| # taz.de -- Kino-Komödie "Wie das Leben so spielt": Unkalkulierbare Nebenwirku… | |
| > Adam Sandler als krebskranker Mainstream-Komiker, der sich für keine | |
| > Infantilität zu schade ist: Der Film "Wie das Leben so spielt" ist | |
| > großartig in seiner Unberechenbarkeit. | |
| Bild: Dick jokes dicht gesät: Film "Wie das Leben so spielt". | |
| Wie viele Peniswitze kann man in einem Film unterbringen, der mit einer | |
| Leukämiediagnose beginnt? Ziemlich viele und zwei Vaginawitze noch dazu, | |
| lautet die Antwort von "Funny People" (deutscher Verleihtitel: "Wie das | |
| Leben so spielt"), der neuen Komödie von Judd Apatow. Oft bleibt einem hier | |
| das Lachen im Hals stecken, aber nicht, weil die dick jokes zu dicht gesät | |
| wären. | |
| "Funny People" ist, genau genommen, ein Comedydrama und ein Schlüsselfilm: | |
| Apatows Version von Billy Wilders Klassiker "Sunset Boulevard". Ein Film | |
| über einen Star, der einen Star spielt, umgeben von narzisstischen | |
| Spiegelungen, die von einer Todesdrohung eingefärbt sind. Adam Sandler | |
| spielt den krebskranken George Simmons, einen hochbezahlten | |
| Mainstream-Komiker, der sich für keinen infantilen Streifen zu schade ist, | |
| keinem Corporate Gig aus dem Weg geht, solange die Zweiminutenauftritte | |
| sechsstellige Honorare einbringen und er beispielsweise damit über die | |
| Runden kommt, bei einer firmeninternen Myspace-Veranstaltung "Fuck Facebook | |
| in the Face" zu brüllen. Simmons nimmt den pessimistischen ärztlichen | |
| Hinweis auf die eingeschränkten Therapieoptionen zwar zur Kenntnis, eine | |
| Instantläuterung aber gelingt ihm nicht. | |
| Weil der zynische Star nicht einsam sterben will, holt er sich mangels | |
| echter Freunde eine jüngere Version seiner selbst an die Seite: Ira Wright | |
| (Seth Rogen), ein nicht übermäßig brillanter Nachwuchskomiker, der tagsüber | |
| in der Systemgastronomie arbeitet und abends im lokalen Comedyclub | |
| auftritt. Als Simmons ihn anheuert, ahnt Wright schnell, dass er sich einen | |
| Job mit unkalkulierbaren Nebenwirkungen eingehandelt hat. | |
| Sandler, der in seinen besten Filmen entweder latent aggressiv ("Punch | |
| Drunk Love"), ungeschützt sentimental ("Spanglish"), völlig beyond ("You | |
| dont mess with the Zohan") oder auf eine fast schon konzeptuelle Weise | |
| romantisch ("50 First Dates") ist, bringt von Anfang an ein starkes | |
| autobiografisches Moment in "Funny People" ein, ohne daraus | |
| ironisch-distanzierenden Mehrwert zu ziehen. | |
| "Funny People" hält in seiner mäandernden Dramaturgie eine ganz eigene | |
| Balance zwischen pointierten Comedyinseln (Jason Schwartzman als blasiertes | |
| Sitcomsternchen, Leslie Mann, den ultrahinderwäldlerischen australischen | |
| Akzent von Eric Bana nachäffend) und Szenen, die erkennbar desinteressiert | |
| daran sind, einen Plot Point zu markieren. Es ist großartig, wie schwer der | |
| Film auszurechnen ist, wie abrupt er die Register wechselt, wie er Figuren | |
| so entwickelt, dass sie sich abwechselnd öffnen und verschließen. Oft | |
| scheint es, als wäre "Funny People" bis in seine Komödienform hinein von | |
| den Stimmungsschwankungen der Hauptfigur infiziert, als hätte Apatow dem | |
| Rivette in sich freie Bahn gelassen. | |
| Am Anfang des Films sind private Videoaufnahmen von Apatow zu sehen, die | |
| Sandler bei Bart-Simpson-artigen Scherzanrufen zeigen - ein Dokument aus | |
| der 80er-Jahre-WG-Zeit, die Regisseur und Schauspieler verbindet. Apatow | |
| porträtiert in seinem bislang vielschichtigsten und persönlichsten Film | |
| weniger einen Komiker in der Krise oder den Witz als Medium derselben als | |
| das Milieu, dem er selbst entstammt. Das Hauptinteresse gilt der | |
| kompetitiven Verfasstheit und den sprachlichen Codes der | |
| Comedynachwuchsszene, aber auch ihrer ganz speziellen Politik der | |
| Freundschaft. | |
| "Funny People" ist nach "The 40 year old Virgin" (2005) und "Knocked Up" | |
| (2007) Apatows dritter Spielfilm. Seine Karriere begann mit der viel zu | |
| früh eingestellten Highschool-Serie "Freaks & Geeks", die auch am Anfang | |
| von Seth Rogens Laufbahn stand. Heute ist Apatow vor allem als ausführender | |
| Produzent der Spiritus Rector der US-Komödienlandschaft; ein Machtfaktor | |
| innerhalb des Hollywood-Systems, der diesem immer wieder Produktionsmittel | |
| abzwingt. Das System betrachtet ihn (noch) als Talentscout mit | |
| szenespezifischer Credibility, die Autoren sehen ihn als einen Verbündeten, | |
| der Studiogeld ranschafft, ohne sich instrumentalisieren zu lassen. Dass er | |
| in diesem komplexen Gefüge immer noch genügend eigenen Autorenehrgeiz hat, | |
| beweist "Funny People" allemal. Beinahe strategisch endet der Film nicht | |
| mit einer finalen Pointe, sondern mit einem Gespräch über viele zukünftige. | |
| 17 Sep 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Simon Rothöhler | |
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