| # taz.de -- Kleinod der taz-Geschichte: Anarchie in eckigen Klammern | |
| > Von Autor*innen gefürchtet, von Leser*innen geliebt – die | |
| > Säzzer-Kommentare. Annäherung an ein Phänomen. | |
| Bild: Ein taz-Säzzer bei der Arbeit am entsprechenden Gerät | |
| Früher war vieles anders – besonders in der taz. Wie eh und je erscheint | |
| diese Zeitung auf Papier, aber 1979 gab es noch kein Internet. Und früher | |
| gab es viele Kolleg*innen, die die schreibmaschinengeschriebenen | |
| Manuskripte in die Satzmaschinen tippten. | |
| Dieser Berufsstand in der taz hieß: die Säzzer. Manche Leser*innen | |
| vermissen in den Texten der heutigen taz die Gründerzeitinstitution | |
| schlechthin: die Säzzer-Kommentare. Bemerkungen, entstanden aus der | |
| Grundidee einer als Kollektiv aufgestellten Zeitung, in der die Trennung | |
| von Kopf- und Handarbeit aufgehoben ist. In der also, so die damalige | |
| Grundhaltung, Redakteure und technische Mitarbeiter*innen gleichgestellt | |
| sind, es keine Hilfsarbeiterjobs gibt. | |
| Im Folgenden lesen Sie einen Text unseres taz-Kollegen Georg Schmitz, der | |
| heute in der Abo-Abteilung wirkt, damals jedoch einer der Säzzer der taz | |
| war, die ihre Bemerkungen stets mit einem „d. Säzzer“ oder „dS“ | |
| abzeichneten. (Die Redaktion) | |
| ## Anarchie in eckigen Klammern | |
| Montagnachmittag, das Telefon klingelt: „Mein lieber Georg, ich habe ein | |
| Attentat auf dich vor“ – der Kollege Feddersen ist freundlich-bestimmt | |
| [Typisch für diesen Kollegen. d. Säzzer] und verlangt einen Text [Auch sehr | |
| typisch. dS] über die Säzzer-Bemerkungen in der taz. | |
| Ja, danke und halleluja, denke ich mir und überlege: Was tun? Vielleicht | |
| Kollegen aus der damaligen Zeit ausfindig machen und befragen? Ich bekomme | |
| spontan (wie eben früher die Säzzer-Bemerkungen das mal waren) eine | |
| Schreibblockade und beschließe, erst mal einen Tag abzuwarten – vielleicht | |
| ist der Anfall ja dann vorbei. | |
| Glanz und Elend der Säzzer-Bemerkungen – ja geht es noch? Geglänzt haben | |
| einige, elend fühlten sich etliche – besonders die Autoren, die ihren Text, | |
| ihren Kommentar oder ihr Interview „verstümmelt“ sahen. [War wohl damals | |
| doch nicht so viel her mit den edlen Ideen von der Gleichberechtigung im | |
| taz-Kollektiv. dS] | |
| ## Bitte verbieten | |
| Seltsamerweise waren es übrigens meistens die Autoren, sehr selten nur die | |
| Autorinnen, die sich über „entstellte Texte“ bitterböse beklagten – oft | |
| genug auf den Redaktionssitzungen am folgenden Tage – aber da war der Text | |
| meist schon im Blatt und damit das Müsli schon gegessen. | |
| Ich kann mich auch noch an die ein oder andere Redaktionssitzung in der | |
| Berliner Wattstraße, am damaligen Sitz der taz-Redaktion, erinnern, auf der | |
| überlegt wurde, die Bemerkungen in einem Text oder einer Ausgabe | |
| zahlenmäßig zu begrenzen oder gar ganz zu verbieten. [Typisch, diese | |
| Salonlinken, die immer alles gleich verbieten wollen, was ihnen nicht | |
| passt. dS] | |
| Aber – was verboten ist, das machte uns gerade scharf, und so ging es eine | |
| ganze Weile in den Anfängen der taz munter rauf und runter mit den | |
| Einfügungen in fremde Texte. [Gut so! dS] Das war ja auch ein ganz | |
| einfacher Ablauf damals: Man saß im Satzbüro der taz, hatte einen | |
| ellenlangen Text ins Satzsystem einzutippen, damit der dann als | |
| Fotosatzfahne wieder im Layout weiterverarbeitet werden konnte. Und die | |
| Augen lasen den Text, die Finger tippten ihn ab, und im Kopf dazwischen | |
| ging derweil die Assoziationspost ab und führte einen zu Kapriolen, um | |
| irgendwelche „Zwischenrufe“ loszuwerden. | |
| Da ist mir kein Text untergekommen, bei dem nicht irgendwelche Bilder in | |
| meinem Kopf aufgetaucht sind und wo erst mal munter getippt und gekichert | |
| wurde [Früher war eben doch manches besser, auch in der taz. dS] – wobei | |
| dann beim nochmaligen Lesen des Textes samt Bemerkung auch oft genug gesagt | |
| wurde: Nu is aber gut, verstehen werden nur wir das, und den Zusammenhang | |
| können wir aber keinem begreiflich machen. | |
| ## Der leise Niedergang der Säzzer-Kommentare | |
| Also wieder raus aus dem heiligen Text mit der Bemerkung in den | |
| einprägsamen eckigen Klammern. Das musste aber jede der Kolleginnen und | |
| Kollegen mit sich selbst abmachen. [Im Zweifel für die eckige Klammer. dS] | |
| Und auch oft genug hernach Spötteleien – oder Lob für besonders Knalliges �… | |
| ertragen. [Lob in der taz? „Damals“ ist echt lange her. dS] | |
| Welche finsteren – oder lichten – Götter dazu führten, dass die | |
| Säzzer-Bemerkungen rar wurden, kann ich nicht mehr sagen. Ein Grund dafür | |
| war sicherlich die fortschreitende Technisierung – irgendwann in den frühen | |
| Neunzigern standen auf jedem Redaktionstisch Computer, an denen die | |
| Redakteur*innen selber ihre Texte ins Satzsystem eintippen konnten. | |
| Ganz fortschrittliche Autor*innen hatten zu Hause bereits einen Computer | |
| und kamen mit ihren Texten auf Disketten in der taz an, dann musste man | |
| diese nur noch ins damalige Satzsystem einlesen lassen. Dort noch | |
| Säzzer-Bemerkungen einzufügen, wäre wohl etwas überkandidelt gewesen. | |
| [Dabei hätte die Devise gelten müssen: Jetzt erst recht. dS] | |
| GEORG SCHMITZ, langjähriger Säzzer der taz und heute Mitarbeiter der | |
| taz-Aboabteilung | |
| 15 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Schmitz | |
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