# taz.de -- Kultur im Krematorium: Der morbide Charme der Weddinger Bohème | |
> Der Einzug der Galerie Patrick Ebensperger in ein ehemaliges Krematorium | |
> ist Ausgangspunkt für einen neuen Kreativ-Campus in Wedding. | |
Bild: Installation im Rahmen der Berlinale-Sektion "Forum expanded" im Februar … | |
Eines der eindrücklichsten Werke stammt von Kei Takemura, einer japanischen | |
Künstlerin, die 1974 in Tokio geboren wurde, ab dem Jahr 2000 in Berlin | |
studierte und seither hier lebt. Es ist eine großformatige Wandarbeit mit | |
dem Titel „Remembering Grandmother‘s Living Room“ und zeigt einen | |
menschenleeren Innenraum. | |
Die Künstlerin hat mit heller Gaze und weißem Seidenfaden gearbeitet, einem | |
traditionellen japanischen Material, dem eine Haltbarkeit von mehr als | |
1.000 Jahren nachgesagt wird. Es ist ein weiteres der Werke von Kei | |
Takemura, das um schwere Themen wie Erinnern und Bewahren kreist. | |
So groß das Werk ist, so filigran, licht und leicht wirkt es andererseits – | |
und passt damit optisch wie thematisch in die Galerie Patrick Ebensperger, | |
deren neue Räume mit einer aktuellen Ausstellung von Werken von insgesamt | |
vierzehn Künstlern ab heute zu besichtigen sind. | |
Denn die stolzen 1.000 Quadratmeter der Galerie befinden sich im ehemaligen | |
Krematorium Wedding, in einer ehemaligen Aussegnungshalle, die in den | |
1930ern erbaut wurde und die der Galerist nur notdürftig hat renovieren | |
lassen – so, dass die ursprüngliche Bestimmung dieses Hauses, sein sakraler | |
Charme, nicht übertüncht wird. | |
Titel "Green Silten" | |
Die Galerie ist somit der erste Ort für Kultur auf diesem einmalig schönen | |
Gelände. Im Sommer 2014 wird es komplett eröffnen – als neuer | |
Kreativ-Campus unter dem Titel „Silent Green“. Nach dem | |
Ex-Rotaprint-Gelände, dem Stattbad und den Uferhallen ist dies also das | |
vierte Leuchtturmprojekt in dieser bislang eher wenig erschlossenen Gegend. | |
Man kann den Stolz des Berliner Filmemachers und Immobilienkaufmanns Frank | |
Duske nachvollziehen, wenn er in seinem eleganten Anzug und seinen spitzen | |
Schuhen über das Gelände geht, das er gemeinsam mit seinem Partner Jörg | |
Heitmann 2012 vom Liegenschaftsfonds erwarb – einem Gelände, auf dem es vor | |
Bauarbeitern momentan noch wimmelt, die vor allem noch mit dem Rückbau | |
befasst sind. | |
Kernstück des ehemaligen Krematoriums, das bei seiner Eröffnung 1912 nach | |
den Plänen des Berliner Architekten William Müller eröffnet wurde, ist eine | |
siebzehn Meter hohe, achteckige Urnenhalle mit Mansardendach: Die erste | |
Aussegnungshalle des Krematoriums in der Gerichtstraße 37/38. Frank Duske | |
weist auf den ehemaligen Sargaufzug, auf den Terrazzoboden mit | |
Schlangenmotiv, der noch ganz staubig ist, weil er gerade geschliffen | |
wurde. Oben im befinden sich zwei Balkone über die gesamte Raumlänge. | |
Duske kann sich gut vorstellen, dass hier eine Ausstellungshalle entsteht, | |
in der vielleicht hin und wieder auch eine Modenschau oder ein kleines | |
Konzert stattfinden kann. In den anderen Räumen, allen voran den | |
Kolumbarien, in denen die Urnen standen, schweben ihm vor allem Ateliers, | |
Projekt- und Büroräume vor – vielleicht für eine Plattenfirma, vielleicht | |
für Filmproduktionsfirma. | |
Unterdirdische Halle | |
Nur für die unterirdische und daher tageslichtfreie Halle unter der Wiese | |
vorm Krematorium, da hat Duske bislang noch keine Idee. Die Halle wurde | |
erst kurz vor der Schließung des Krematoriums vor wenigen Jahren fertig | |
gestellt. „Für den Katastrophenfall“, sagt Duske, also für kontaminierte | |
Leichen. Vor zehn, fünfzehn Jahren, erzählt er, da hätte er vielleicht noch | |
über einen Club nachgedacht für diese außergewöhnlichen Räumlichkeiten. | |
Doch heute denkt er vor allem an die Anwohner im dicht bebauten Wohngebiet. | |
Ihm schwebt fürs gesamte Krematorium eher etwas Stilles vor. Das passt | |
einerseits am besten zum Charakter des Baus, andererseits wird es das | |
Gelände vielleicht am nachhaltigsten, auch am vorsichtigsten verändern. | |
Doch bis es so weit ist, muss sich der interessierte Besucher noch mit der | |
Galerie Patrick Ebensperger zufrieden geben. Noch befindet diese sich | |
direkt gegenüber der „Plantage“, einer typischen Berliner Eckkneipe. | |
## Galerie Patrick Ebensperger, Plantagenstraße X (eine Blechtür gegenüber | |
der Hausnummer 10). Öffnungszeiten: Samstag 12 bis 16 Uhr, Dienstag bis | |
Freitag 12 bis 18.30 Uhr | |
21 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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Wedding | |
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