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# taz.de -- Körting über Polizeiausbildung in Afghanistan: "Weniger, als die …
> Viele Afghanen verlassen die Ordnungskräfte nach ihrer Ausbildung wegen
> zu geringer Löhne, sagt der Vorsitzende der Innenministerkonferenz,
> Berlins Innensenator Körting.
Bild: Drei Zelte sind eine Polizeistation - Berlins Innensenator Körting besuc…
taz: Herr Körting, als Vorsitzender der Innenministerkonferenz waren Sie
gerade in Afghanistan. Können die Bundesländer ihre Polizisten noch ruhigen
Gewissens dorthin schicken?
Ehrhart Körting: Im Moment kann ich das mit Ja beantworten. Niemand ist
dort hundertprozentig vor Anschlägen gefeit. Aber man kann eine Menge für
die eigene Sicherheit tun.
Dass drei deutsche Polizisten im August bei einem Anschlag in der Nähe von
Kabul ums Leben gekommen sind, lässt Sie nicht zweifeln?
Ich habe die drei toten Kollegen seinerzeit zusammen mit dem Staatssekretär
der Bundesinnenmisteriums nach Berlin überführt. Das war sehr bedrückend.
Ich habe die Situation jetzt ausgiebig mit den Kollegen vor Ort diskutiert:
Mit Leuten von der Bundeswehr, vom europäischen Polizeiprojekt Eupol, dem
deutschen Polizeiprojekt, der GTZ, afghanischen Polizeiangehörigen. Nach
allem was ich gehört und gesehen habe sage ich: Wir können es verantworten.
Sie waren im Norden des Landes, in Kundus und Mazar-e Sharif. Sind Sie mal
allein durch die Straßen gelaufen?
Die Sicherheitslage ist nicht so, dass man das als Ausländer allein tun
sollte. Auch als Delegation empfiehlt es sich nicht. Es gibt eine Erklärung
von terroristischen Gruppen, sich besonders solche Ziele auszusuchen.
Wie viele Polizisten aus der Bundesrepublik sind im Moment vor Ort?
40 Beamte aus Bund und Ländern. Schwerpunkt unserer Arbeit ist, afghanische
Polizeiausbilder auszubilden. Das Ganze basiert darauf, dass Deutschland
Ende 2001 bei der Petersberg-Konferenz die Führungsrolle für den Aufbau der
Polizei übernommen hat.
Die Gewalt in Afghanistan eskaliert. Wie haben Sie die Stimmung erlebt?
Die Leute sind wesentlich angespannter als im Frühjahr. Die Nervosität hat
mit den Anschlägen deutlich zugenommen. Die Terroristen befinden sich nicht
nur im Grenzgebiet zu Pakistan. Sie tauchen auch in Kundus und Kabul auf.
Selbst im Süden und Südosten gibt es wieder Kämpfe. Das hat natürlich auch
Folgen für die Polizeiausbildung. Wir müssen das Konzept verändern.
Was heißt das konkret?
Wir müssen darauf reagieren, dass die afghanische Polizei allein in diesem
Jahr schon 700 Leute verloren hat - ermordet oder bei Kämpfen getötet.
Anders als in Europa müssen afghanische Polizisten in die Lage versetzt
werden, sich gegen Talibangruppen, Rauschgifthändler und sonstige
kriminelle Banden behaupten zu können.
Wie sah die Polizeiausbildung bislang aus?
Wir haben versucht, an das zivile Polizeibild der Bundesrepublik anknüpfen:
die Polizei, dein Freund und Helfer. Das Konzept ist 2002 entwickelt
worden. Damals hatte es den Anschein, dass sich Afghanistan mit der
Vertreibung der Taliban aus eigener Kraft zu einer Zivilgesellschaft
entwickeln würde. Das hat sich leider ziemlich verändert.
Ist das ein Plädoyer für eine paramilitärische Ausbildung - nach dem
Vorbild der Amerikaner, die in Afghanstian auch Polizisten ausbilden?
Die Wahrheit liegt vermutlich zwischen dem deutschen und dem amerikanischen
Konzept.
Wie viele aktive afghanische Polizisten gibt es zurzeit?
Etwa 60.000. Es müssen dringend mehr werden. Wir Deutschen haben bisher
circa 15.000 Leute ausgebildet, die Amerikaner nennen Zahlen von bis zu
140.000 Leute. Das Problem ist, dass viele Leute nach der Ausbildung nicht
lange bei der Polizei bleiben.
Gibt es dafür eine Erklärung?
Das ist die spannende Frage. Das Problem ist die geringe Entlohnung. Bis
vor kurzem hat ein afghanischer Polizist umgerechnet 70 Dollar im Monat
verdient. Damit lässt sich kaum eine große Familie ernähren. Selbst wenn
man in einfachsten Verhältnissen wohnt, um nicht zu sagen in Verschlägen,
wie es die Polizisten zum Teil tun.
Als Söldner bei den Taliban oder Warlords verdient man mehr?
So ist es. Inzwischen ist der Verdienst der Polizisten auf 100 Dollar
erhöht worden - immer noch weniger als die Taliban zahlen. Auch bei den
privaten Sicherheitsdiensten und Transportunternehmen kann man bis zu 300
Dollar verdienen.
