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# taz.de -- Kinderärtzemangel in Berlin: Da kann kind lange warten
> Volle Wartezimmer, Aufnahmestopps: In Familienkiezen sind Kinderärzte
> ausgebucht. Der Bedarf wird jetzt neu berechnet.
Bild: Muss der kleine Fratz demnächst auf den Onkel Doktor verzichten?
"Keine Kapazitäten mehr": Diesen Spruch hörte Johanna Metz gleich in vier
Praxen, als sie im Kollwitzkiez in Prenzlauer Berg einen Kinderarzt für
ihre einjährige Tochter suchte. Selbst für Geschwisterkinder werde es
manchmal knapp, hätten ihr die Arzthelferinnen gesagt. Von übervollen
Wartezimmern und Aufnahmesperren berichten indes nicht nur entnervte Eltern
in Prenzlauer Berg, Kreuzberg und sogar schon Teilen Neuköllns, sondern
auch der Vorsitzende der Berliner Kinder- und Jugendärzte, Klemens Senger.
Vor allem die Innenstadtbezirke seien betroffen. Der Bedarf wird jetzt zwar
neu berechnet, aber mehr Kinderärzte wird es deshalb noch lange nicht
geben.
Rund 350 Kinder- und Jugendärzte haben sich in der Stadt niedergelassen.
"Eigentlich viel zu viele", sagt Uwe Kraffel von der Kassenärztlichen
Vereinigung (KV). Denn die Bedarfsplanung der Krankenkassen, nach der die
Kassensitze vergeben werden, stammt von 1992. "Die Geburtenraten steigen
zwar leicht, aber den Stand von damals haben wir noch lange nicht
erreicht", so Kraffel. Im Vergleich zu 1992 gebe es 21 Prozent weniger
Kinder in Berlin. "Laut Statistik haben deshalb alle Bezirke zu viele
Kinderärzte", sagt Kraffel. In Mitte liege der Versorgungsgrad sogar bei
174 Prozent. Zusätzliche Kassensitze gibt es erst, wenn er unter 100
Prozent fällt.
## Ärzte arbeiten weniger
Der Teufel steckt im Detail: Die Berechnungen der KV berücksichtigen nicht,
dass sich bestimmte Kieze zu wahren Ballungszentren der Familiengründung
entwickelt haben. "Wo man keinen Schritt mehr gehen kann, ohne von einem
Kinderwagen überrollt zu werden, kann es schon knapp werden", räumt auch
Kraffel ein. In Teilen von Friedrichshain-Kreuzberg, Buch und Prenzlauer
Berg könne es deshalb zu relativer Unterversorgung kommen.
Senger vom Verband der Kinder- und Jugendärzte sieht noch andere Gründe für
volle Wartezimmer. So würden nur noch 80 Prozent der Kinderärzte überhaupt
Vorsorgeuntersuchungen anbieten, in den Innenstadtbezirken seien es
teilweise nur 60 Prozent. Die übrigen hätten sich beispielsweise auf die
Behandlung von Allergien oder Herzerkrankungen spezialisiert. Außerdem
seien rund 90 Prozent der jungen Kinderärzte Frauen, die nicht wie früher
üblich 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeiten könnten und wollten. "Auf einen
ausscheidenden Kinderarzt muss man heute fast zwei Ärzte rechnen, um die
gleiche Versorgung zu erhalten", so Senger.
Gemäß dem seit Januar geltenden Versorgungsstrukturgesetz muss der Bedarf
an Kinderärzten bis zum kommenden Jahr neu berechnet werden. "Ich gehe
davon aus, dass nach neuer Planung deutlich weniger Kinderärzte gebraucht
werden", so der für die Bedarfsplanung zuständige Kraffel. Zusätzliche
Kassensitze rücken damit in weite Ferne. Ob die Praxen der Kollegen, die in
Rente gehen, neu besetzt oder geschlossen werden, sei aber eine
Einzelfallentscheidung, so Kraffel.
Johanna Metz aus dem Kollwitzkiez hat Glück gehabt: In einer
Gemeinschaftspraxis in der Nähe hat sie doch noch eine Anlaufstelle für
ihre Tochter gefunden. Auch dort müsse man bisweilen warten. "Aber
vielleicht liegt das auch an den besonders betreuungsintensiven Eltern hier
im Kiez", so Metz.
25 Feb 2012
## AUTOREN
Manuela Heim
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