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# taz.de -- Kicken am Fuße des Husafelli
> Großer Tag für die Fußballer der Färöer-Inseln: Heute geht's in Dänemark
> um die EM-Qualifikation, und zu Hause, wo die Parlamentarier Daumen
> drücken, wird's wohl regnen  ■ Von den Schafinseln R. Wolff
Es war keine sehr gute Idee, sich Torkil Nielsen ausgerechnet mit einem
„Press-Schlag“ aus der taz zu nähern. „Plastikfußballer von den
Schafinseln“ stand da, und Nielsen fragte leicht pikiert: „Was ist das denn
für eine Zeitung?“ Nachdem Abbitte geleistet war, glitt das Gespräch in
freundliche Bahnen, und überhaupt: Wer würde sich heute noch über die
Fußballer der Färöer- Inseln lustig machen? Nachdem die Rolle der
Lachnummer kurzerhand an die Österreicher abgegeben wurde.
Torkil Nielsen ist's zufrieden. In Sandavagur lebt er, der (natürlich)
blonde Krösus unter Färöers Fußballern, der mit seinem Schuß in der 59.
Minute im Stadion des schwedischen Landskrona Geschichte schrieb. Und viel
zu schreiben bekam er selbst nach diesem 12. September. Autogramme ohne
Ende. „Es gibt bestimmt kein Schulkind in Sandavagur, das nicht mindestens
eins wollte.“ Einige haben sogar auf Vorrat gesammelt, denn könnte es nicht
sein, daß Nielsen irgendwann als Profi groß herauskommt und die
Autogrammbörse ihn ganz hoch notiert? Könnte schon sein, der 26jährige, der
seit 1984 für die Nationalelf spielt, wartet „auf ein gutes Angebot“.
Noch ist Nielsen, wie all die andern Färöerkicker auch, Amateur. Richtiger
Amateur. Neben der Ehre, dabeigewesen sein zu dürfen, gab's nicht einmal
nach dem Erfolg über Österreich ein Prämie, keine Krone. Und Profifußball
können sich die 50.000 Einwohner der Inseln sowieso nicht leisten: mangels
Masse. Ligafußball aber durchaus. Vier ganze Ligen zu je 10 Teams spielen
und eine Altherrenliga dazu. Statistisch ist jeder fünfte männliche
Insulaner dabei — die Frauen fangen langsam damit an. Volkssport Nummer
eins, keine Frage: Fußball.
Das merkt man auch in Sandavagur. Nicht mehr als 750 Seelen sind hier zu
Hause, aber der Bolzplatz würde jeden europäischen Schönheitswettbewerb
gewinnen. Angelegt auf einer der wenigen ebenen Flächen, die im Ort zu
finden sind, am Fuße des Berges Husafelli, mit idyllischem Blick auf das
Wasser des Vagafjördur. Belag: Kunstrasen für eine Million Mark, pro Kopf
gut 1.300. Trotzdem, diesen und einen der anderen elf ähnlich schön
gelegenen Kunstrasenplätze wird so schnell kein ausländisches Team
betreten, auch nicht die Gegner der laufenden Qualifikation zur
Europameisterschaft. Nicht Österreich, nicht Dänemark, Nordirland oder
Jugoslawien.
Nach jahrelangem Warten und vergeblichem Anklopfen endlich für würdig
befunden, in die erlauchten Kreise von FIFA und UEFA aufgenommen zu werden,
kam gleich der Bannspruch. Keine Heimspiele für die Nationalmannschaft,
denn Kunstrasen schätzt die UEFA nicht. Nielsen schmollt: „Keiner der
Herren hat sich mal die Mühe gemacht, unseren Kunstrasen auch nur
anzusehen.“ Die nämlich sind von höchster Qualität, unvergleichlich. Daß …
überhaupt Plastik sein muß statt Rasen, ist wetterbedingt: Dem Volksmund
nach regnet es nur an zwei Tagen nicht, die Statistik der Meteorologen
weist immerhin 281 Regentage auf, durchschnittlich und pro Jahr.
Nach der Sensation über Österreich ist die Fußballwelt der 18 Inseln im
Nordatlatik noch schlechter auf den UEFA-Bann zu sprechen als vor Beginn
der Qualifikationsrunde. Die Zuschauer beim Training sind sich ganz sicher:
Eine durchaus reelle Chance, bis zur Endrunde in Schweden vorzustoßen,
hätte man gehabt. Die anderen trauen sich ganz einfach nicht her!
Andersherum: Wer spricht denn von den Umstellungsschwierigkeiten der
Färöerkicker vom Kunstrasen auf Naturgras? Na bitte.
Jede Woche trainiert die Nationalmannschaft nun während der
Qualifikationsrunde zusammen. Sogar ein richtiges Trainingslager wird es
geben. Das große Spiel: heute gegen Dänemark, das Mutterland.
Völkerrechtlich gesehen jedenfalls, denn die Selbständigkeit der Färöer ist
auf die Verwaltung der inneren Angelegenheiten beschränkt. Und die Dänen
sind besser. Pall Gudlaugsson, vom benachbarten Island als Trainer
importiert: „Ich hoffe, es wird nicht zu frustrierend für unsere
Mannschaft, vor allem nicht für den Torhüter.“ Ein Zweckpessimist. Die Fans
denken anders. Nach dem Training einigen sie sich auf ein Unentschieden.
Nicht beim Bier wie anderswo üblich, das gibt es nicht. Die Zeiten
fanatischer Religiosität haben zu einer strengen Alkoholpolitik geführt,
öffentlich wird weder Bier noch Wein ausgeschenkt.
Das kann sich ändern. 5.000 Fans machen sich auf die 24stündige
Schiffsreise nach Kopenhagen, 40.000 Zuschauer werden heute insgesamt
erwartet. Und das Parlament der Färöer hat die Verlegung der
Haushaltsdebatte beschlossen, die mit dem Spiel zusammenfallen würde, und
der Präsident mag keine leeren Bänke. Jetzt drücken die Politiker vorm
Fernseher Daumen. Ob's hilft? Wer bei Londoner Buchmachern Färöer als
Europameister von 1992 wettet, hat eine Quote von 1:10.000
10 Oct 1990
## AUTOREN
r. wolff
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