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# taz.de -- wahltalk of the town: Leutselig wie am Jägerzaun
> Das es Armin Laschet in der ARD mit den Fakten nicht genau nimmt – was
> soll's. Im Weg steht im etwas ganz anderes
Von Jan Feddersen
In gewisser Hinsicht sind natürlich alle Wahlkampfsendungen auch
Mogelpackungen. Kandidat*innen preisen sich auf eine Art, die sie als
kanzlerabel zeigen sollen. So Annalena Baerbock vor gut einer Woche mit
ihrer schulsprecherinnenhaften Munterkeit, so als nächster Olaf
Scholz, bei dem wir als Publikum nur die merkelsche Raute vermissten. Nun
war als letzter des Trios am Mittwochabend Armin Laschet zu Gast in der
„Wahlarena“ der ARD, und er hätte wohl viel dafür gegeben, wenn man seine
schwächlichen Seiten nicht gesehen hätte.
Das haben wir aber, nämlich eine hässliche Seite. Zunächst noch gab er
schon nach der ersten Frage eines Zuschauers in der Lübecker Kulturarena
den Mann, als der er gern gesehen werden möchte – den Leutseligen. Als
Menschen dieser Art versteht man allgemein solche (meist) Männer, die all
ihre Welt als Nachbarschaftsverhältnis nehmen, so über den Jägerzaun hinweg
sich Schnäpse oder joviale Wertgemeinsamkeiten zuwerfen. Laschet versteht
sich so, was keine Untugend sein muss. Vom Fachlichen nirgendwo auch nur
einen Schimmer (das Gegenteil zu Baerbock), aber dafür kommunikativ wie in
einer zerzankten Christengemeinde, wo er dann mit dem Ton semiautoritärer
Patriarchalität sagt: „Nun wollen wir uns doch mal als Menschen erkennen“
oder, knapper, „Wollen wir doch mal sachlich werden, ist doch alles nicht
meine Schuld.“
Leutselige sind auch immer ein bisschen verhinderte Autokraten. Sie
hauptsächlich definieren, was Leute selig zu machen hat. Auf die Frage, wie
es bei ihm um die Legalität weicher Droge ginge und ob er schon mal selbst
gekifft habe, antwortete Laschet (im Übrigen an diesem Abend schlipslos,
eben ein guter Nachbar, der schon körperlich nach Feierabend aufs Du
geeicht ist), er selbst finde dies & das (was genau, hat man gleich
vergessen), aber persönlich gekifft habe er nie. Das sagt er aber nicht mit
warnendem Klang, sondern eher freundlich, dass für ihn dies nicht in Frage
gekommen sei, verdamme aber nicht andere …
Überhaupt gibt Laschet, der als Kanzler, käme er in dieses Amt, nun
wirklich keine reaktionäre Katastrophe wie Helmut Kohl wäre, eben den
Nachbarn, nicht den überehrgeizigen Politiker aus Aachen, der er natürlich
auch ist beziehungsweise zu sein hat, sonst wäre er karriereplanerisch
nicht da, wo er jetzt ist. Kenner solcher Menschen wissen indes, Norbert
Röttgen kann davon mehr als ein Lied singen, dass in jeder Leutseligkeit
auch eine gewisse Patzigkeit steckt. Schon in Talkshows (Will, Illner, Lanz
etc.) konnte man Laschet als Politiker der Anranzerei erleben, als Mensch,
der selbst im Angesicht eigener Schuld und Verantwortung anderen die
Misslichkeit in die Schuhe schiebt, patzig, kläglich und kleinlich. Laschet
ist ein gar nicht gefährlicher Politiker, auch kein „Rechter“, wie die
linksidentitäre Netzbubble kreischt, schon gar kein Faschist und
Klimaschänder sowieso nicht. Auch ist ihm nicht anzulasten, dass er sich
schön zeigt und gelegentlich Fakten beflunkert. Das machen sie ja alle,
auch Baerbock und Scholz, die in Wahrheit auch kein Lebensglück an und für
sich schenken können. Menschlich erwartet man das doch auch nicht, sonst
wäre man ja ganz nicht bei Trost.
Aber nach 45 Minuten eben, als eine in der Tat nervige Klimaaktivistin aus
Hamburg Laschet eher beschimpft anstatt klug zu fragen, Laschet auf deren
Drängen nicht aufs Überhören schaltet, sondern ein flapsiges „Hören Sie
doch auf“ ihr entgegenwirft – da war er wieder zu bemerken, der Laschet und
was seiner Kleingartenseligkeitsstifterei im Wege steht: Seine Rüpelei,
nicht ausreichend gezähmt.
17 Sep 2021
## AUTOREN
Jan Feddersen
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