Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Landmänner: Männer sind Schweine
> In den Baumarkt, um Sämereien zu kaufen? Von wegen, da geht es um was
> ganz anderes!
Es war mal wieder so weit. Es ist immer das gleiche Spiel. Immer wenn er
sich so nett und liebenswürdig von der Seite an einen heranwanzt, der Herr
Lebensgefährte, weiß ich schon, wohin die Reise geht: zum Baumarkt.
Man denkt ja als nicht originär naturverbundener Mensch, dass die Natur
diese ganze, durchaus hübsch anzusehende Frühlingsblüherei von allein
bewerkstelligt, zumindest auf dem Lande. Ein Gang zu Obi belehrt einen
allerdings eines Besseren. Es gilt, mannigfaltige, in ihrem ausgewachsenen
Endergebnis farblich aufeinander abgestimmte Sämereien zu erwerben.
Von langen Beinkleidern befreit hatte sich dort schon ganz Brandenburg
versammelt, um allerlei Blühwerk und benzinbetriebene Gerätschaften zu
kaufen. Lange stand ich vor dem Verkaufscontainer für Grassamen und dachte
über einen Relaunch unseres Rasens nach, auch weil wir über Ostern nach
Bayern fahren möchten und ich den dort vorherrschenden, grellfarbigen
Rasenton, der die Bezeichnung "sattes Grün" auch verdient, während früherer
Reisen zu schätzen gelernt hatte. Unser Rasen hat im Vergleich dazu einen
Braunton, was allerdings auch mit den exzessiven Aushubarbeiten unserer der
Unterwelt zugeneigten Maulwurffreunde geschuldet ist. Ob wir statt eines
Rasenmähers eine Planierraupe erwerben sollten - so dachte ich laut und
sprach doch ins Nichts, weil mein Lebensgefährte längst drei Regale weiter
in den Anblick dunkelblauer Keramikblumenkübel versunken war, die in dieser
Saison zur konischen Form zu tendieren scheinen.
Dann eben nicht. Ich widmete mich stattdessen der Musterung heimischer
Regionalpflanzen, die in immer neuen Beschaffenheiten an mir
vorbeimarschierten. Gut gewachsene und aus dem Leim gegangene, große und
kleine. Ein ganzer Stoßtrupp mit kahl geschorenem Blattwerk und
Runentätowierungen marschierte in Richtung Gartenmöbelabteilung, um einen
Grill für den nächsten Kameradschaftsabend zu besichtigen. Ein
Fitnessstudio-Nutzer mit blondierter Dauerwelle erwarb Toxisches zum Zwecke
der Unkrautbehandlung. Ein verdächtig prachtvoll blühendes Exemplar wagte
einen Blickwechsel, während seine Freundin ihn reflexartig um die schmale
Taille fasste, um ihn möglichst dicht an sich zu ziehen.
Apropos: Wo treibt er sich denn wieder rum, der Herr Lebensgefährte?! Bei
den konischen Kübeln ist er jedenfalls nicht mehr.
Frühling, Blüten, Sämereien. Jetzt geht es also wieder los mit dem Leben -
und was gehört zu selbigem prallem? Sexualität! Mann hatte es schon fast
vergessen über die letzten Monate dieses Winters, der in meiner Erinnerung
mindestens zehn Jahre gedauert hat. Jegliche Körperlichkeit begraben unter
dicken Stoffschichten, erstickt und zugleich angereichert bzw.
aufgeschwemmt durch Weihnachtsgebäck und stimmungsaufhellende Alkoholika,
ausgetrocknet von stickiger Heizungsluft. Ausgebleicht wie die Maulwürfe
unter Tage.
Sexualität, darum schien sich hier in diesem Baumarkt auf der grünen Wiese,
umgeben von architektonischer Gesamtbrutalität, alles zu drehen, auch wenn
es hier nicht selbige Unterstützendes, Begleitendes oder gar Anregendes zu
erwerben gab, wenn man von Teichfolie und Whirlpoolwannen absieht. Aber die
Kundschaft, egal ob Männlein oder Weiblein: Pralle Radlerhosen, bauchfreie
Tops, toupiertes Haupthaar, zur Schau getragener Körperschmuck, wiegende
Bewegungen, narzisstische Kontrollblicke in den am Rand des Ganges zufällig
ausgestellten Alibert-Badezimmerschrankspiegel, schwellende Bizeps- und
Pectoralis-Muskulatur unter angeblich bloß zu heiß gewaschen T-Shirts,
aggressiv-lockende Parfümwolken. Mir kann hier keiner erzählen, dass er
bloß wie aufgedreht durch den Baumarkt läuft, weil er sich für Gartenarbeit
interessiert.
"Und du denkst auch immer nur an das eine", raunzte ich meinen
Lebensgefährten an, als ich ihn endlich in der Trockenbauabteilung
aufspürte und die Preise für Rigipswände verglich. Männer sind solche
Schweine.
9 Apr 2009
## AUTOREN
Martin Reichert
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.