# taz.de -- Lust an der Performance | |
> BIENNALE VENEDIG Eröffnung der Kunstausstellung mit Karl Marx, Eva & | |
> Adele | |
Am Montag konnte man noch den Künstlern bei der Aufbauarbeit zu schauen. | |
Heute am Mittwoch, dem Tag zwei der Pressevorbesichtigung und dem Tag, an | |
dem dieser Text erscheint, muss man schon Schlange stehen, um in die | |
Länderpavillons zu kommen. Denn schon tummeln sich Sammler, Kuratoren, | |
Museumsdirektoren und sonstige Kunstvermittler unter den Journalisten. Da | |
wird es schnell eng. | |
Am Montag aber konnte man zusehen, wie Eva & Adele im Swatch Pavillon im | |
Arsenale Nord in ihrem White Cube die Bilder hängten. Eva & Adele sind die | |
ganz großen Disziplinierten unter den Konzeptkunst-Paaren unserer Zeit. | |
Seitdem die zierliche Adele und Eva, die mit ihrer vollen Stimme der eher | |
männliche Typus ist, erstmals 1990 gleich geschminkt und gleich glamourös | |
gekleidet in ein Vaporetto stiegen, um zur Eröffnung der Biennale in die | |
Giardini zu fahren und dabei von einer bayerischen Bierdimpfelgruppe | |
zunächst angsteinflößend geschmäht, am Ende aber mit Beifall entlassen | |
wurden, hatten sie einen tadellosen Auftritt nach dem anderen. Weltweit, | |
bei den großen Kunstereignissen. | |
Dazu braucht es starke Nerven, großes Organisationstalent und | |
Planungsgeschick. Nur aus der gleichbleibend großen Lust an der Performance | |
speist sich diese Qualität. Immer ist ein neues Kostüm von Nöten, was | |
komplexe Kleiderlisten für die jeweiligen Anlässe bedingt. Gleiches gilt | |
für Make-up und Accessoires, etwa den Schmuck. Dass sie, die Artists in | |
Residency im Art Peace Hotel Shanghai des Schweizer Uhrenherstellers Swatch | |
waren, für seine Kollektion eine Eva-&-Adele-Uhr entwarfen, ist also ganz | |
im Sinne ihres Performance-Konzepts. Neben ihren vielschichtigen | |
Abstraktionen zeigen sie in Venedig auch ein Video, das 1991 auf Einladung | |
Harald Szeemanns für das Kunsthaus Zürich entstand. Eine Stunde lange sagen | |
sie alle 15 Sekunden „Futuring“. Ihr Kunstbegriff aus den Worten „Future�… | |
und „doing“. | |
Er meint nichts anderes als Okwoi Enwezors Biennale-Motto: All the World’s | |
Futures. Überall arbeiten wir heute schon an der Welt von morgen, und all | |
diese globalen Perspektiven, kondensiert in Kunstwerken, sollen in Venedig | |
zusammenkommen. Besonders, so Enwezor, interessiere ihn, wie Künstler Worte | |
benutzen. „Futuring“ sollte ihm gefallen. Mit der documenta 11 hat er schon | |
eine Großausstellung gemeistert, jetzt möchte er Leben in die Bude Arsenale | |
bringen, Bewegung, und damit gehören Film, Performance, Theater und | |
Literatur zum Biennale-Programm. Deshalb wird dort jetzt auch jeden Tag aus | |
Karl Marx’ „Kapital“ vorgelesen. Das ist nicht nur ein Klassiker der | |
Ökonomie, sondern ein „Buch voller dokumentarischer Geschichten“, wie | |
Enwezor sagt. | |
Wer von Zukunft spricht, lebt schon in der Vergangenheit. Die heiße | |
Eröffnung am Montag fand im Palazzetto Tito statt, wo die Fondazione | |
Bevilacqua La Masa neueste, von Peter Doig bravourös auf die Leinwand | |
gepinselte Historienschinken zeigt, mit vielen heraldischen Löwen und | |
Männern hoch zu Ross. | |
BRIGITTE WERNEBURG | |
6 May 2015 | |
## AUTOREN | |
BRIGITTE WERNEBURG | |
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