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# taz.de -- Landesmuseum Moritzburg: Aluminium als Kunstwerk
> Das Landesmuseum Sachsen-Anhalt in der Moritzburg von Halle rüstet auf:
> Überaus gelungen ist der Ausbau des Nord- und Westflügels durch das Büro
> Nieto Sobejano aus Madrid.
Bild: Am 10. Dezember wird der rund 18 Millionen Euro teure Neubau mit mehr als…
Ein neuzeitliches Dach bedeutet seit kurzem das Ende des Jahrhunderte
währenden Schicksals der Moritzburg in Halle als Denkmalsfragment. Zwei
ruinöse Flügel des Landesmuseums wurden aufwendig ausgebaut und mit eben
jener eigenwilligen Aluminiumabdeckung versehen, die der Stiftung
Moritzburg neuen Raum in ihren bisher nur teilweise nutzbaren vier Wänden
gibt.
Der zeittypische Grundriss mit vier Flügeln um einen repräsentativen
Innenhof und vier Wehrtürmen weist die 1503 eingeweihte Residenz der
Erzbischöfe von Magdeburgen als ein "feste Schloss" aus, "um die Stadt
besser in Gehorsam, Unterwürfigkeit und Ruhe zu erhalten". Diesem frommen
Wunsch setzte freilich die Reformation schon 1541 ein Ende. Zerstört wurde
die Moritzburg jedoch erst hundert Jahre später, als im dreißigjährigen
Krieg der West- und Nordflügel mit der Maria-Magdalenen-Kapelle ausbrannten
und eine der Bastionen gesprengt wurde.
Bis auf die wieder hergerichtete Kirche blieb der Bau eine Ruine - als
Lager oder auch als Brauerei genutzt. Karl Friedrich Schinkel erwog 1829
einen Wiederaufbau, doch erst zunehmender Verfall führte zur Initiative der
Stadt Halle, hier ein Städtisches Museum für Kunst und Kunstgewerbe
einzurichten. Zwischen 1901 und 1913 wurde an der Südwand das sogenannte
Talamt errichtet, das die Innenraumausstattung des früheren Gerichts der
Halloren aufnahm, dazu kamen historisierende Wehrgänge, der Torturm am
Ostflügel und die Südbastion.
Im folgenden Jahrzehnt trug man hier begeistert zeitgenössische, junge
Kunst zusammen, wodurch eine weithin beachtete Sammlung expressionistischer
Malerei entstand. 1936 wurde dieser Schatz von den Nationalsozialisten für
die Ausstellung "Entartete Kunst" beschlagnahmt und anschließend verhökert.
Dem engagierten Magistrat von Halle gelang es vor der Teilung Deutschlands
einige Stücke zurückzuerwerben. 1948 wieder eröffnet, wurde das dann
Staatliche Galerie Moritzburg Halle genannte Museum durch den Ausbau von
Gewölben vorerst ein letztes Mal erweitert.
Als wichtigstes Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, das seit den
1980er-Jahren auch eine bedeutende Fotosammlung bewahrt, war seine Existenz
nach dem Mauerfall nicht gefährdet. Im Gegenteil, die Übernahme durch das
Land 1996 und die Aufnahme ins Blaubuch der Bundesregierung 2001 gaben die
finanzielle Kraft zur Erweiterung, da die zwar pittoresken, doch recht
beengten Räume den Ansprüchen längst nicht mehr genügten. Im
Architektenwettbewerb 2003 war Radikalität mit Fingerspitzengefühl
erwünscht, um den geforderten Ausbau in den Resten von West- und Nordflügel
zu wagen. Das Büro Nieto Sobejano aus Madrid bewies beides - nicht zuletzt
mit jener Abdeckung, die weitaus mehr bot als nur Schutz gegen die
Witterung. Weitsichtig traf die Jury die richtige Wahl. Anders als bei uns,
wo alter Baukunst mit Berührungsängsten und zeitgenössischer Architektur
mit Misstrauen begegnet wird, baut man in Spanien auch in jüngster Zeit
Altes modern auf, etwa im einst römischen Merida, wo Nieto Sobejano ein
ansehnliches Kongressgebäude realisierten.
Ihr Konzept geht von einem Dach aus, das die heterogene Ruine durch sanft
geneigte Flächen zusammenfasst, und aus dem sich gleich Hexenhüten vier
Oberlichter emporstülpen. Ihre schiefwinkligen Formen spannen eine homogen
wirkende Aluminiumhaut auf, die aus der Fußgängerperspektive nur als
schmales Gesimsband sichtbar ist.
Zwischen dem auch innen unverputzten Mauerwerk liegen zwei große
Ausstellungssäle. Durch die über zwei Geschosse gehende Höhe entfalten sie
eine beeindruckende Wirkung, die durch seitliche Galerien und zwei wie
schwebend wirkende, von der Decke abgehängte "White Cubes" gesteigert wird.
In die neugewonnenen Säle zieht die moderne Kunst. Der kleine Saal im
Nordflügel ist für Wechselausstellungen vorgesehen, in dem größeren werden
Werke von Brücke-Künstlern gezeigt, die der Sammler Hermann Gerlinger dem
Kunstmuseum zur Verfügung stellt, was als symbolische Rückkehr der
Expressionisten gefeiert wird. Die Einrichtung der ersten Ausstellung wird
Geschick erfordern, soll bei der Eröffnung am 12. Dezember die
Großzügigkeit der Räume trotz der Stellwände erlebbar werden.
Im neuen, ebenfalls mit Aluminium verkleideten Treppen- und Aufzugsturm,
der an die Stelle der gesprengten Bastion getreten ist, eröffnet ein
Panoramafenster den Blick auf die Stadt. Unmittelbar daneben werden drei
der zehn nach dem Verlust von 1936 noch vorhandenen Stadtansichten gezeigt,
die Lyonel Feininger einst als "Artist in Residence" im Torturm schuf. Beim
Anblick der Gemälde glaubt man die formale Herkunft der schiefwinkligen
Lichttrichter orten zu können - Expressionismus ist eben nicht nur als
"Flachware" in die Moritzburg zurückgekommen.
19 Oct 2008
## AUTOREN
Michael Kasiske
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