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# taz.de -- Lena in love
> Odenthal verknallt sich in ein HipHop-Mädchen: Yo, Respekt? („Tatort:
> Fette Krieger“, 20.15, ARD)
von CHRISTIAN BUSS
Bitte nicht schon wieder die Missionarsstellung! Am Anfang sehen wir kurz,
wie sich Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) die Zeit mit einem einfallslosen
Hetero vertreibt, später kritzelt die Kommissarin dann mit einer jungen
Rapperin (Sandra Borgmann) Herzen an Stromkästen. Das Mädchen erklärt ihr
beflissen, das seien tags, und auch sonst erfährt die Ermittlerin, die hier
verliebt und empfänglich für alles Neue durch die Gegend schwebt, allerhand
Wissenswertes über die HipHop-Szene.
Bitte nicht schon wieder die Missionarsstellung! Das dachte sich wohl auch
der SWR, der seine „Tatort“-Kommissarin bereits ins All und nach Amerika
verfrachtet hat, um sie vor der Krimiroutine zu bewahren. Für „Fette
Krieger“ – da bewiesen die Verantwortlichen wieder mal Abenteuerlust –
wurde als Regisseur der 31-jährige Dominik Reding engagiert, der letztes
Jahr mit „Oi! Warning“ ein von jeglichem bürgerlichen Bildungsauftrag
befreites Skin-Drama ins Kino gebracht hatte.
Reding, der das Drehbuch zu diesem „Tatort“ mit verfasst hat, holte bei
seiner ersten Auftragsarbeit fürs Fernsehen gleich zu einem Doppelschlag
aus: Zum einen inszeniert er das Coming-out der Kommissarin Odenthal, deren
Sexualität bislang ja eher von Kompensation geprägt wurde, zum anderen will
er die Funktionsweisen der deutschen HipHop-Community samt industriellem
Überbau offen legen.
Doch der Regisseur scheitert auf ganzer Linie. Die Liebesgeschichte ist
unbeholfen, der Szenereport verblasen. Um ein bisschen Authentizität in den
Krimi zu bringen, hat man HipHop-Aktivisten wie Harris von den Berliner
Spezializtz oder die Viva-Nervensäge MC René vor die Kamera geholt: So
sieht man in „Fette Krieger“ Schauspieler, die nicht rappen können, und
Rapper, die nicht schauspielern können. Schauspieler Bernd Gnann als
HipHop-Star Fett spielt den mit Klunkern und weißen Pelzen behangenen MC
als Großkotz und bewegt sich dazu wie Vanilla Ice mit einem Besenstil im
Arsch.
Nach dem Mord an Fett gibt es eine ganze Reihe Tatverdächtiger. So nähert
sich der Film über umständliche Verhöre den unterschiedlichen Motiven, die
von Eifersucht bis Geldgier reichen. Als wolle er seine
öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht vor den Kopf stoßen, achtet
Regisseur Reding geradezu streberhaft darauf, den narrativen Vorgaben des
Genres gerecht zu werden. Das Ergebnis ist ein Täterrätsel, das so bieder
geraten ist, dass man am Ende gar nicht mehr wissen will, wer denn nun der
Schuldige ist. Auch der Subtext der HipHop-Moritat erscheint wenig
revolutionär: Das Popgeschäft frisst seine Kinder. Auf jeder halbwegs
korrekten HipHop-Platte sind da kritischere Anmerkungen zum
Tonträgergeschäft zu finden.
Neue Gebührenzahler aus der HipHop-Generation wird man durch diesen
„Tatort“ also kaum gewinnen. Und das betagtere Stammpublikum dürfte sich
von den Grimassen der nicht ganz stilechten B-Boys eher gestört fühlen. Es
kann ja nicht jeder so aufgeschlossen sein wie Kommissarin Odenthal, die in
„Fette Krieger“ mit bauchfreiem T-Shirt und Kapuzenjacke die
Breakdance-Szene der örtlichen Jugendzentren aufmischt.
Dass sich die Ermittlerin bei ihren Exkursionen in die Ludwigshafener
Jugendkultur in ein trauriges Flygirl verliebt, ist natürlich eine große
Sache. Allerdings hätte man der Darstellerin Ulrike Folkerts, die einst mit
einer Kampagne ihre Vorliebe für Frauen öffentlich gemacht hat, gegönnt,
dass das Coming-out der von ihr verkörperten Kommissarin ein bisschen
feinfühliger inszeniert worden wäre. Am Anfang ein bisschen frustrierender
Heterosex, dann eine schmierig gerappte Ballade – und, hallöchen, auf
einmal entdeckt die Polizistin ihre Zuneigung zum gleichen Geschlecht. Das
überzeugt nicht. Nein, Lena in love macht keine gute Figur. Immerhin darf
sich die arbeitswütige Odenthal, die jetzt endlich offiziell als lesbische
Kommissarin durchgeboxt worden ist, zukünftig nach Feierabend ein erfülltes
Sexleben gönnen. Das wenigstens ist ein Verdienst dieses total vergurkten
„Tatorts“.
14 Jul 2001
## AUTOREN
CHRISTIAN BUSS
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