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# taz.de -- Koalition am Ende: Kenia droht neuer Gewaltausbruch
> Schon ein Jahr nach ihrer Bildung zeigen sich tiefe Risse in der großen
> Koalition in Kenia. Damit drohen dem Land erneut bürgerkriegsähnliche
> Zustände.
Bild: Wegen ihres Rücktritts daheim umjubelt: Kenias Ex-Justizministerin Marth…
Viele Worte machte die Ministerin nicht. "Ich habe heute meinen Rücktritt
als Justizministerin eingereicht, weil ich meine Position nicht mehr
haltbar finde", erklärte Martha Karua am Dienstag vor der Presse. "Ich
möchte nicht weiter ins Detail gehen, mein Brief an den Präsidenten ist
ebenfalls sehr kurz." In ihrer Heimatregion wurde Karua am Tag darauf mit
Jubel empfangen. "Es wurde Zeit, dass jemand die Konsequenzen zieht. Diese
Regierung ist vollkommen sinnlos", ruft ein Jugendlicher in der feiernden
Menge.
Vor gut einem Jahr, als der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan
Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga (heute
Premierminister) zur Zusammenarbeit bewog, galt die große Koalition noch
als Hoffnungsträger. Mit ihrer Gründung endeten die Unruhen mit mehr als
1.300 Toten. Ein Jahr später steht die Koalition kurz vor ihrem
Zusammenbruch. Ein Krisengipfel, zu dem die knapp 100 Minister eigens in
ein Strandhotel geflogen waren, platzte, weil sich Kibaki und Odinga nicht
auf die Tagesordnung einigen konnten. "Kibakis Führungsstil", wetterte
Odinga nach dem misslungenen Gipfel, "ist unprofessionell und primitiv."
Kibakis Parteisprecher schlug öffentlich zurück: "Die Gossensprache des
Premierministers ist seinem Amt nicht angemessen."
Der Rücktritt Karuas, einer langjährigen Verbündeten Kibakis, zeigt klar,
wie das Projekt der Reformkoalition gescheitert ist. Die als streitlustig
bekannte Topjuristin hatte versucht, im als inkompetent und korrupt
geltenden Justizapparat aufzuräumen. In dem Zusammenhang forderte sie die
Entlassung des obersten Richters. Doch Kibaki, der laut Verfassung als
einziger das Recht dazu hätte, ließ Karua auflaufen: "Der oberste Richter
genießt mein vollstes Vertrauen", ließ er lapidar mitteilen.
Mit Karua verschwindet auch die letzte Hoffnung, vor den Wahlen in drei
Jahren eine neue Verfassung zu verabschieden, die unter anderem den
schwelenden Kompetenzstreit zwischen Präsident und Premier lösen könnte.
Alles sieht danach aus, als seien Kibaki und seine Unterstützer bereit,
auch die zweite Legislaturperiode des 77-Jährigen auszusitzen. Kibakis
designierter Nachfolger, Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers und
Vorsitzender der Jahrzehnte lang einzigen zugelassenen Partei Kanu, steht
zu hundert Prozent für das Ancien Régime. Karuas enttäuschte Hoffnung, nach
ihrer Schützenhilfe für Kibaki ("es hat bei den Wahlen keine Fälschungen
gegeben") selbst als Nachfolgerin nominiert zu werden, dürfte ein weiterer
Grund sein, warum sie das Handtuch geworfen hat.
Der Stillstand könnte schlimme Folge haben. Ohne massive Reformen, so
warnte der ehemalige Vermittler Annan jüngst bei einem Keniagipfel in Genf,
werde es unweigerlich neue Unruhen geben. "Meiner Einschätzung nach gibt es
ein Fenster für umfassende Reformen, das noch ein Jahr, 15 Monate offen
bleibt", so Annan. "Sonst werden wir spätestens bei den nächsten Wahlen
2012 erneut Ausschreitungen sehen." Besonders umstritten bei der
politischen Elite ist das Sondertribunal, das Hintermänner der Unruhen
belangen soll. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission setzte dem
Parlament eine längst abgelaufene Frist, ein solches Tribunal einzurichten
- sonst werde man eine Liste von Verdächtigen, darunter angeblich mehrere
Minister, an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag weiterleiten.
Dort bereitet man offenbar bereits Ermittlungen vor. Annan, der die Liste
treuhänderisch verwaltet, rief Kibaki und Odinga zu einem letzten
ernsthaften Versuch auf. "Wenn sie sich nicht bemühen, werde ich die Liste
nach Den Haag weiterleiten."
8 Apr 2009
## AUTOREN
Marc Engelhardt
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