| # taz.de -- Kolumne Die Farbe Lila: Schluss mit der Diskussion | |
| > Die vergangene Woche war ein Fest für den Feminismus. Bessere Werbung | |
| > kann sich eine soziale Bewegung kaum wünschen als die, die Kristina | |
| > Schröder dem Feminismus bereitete. | |
| Kristina Schröders Werk „Danke, emanzipiert sind wir selber“ wurde auf | |
| allen Kanälen besprochen, ich habe es sogar gelesen – von Seite zu Seite | |
| mit wachsendem Erstaunen, dass sich da jemand, zumal eine Frauenministerin, | |
| mit solcher Verve an einem Klischee abarbeitet, das es so in der Realität | |
| gar nicht mehr gibt. Denn Schröder sieht den Feminismus als verbissene | |
| Ideologie, als Ansammlung von herrschsüchtigen Frauen, die allen anderen | |
| Frauen am liebsten einen Regelkatalog vorlegen würden, nach dem sie zu | |
| leben haben. Wann haben Sie zum letzten Mal eine derart stalinistische | |
| Feministin getroffen? Ich kenne keine. | |
| Und ich bezweifle sogar, dass es sie in der Masse überhaupt jemals so gab – | |
| als Einzelpersonen vielleicht, Fundamentalisten gibt es in jeder Bewegung, | |
| aber die Masse der Frauenrechtlerinnen wollte einfach nur: notwendige | |
| gesellschaftliche Veränderungen. Dass sie andere, anders Gesinnte damit | |
| genervt haben mögen, kann ich mir gut und lebhaft vorstellen. Das ist heute | |
| nicht anders. Aber die Karikatur der biestigen Feministin wurde gezeichnet, | |
| um Frauenrechtlerinnen lächerlich zu machen und so auch andere Frauen davon | |
| abzuhalten, sich selbst diesem Spott auszusetzen. | |
| Eine Ministerin, die sich schon qua Amt mit der Geschichte, den Höhen und | |
| Tiefen der Emanzipationsbewegung und ihren Gegnern beschäftigen sollte, | |
| müsste genau das eigentlich auch erkennen. Es sei denn, sie will es nicht | |
| sehen. | |
| Ironischerweise fühle ich mich nun durch meine Frauenministerin ziemlich | |
| bevormundet, schreibt und sagt sie doch: Schluss mit dem Streit! Dabei ist | |
| Streit das einzige Mittel, das einem in einer Demokratie immer zur | |
| Verfügung stehen sollte. Nur durch Streit entwickelt sich eine Gesellschaft | |
| weiter. Was wäre das denn zum Beispiel bitte für ein Verteidigungsminister, | |
| der angesichts von Bundeswehreinsätzen und den Diskussionen darüber ein | |
| Buch veröffentlichte, dass nun endlich mal Schluss sein müsse mit der | |
| Debatte, ob Deutschland an diesem Krieg teilnehmen soll? Und der dieses | |
| Buch dann auch noch als rein private Angelegenheit verstanden haben will? | |
| Kristina Schröders Buch wäre nur als Kündigungsschreiben glaubwürdig. In | |
| der Realität dagegen sind längst nicht alle Geschlechterfragen geklärt. Und | |
| nein: Nicht alle Feministinnen sind Moralterroristinnen. Der Feminismus, | |
| den man heute im Alltag begegnet, ist entspannt, streitlustig, kreativ. Er | |
| kämpft mit Argumenten, weil Tomatenwerfen heute nicht mehr helfen würde. | |
| Moderne Feministinnen schreiben genauso lustig-bissige Blogs, wie sie | |
| Petitionen unterschreiben. Sie setzen sich mit Politikerinnen und | |
| Politikern genauso zusammen wie mit Schülerinnen, die wissen wollen, warum | |
| Jungs mit vielen Freundinnen cool und Mädchen mit vielen Freunden Schlampen | |
| sind. Sie streiten für Kitaplätze genauso wie für mehr Väterrechte. | |
| Meinetwegen ist der Feminismus nicht immer cool und nervt manchmal | |
| ungemein. Auch mich, wenn auch seltener als, sagen wir mal, die | |
| Frauenministerin. Aber vor allem er ist noch immer zu wichtig, als dass man | |
| ihn deswegen sein lassen könnte. Und jetzt: Schluss mit der Diskussion. | |
| 23 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Klingner | |
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