
> Auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" stürzt eine Soldatin aus der | |
> Takelage und stirbt. Obwohl die Offiziere nie wieder segeln, stellt | |
> niemand die Ausbildung in Frage. | |
Bild: Heikler Arbeitsplatz: Soldaten in den Wanten der "Gorch Fock". | |
Die Bedingungen für die Übung auf der "Gorch Fock" waren optimal: Das | |
Wetter in brasilianischen Gewässern war gut und das Schiff lag fest an der | |
Pier - kein rauer Seegang machte den Offiziersanwärtern das Leben schwer. | |
Trotzdem starb am Sonntag eine 25-jährige Marine-Soldatin aus dem | |
niedersächsischen Kreis Holzminden, als sie aus den Segeln zurückkletterte, | |
"Abentern" nennen das die Seeleute. Sie stürzte, schlug auf dem Deck auf - | |
und starb im Krankenhaus. Es war ihr sechster Tag an Bord des | |
Segelschulschiffs. | |
Die Soldaten müssen bis zu 40 Meter ungesichert hinaufklettern, um die | |
Segel zu setzen und sie wieder einzuholen. Sie tragen zwar einen | |
Sicherungsgurt samt Karabiner, doch nur wenn sie innehalten oder ihre | |
Arbeitsposition erreicht haben, können sie sich einhaken. Eine bewegliche | |
Rückfallsicherung gibt es nicht. Dieser Unfall ist nicht der erste | |
Todesfall auf der "Gorch Fock", allein in den letzten zwölf Jahren starben | |
vier Marine-Soldaten. Sechs Offiziersanwärter kamen in der 52-jährigen | |
Einsatzgeschichte auf dem Schiff zu Tode - fünf durch Stürze. | |
Marine-Sprecher Jan Ströhmer setzt diese Statistik ins Verhältnis: 14.500 | |
Offiziers- und Unteroffiziersanwärter seien in der Einsatzzeit auf dem | |
Segelschulschiff ausgebildet worden. Die Unfälle seien tragisch. Aber: | |
"Seefahrt ist immer gefährlich." 22 Menschen seien allein in diesem Jahr | |
auf deutschen Handelsschiffen ums Leben gekommen. "Es ist technisch und | |
praktisch nicht möglich, die Soldaten beim Ab- und Aufentern zu sichern." | |
Bis zu 40 müssten gleichzeitig schnell hinaufsteigen können, allerdings | |
werde niemand gezwungen, hinaufzugehen. Das sei auf jedem Großsegler der | |
Welt so. | |
Das bestätigt Anja Lebenhagen von der Deutschen Stiftung Sail Training, die | |
Eignerin des aus der Fernseh-Bierwerbung bekannten zivilen Schulschiffs | |
"Alexander von Humboldt". "Es gibt keine Patentlösung für dieses Problem." | |
Das Aufentern zu sichern, sei nicht möglich. "Mit größter Sorgfalt" würden | |
die Decksleute aber darauf achten, dass sich die Schüler auf dem Schiff, | |
wann immer es geht, "einpicken", also sichern. Sie ist sich sicher, dass | |
die Bundeswehr alles Mögliche tut, um ihre Soldaten zu sichern. "Wenn es | |
dafür eine Lösung gäbe, hätten die das mit Sicherheit." Auch Uwe Sonntag | |
vom Bundeswehrverband sagt: "Um das Problem zu lösen, bräuchte man eine | |
dritte Hand." Die Bundeswehr habe aber viel Erfahrung und verbessere die | |
Sicherheitsmaßnahmen. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Die | |
Dienst-Anweisungen seien eindeutig: Sofort sichern, wenn jemand ausharrt. | |
Die "Gorch Fock" ist ein Prestige-Schiff. Es segelt um die Welt und macht | |
in den Häfen auch fest, um die Bundesrepublik und die Deutsche Marine zu | |
repräsentieren. Sie schmückt sich mit dem alten Schiff und den jungen | |
Soldaten. Jeder, der Offizier in der Marine werden will, muss mit der | |
"Gorch Fock" auf große Fahrt gehen. | |
Doch warum schickt die Bundeswehr die Soldaten zum Segelnlernen - wenn sie | |
doch später auf motorisierten Militärschiffen arbeiten sollen? "Es ist | |
unserer Meinung nach die beste Möglichkeit, um die Kadetten an die See zu | |
gewöhnen", sagt Marinesprecher Ströhmer. Den Soldaten sollten "Seebeine | |
wachsen". Später würden sie nicht mehr viel Berührung mit der See haben. | |
Außerdem sei die Fahrt auf der "Gorch Fock" eine große | |
Teambuilding-Maßnahme. "Und das funktioniert." | |
9 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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