# taz.de -- Krieg im Kaukasus: Ordnung durch Asche | |
> Eskalation zwischen Georgien und Südossetien: Georgien versucht die | |
> Kontrolle über die abtrünnige Provinz zu gewinnen. Deren Schutzmacht | |
> Russland ist mit Panzern eingerückt. | |
Bild: Georgische Truppen feuern Raketen auf das Gebiet der Separatisten ab. | |
In der Nacht von Donnerstag zu Freitag eskalierten die seit Wochen | |
andauernden Gefechte zwischen georgischen Truppen und der völkerrechtlich | |
zum georgischen Staat gehörenden Provinz Südossetien zu einem handfesten | |
Krieg. Georgische Truppen marschierten mit schweren Panzern und gedeckt von | |
Kampfjets in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali ein. Offenbar hat auch | |
russisches Militär eingegriffen und georgische Stellungen nahe der | |
ossetischen Grenze bombardiert. Mehrere hundert Zivilisten sollen nach | |
Angaben Südossetiens ums Leben gekommen sein. Das russische | |
Verteidigungsministerium sprach bis zum späten Nachmittag von zehn | |
getöteten russischen Sol mailto:daten. | |
Georgiens Präsident Saakaschwili sprach von einer "großangelegten | |
militärischen Aktion" Russlands gegen Georgien. Noch nie seit dem Zerfall | |
der Sowjetunion war der Konflikt zwischen Russland und Georgien so | |
eskaliert wie jetzt. | |
Saakaschwili hatte noch am Donnerstag eine Feuerpause verkündet, ordnete | |
aber bereits am Freitag die allgemeine Mobilmachung des ganzen Landes an. | |
Er warf Südossetien vor, die Waffenruhe gebrochen zu haben. | |
"Hunderttausende Georgier sollten jetzt zusammenstehen und ihr Land | |
retten", sagte Saakaschwili im Fernsehen. Bereits vor Tagen hatten Frauen | |
und Kinder die südossetische Hauptstadt fluchtartig verlassen. | |
Ebenso unklar wie die Frage, wer angefangen hat, ist auch, ob es eine | |
offizielle Kriegserklärung der georgischen Seite gegeben hat. Georgiens | |
Präsident Michail Saakaschwili beteuerte, Georgien unternehme in der | |
abtrünnigen Provinz lediglich alles, um die "konstitutionelle Ordnung | |
wiederherzustellen". Auch die Russische Föderation hatte ihre Intervention | |
in Tschetschenien seinerzeit mit dieser Formel begründet und daher immer | |
abgestritten, dass es sich bei den dortigen Kampfhandlungen um einen Krieg | |
handele. Im Zuge der "Herstellung der Ordnung" fielen in der Nacht vom | |
Donnerstag zum Freitag in Zchinwali Schulen, Krankenhäuser und | |
Regierungsgebäude in Schutt und Asche. Saakaschwili hat die internationale | |
Gemeinschaft zur Hilfe für sein Land im Konflikt mit Russland aufgerufen. | |
Georgien sei Opfer einer russischen Aggression. "Wenn man sie (die Russen) | |
damit in Georgien durchkommen lässt, dann ist die Welt in Not." | |
Saakaschwili verglich das Eingreifen Russlands zugunsten der abtrünnigen | |
georgischen Region Südossetien mit den früheren Militärinvasionen der | |
Sowjetunion: "Das ist wie der Angriff auf Afghanistan 1979. Es ist wie | |
damals in der Tschechoslowakei, als die sowjetischen Panzer anrollten." | |
In einer ersten offiziellen Erklärung beschuldigt Russland die georgische | |
Regierung, bisher erfolgreich laufende Verhandlungen über den Status | |
Südossetiens zu boykottieren. Russland hat in der Region Friedenstruppen | |
stationiert und die Aufnahme von Flüchtlingen angeboten. Weitere Maßnahmen | |
werden zurzeit im russischen Sicherheitsrat und in der Gemeinschaft | |
unabhängiger Staaten (GUS) diskutiert. | |
Aus inoffiziellen Kreisen der EU wurde große Besorgnis angesichts der | |
Vorfälle laut, zumal Georgien in den vergangenen Jahren als EU-naher Staat | |
galt, der eine Aufnahme anstrebt. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop | |
Scheffer forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe um Südossetien, die | |
sofortige Einstellung der gewaltsamen Auseinandersetzungen und direkte | |
Verhandlungen. Der UN-Sicherheitsrat konnte sich auf einer | |
Dringlichkeitssitzung nicht auf eine von Russland vorgeschlagene Erklärung | |
zur Lage in Südossetien verständigen. Der russische UN-Botschafter Witali | |
Tschurkin, der die Sitzung beantragt hatte, warf dem höchsten UN-Gremium in | |
der Nacht zum Freitag mangelnden politischen Willen vor und bezeichnete die | |
Situation als "grotesk". Alle Mitglieder hatten sich für eine Rückkehr an | |
den Verhandlungstisch ausgesprochen. Die USA, Großbritannien und andere | |
Länder hatten sich aber dagegen ausgesprochen, beide Seiten gleichermaßen | |
zum Gewaltverzicht aufzurufen. Die USA wollen lediglich das Engagement | |
russischer Soldaten in diesem Konflikt verhindern. | |
Der Führer der russischen Provinz Nordossetien, Teimuras Mamsurow, fuhr in | |
die Hauptstadt Südossetiens, Zchinwali. "Wir organisieren hier gemeinsam | |
eine Verteidigung", erklärte er laut einer Meldung der Nachrichtenagentur | |
Interfax. Hunderte Freiwillige strömten von Nordossetien nach Südossetien. | |
Weiter wurden auch regionale Führer aus Abchasien am Schwarzen Meer, einer | |
anderen abtrünnigen Provinz Georgiens, mit den Worten zitiert, rund 1.000 | |
Freiwillige seien aus seiner Region unterwegs nach Südossetien. Anderen | |
Korrespondentenmeldungen zufolge werden georgische Stellungen in der Nähe | |
Zchinwalis alle 20 Minuten von russischen Kampfflugzeugen bombardiert. | |
Wiederum ein Interfax-Mitarbeiter berichtete direkt aus Zchinwali, die | |
Stadt sei völlig verlassen und brenne. Der russische Aktienindex RTC war | |
Freitagmittag binnen fünfzehneinhalb Stunden um 4,34 Prozent gesunken. | |
9 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Barbara Kerneck | |
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