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# taz.de -- Kolumne: Woke up this morning
> Die Serie "Die Sopranos" erzählt so genau wie erbarmungslos die
> Geschichte meiner Generation.
I saw at one point that our mothers are (pauses) theyre bus drivers. Theyre
- no, they are the bus. See, theyre the vehicle that gets us here. They
drop us off and go on their way. They continue on their journey. And the
problem is that we keep tryin to get back on the bus, instead of just
letting it go.
(Ich hab irgendwann erkannt, dass unsere Mütter - dass sie Busfahrer sind.
Sie sind - nein, sie sind der Bus. Sie sind das Fahrzeug, das uns
hierherbringt. Sie lassen uns raus und fahren weiter. Sie setzen ihre
eigene Reise fort. Und das Problem ist, dass wir dauernd versuchen, wieder
in den Bus zu kommen, anstatt ihn einfach fahren zu lassen.) Tony Soprano
in seiner letzten Analysesitzung
Nun soll es also endgültig vorbei sein. So, wie es eigentlich fast nach
jeder Folge der "Sopranos" hätte vorbei sein können. Aber es ging einfach
immer weiter. Nur die Protagonisten wurden immer hässlicher.
Big T, wie der Mafiaboss von seinen Untergebenen respektvoll genannt wurde,
verwahrloste zusehends, Carmela, seine Frau, verhärtete im Verblühen, seine
Analytikerin Dr. Melfi ist die Müdigkeit und das Scheitern an diesem
Patienten und an den eigenen Ambitionen anzusehen, die hübsche Meadow hat
ihr berechnendes Wesen verfeinert und der kleine, verwirrte A. J. ist ein
heimatloser, depressiver und selbstmitleidiger Feigling geworden, oder wie
es Dr. Melfi in der letzten Stunde sarkastisch zusammenfasst: "Der Junge,
der sich sonst um nichts geschert hat, kümmert sich nun um zu viel "
Am augenfälligsten jedoch ist die Veränderung in Tony Sopranos Gesicht. Es
war nie besonders hübsch und anziehend, aber nun sind die schmalen Lippen
nur noch bösartig aufeinander gepresst und die Schweinsäuglein ohne Funkeln
und Strahlen. Außer bei diesem einen Mal auf Peyote in der Wüste. Da war es
vermutlich das Licht des Sonnenaufgangs. Und er dachte wahrhaftig, Gott
habe zu ihm als Auserwählten gesprochen, während seine Leute zu Hause in
New Jersey asbestverseuchten Müll ins Schilf kippen.
Sein Lächeln, in dem manchmal der kleine, gewitzte Tony aufblitzte, seine
Intelligenz, sein Humor, seine Empfindsamkeit, seine Hoffnungen, - dieses
Lächeln, mit dem er früher sogar seine Analytikerin bezirzen konnte, wirkt
nicht mehr. Es ist nur noch ein schmieriges und gieriges Grinsen. Tony
Soprano hat schon lange fertig und will es nicht merken. Deshalb war
vielleicht das vermeintliche Ende so abrupt. Ein schwarzer Bildschirm als
Vorhang des Schweigens. Was gäbe es noch zu sagen? Das endgültige
Todesurteil hatte Dr. Melfi schon gesprochen, als sie ihn aus der Praxis
wies. Sie tat dies übrigens nicht aus einer Position der Stärke heraus.
Aber es war richtig. Zumindest für sie, die schon beinahe mit zur Familie
gehörte. Eine Komplizin im Schweigen.
Wie Carmela, seine Frau. Für die gab es auch ein Todesurteil. Aber schon in
einer viel früheren Staffel. Der Lehranalytiker von Doktor Melfi warf sie
aus der Praxis, als klar war, dass sie ihren Mafia-Boss-Gatten nicht
verlassen würde. "Wovon soll ich dann leben und wer bezahlt die Ausbildung
der Kinder?" Er ließ sich diese Stunde nicht einmal bezahlen, weil er nicht
zum Komplizen werden und kein Geld nehmen wollte, an dem Blut klebt. Seine
Schülerin, Doktor Melfi, kennt diese Art von altmodischen Skrupeln nicht
mehr. Sie gehört zu einer anderen Generation. Sie ist vorurteilsfrei und
neugierig. Vor allem neugierig.