Wird die Polizei von der Bevölkerung mehr akzeptiert als die ausländischen
Soldaten mit OEF- oder ISAF- Mandat?
Jüngst gab es eine Umfrage, bei der die große Mehrheit der Afghanen ihre
eigene Polizei als Ordnungsmacht positiv bewertet hat. Aber auch das ist
mit Vorsicht zu genießen. Afghanistan ist ein großes, sehr armes Land mit
verschiedenen Ethnien. Die staatlichen Strukturen werden von vielfältigen
Stammeskulturen überlagert. Wenn man in einem Konvoi der Bundeswehr durch
die Straßen fährt, begegnet man Leuten, die mit verschlossenem Gesicht an
einem vorbeisehen. Und man begegnet Leuten, die einem zuwinken, weil sie
froh sind, dass durch uns der nächste Bürgerkrieg verhindert wird. In
diesem Zwiespalt ist in Afghanistan alles zu sehen. Auch die Polizei.
Neben dem deutschen Polizeiprojekt ist die Bundesrepublik in Afghanistan in
dem europäischen Polizeiprojekt Eupol vertreten. Was ist die Funktion von
Eupol?
Die Bundesregierung wollte das deutsche Polizeiprojekt auf eine breitere
Basis stellen. Eupol ist im Mai 2007 gegründet worden und wird künftig für
die Polizeiausbildung zuständig sein. Derzeit wird Eupol von einem
Polizeibeamten aus Rheinland-Pfalz geleitet.
Was wird aus dem deutschen Polizeiprojekt?
Das German-Police-Projekt-Team (gppt) hat die Aufgabe, sichtbare Dinge zu
fördern. Kleinprojekte für die afghanische Polizei, zum Beispiel den Bau
von lokalen Polizeistationen. Bei dem jetzigen Besuch in der Provinz Takhar
habe ich eins der Projekte besichtigt: Die Polizeistation befindet sich auf
einem Berg und besteht aus drei Zelten. Einem Bürozelt, einem
Unterkunftszelt und einem Küchenzelt. Mit Unterstützung der GTZ bauen wir
dort jetzt ein Haus, in dem es sogar einen eigenen Gebetsraum geben wird.
Das ist praktische Hilfe für die Dinge des täglichen Lebens.
Eupol wirkt nicht so effektiv. Von den angekündigten 195 Beamten aus 25
Staaten ist gerade mal die Hälfte in Afganistan angekommen.
Wie bei allen multinationalen Projekten dauern die Dinge länger, weil sich
die Länder abstimmen müssen. Zudem gibt es große logistische Probleme. Für
die Leute müssen vernüftige Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Um sich
bewegen können, brauchen sie gepanzerte Fahrzeuge. Und sie brauchen
gesicherte Unterkünfte. Man kann nicht einfach in eine Pension gehen.
Zeitungsberichten zufolge wohnen deutsche Polizisten in Kabul zurzeit im
Luxushotel Serena, wo Zimmer um die 250 Dollar pro Nacht kosten. Wie ist
das zu rechtfertigen?
Das kann ich nicht kommentieren. Offensichtlich ist das eine
Übergangslösung aus Sicherheitsgründen.
Bundeskanzlerin Merkel hat nach ihrem Afghanistanbesuch angekündigt, die
deutschen Mittel für die Polizeiausbildung von 12 Millionen Euro pro Jahr
auf 20 Millionen zu erhöhen. Die Tornadoeinsätze der Bundeswehr in
Afghanistan kosten 70 Millionen Euro im Jahr. Ist das nicht ein krasses
Missverhältnis, wenn man den Aufbau einer Zivilgesellschaft fördern möchte?
Dass der Bund die Afghanistanhilfe verbessert, halte ich für überfällig.
Aber es geht nicht nur um Barmittel. Die Polizei braucht vor allem
Ausrüstungsgegenstände. Wie soll eine Polizeieinheit auf einem Berg 20
Taliban abwehren, wenn man nicht mal ein Nachtsichtgerät hat?
Das Bundeskriminalamt hat Ermittlungsköfferchen runtergeschickt, mit denen
Tatortspuren gesichert werden können.
Das kann man sofort streichen.
Afghanistan hat keine funktionierende Justiz. Ohne Bestechung läuft bei den
Ämtern angeblich nichts. Wie kommen deutsche Polizisten damit klar?
Unsere Polizisten haben mit den internen Verhältnisssen nichts zu tun.
Sorgen macht mir etwas ganz anderes: Nicht alles Geld, dass von der Welt
als Hilfe nach Afghanistan fließt, kommt bei den richtigen Leuten an. Das
ist ein zentrales Problem. Bei der Polizei versucht man das jetzt halbwegs
in den Griff zu bekommen.
Was soll geschehen?
Die Regierung hat versprochen, den Polizisten ihren Lohn wennmöglich auf
ein eigenes Bankkonto zu überweisen. Aber das wird sicherlich nicht überall
in Afghanistan funktionieren.
Auf der Innenministerkonferenz am 5. Dezember steht Afghanistan auf der
Tagesordnung. Wie lautet Ihr Fazit?
Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Länder ihr Engagement in
Afghanistan noch einmal verstärken. Wir haben eine Verpflichtung, den
Menschen zu helfen. Auch wenn manches vergeblich erscheint - es gibt keinen
anderen Weg.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE
27 Nov 2007
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