Einmal steigt sie bei den Gastgebern einer Party auf die Kloschüssel, um
aus dem Fenster auf Tonys Grundstück zu lugen. Selbst als ihr eigenes Leben
durch die Nähe zum Mob in Gefahr ist, lässt sie nicht von ihm ab. 86 Folgen
lang hört sie sich seine immer wieder gleichen Geschichten an, während ihre
Ehe in die Brüche und sie selbst bei Peter Bogdanovic in die Analyse geht.
Oscargewinner Bogdanovic, der selbst wunderbar freundliche Gaunerfilme
gemacht hat, führte bei einer Folge Regie und taucht ab und an als typisch
spießiger, seine Neugier kaum zügelnder Vorstadttherapeut Dr. Eliot
Kupferberg auf.
Wie wenig die siebenjährige Therapie bei Tony Soprano bewirkt hat, wie sehr
jegliche Therapie scheitern muss, die versucht, einen anderen Menschen aus
ihrem Klienten zu machen, wird in dem letzten Dialog zwischen Melfi und
Soprano klar. Tony ist frustriert, weil seine Tochter nun doch nicht
Medizin studieren will. "Doktor Soprano, das klingt so hübsch. All die
teure Ausbildung dafür, dass sie am Ende heiratet, ein paar Kinder
rauspresst und nur ein paar Jahre gearbeitet hat." "Ich arbeite immer noch"
sagt Doktor Melfi und Tony antwortet mit einem Satz, der alles, was bisher
in diesem Raum zwischen den Beiden geschah, mit einem Schlag wegfegt: "Ja,
aber Sie sind geschieden." Es sind diese kleinen, harmlosen Sätze, die
enthüllen, dass sich niemand ändern wird, der nicht sein Leben ändern will,
ein kleiner, harmloser Satz, der Bindungen für immer kappen kann.
Die Sopranos erzählen so genau und so erbarmungslos wie kaum eine andere
Serie die Geschichte meiner Generation. Kinder von Eltern, die ihr Leben
auf Verbrechen aufbauten und daraus eine Ideologie bastelten. Die das Recht
des Einzelnen auf Bereicherung Individualismus nannten und zur westlichen
Kultur erklärten. Kinder, die scheinbar aus der Scheinheiligkeit
ausbrachen, sich aber am Ende von ihren Eltern nur darin unterscheiden,
dass sie um ihre Bigotterie wissen. Am Ende ist der Mensch dem Menschen ein
Wolf und es zählt nur das eigene Rudel. Und bei Tony nicht mal das.
Wenn die Mutter dich nicht liebt, dein Vater dir beibringt, zu töten, dein
Onkel versucht, dich umzubringen; wenn die Tochter, wie alle Frauen, dich
irgendwann irgendwie enttäuscht und der Sohn, statt die gebotene Nachfolge
anzutreten, auch schon seine depressiven Geschichten dem nächsten
Analytiker erzählt - wer bleibt dann noch? Deine fromme Carmela, die
vorgibt, von nichts was zu wissen und in Krisenzeiten immer wieder durch
Schmuck, Pelzmäntel und immer größere Autos rumzukriegen ist und zu
Geburtstagen einen Blowjob spendiert?
Das Verführerische an Tony, wie bei Verbrechern überhaupt, war, dass er der
letzte Mann nach 68 schien. Ein Wilder in einer zivilisierten Welt. Ein
anarchistischer Widerstandskämpfer aus Bloomfield, New Jersey, der in der
Woche schnaufend fünf Frauen flachlegen kann und am Ende tagelang im weißen
Bademantel umherschlurft, den er offen lassen muss, weil er zu fett
geworden ist, mit quäkender Stimme wie ein alter Mann nuschelt, und dessen
Überlebenskenntnisse sich darauf reduzieren, Kaffee aus dem Vollautomaten
zu beziehen und zur richtigen Zeit jemanden auf seine Seite zu ziehen, um
jemanden anderen umzubringen.
Seien wir uns nicht allzu sicher, dass unsere Realität Meilen von diesen
Archetypen entfernt ist. Nur in Nuancen.
In zehn Jahren wissen wir wieder ein bisschen mehr, was aus uns geworden
ist - und dann wollen wir auch unbedingt wissen, wie es um die überlebenden
Sopranos steht.
14 Jun 2007
## AUTOREN
Renée Zucker
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