# taz.de -- Keine Ziele | |
> ■ Wann wird Walter „Laube“ Laubinger erwachsen? Von Folke Havekost | |
Der Sturz von der ersten in die siebte Liga ist gewaltig. Für Walter | |
Laubinger war das nicht anders. Dennoch behauptet der einstige | |
Bundesligastar mit Goldkettchen am linken Handgelenk und Football-Käppi der | |
Chicago Bulls weiterhin: „Ziele setze ich mir nicht mehr, ich weiß, was ich | |
kann.“ Vor allem sich selbst zu überschätzen und in die eigene Tasche zu | |
lügen? „Es ist schwerer, in solch einer Klasse zu spielen als weiter oben“, | |
gibt der 27jährige zu. Also doch die neue Bescheidenheit von einem, der | |
begriffen hat, nicht mehr der große Zampano zu sein, sondern nur noch der | |
kleine Laube? Passen würde es, ist seine jetzige Wirkungsstätte doch ein | |
paar Nummern kleiner als früher. | |
Ohlstedt – eine beschauliche Randgemeinde in den Walddörfern, 1468 für 280 | |
Mark an Hamburg verpfändet und heute eine Gegend der besser Betuchten. | |
Ohlstedt – Domizil der Bezirksliga-Fußballer vom TSV DuWo 08, obwohl DuWo | |
eigentlich für Duvenstedt und Wohldorf steht. Ohlstedt – auch die neue | |
Heimat Walter Laubingers, des einst als größtes Hamburger Talent gefeierten | |
Ballkünstlers, an dem als 17jährigem schon etliche Bundesligisten wie | |
Bayern München, Leverkusen oder Werder Bremen interessiert waren. | |
Das Rennen machte damals – 1985 – der HSV. Und heute erhofft sich DuWo, er | |
möge so herumwirbeln wie am 5. September 1987, als er im sechsten seiner | |
nur zehn Einsätze beim 5:1 gegen Kaiserslautern sein einziges | |
Bundesliga-Tor erzielte. Danach ging es rasant bergab: Junioren-EM, | |
Bundesliga, Europacup – zuviel auf einmal. Schlagzeilenträchtige Eskapaden | |
(„Man ist jung, da macht man auch Fehler.“) lassen den Nachwuchsstar in | |
Ungnade fallen. Der junge Mann, dem nachgesagt wird, er ginge am liebsten | |
mit Badelatschen in die Disco, wird abgeschoben, erst nach Bayreuth, dann | |
nach Remscheid. Einige Jahre bei den Hamburger Dritt- und Viertligisten | |
Concordia und VfL 93 folgen. | |
Beim aufstrebenden Winterhuder Verein ist Laubinger („Fußball ist mein | |
Leben.“) noch einmal der gefeierte Held, der den Club in die Oberliga | |
zaubert. Ein dreifacher Adduktorenabriß setzt dem Comeback im Frühjahr 1993 | |
ein jähes Ende – das Aus für fünfzehn Monate. Probleme mit Trainer Uwe | |
Erkenbrecher kommen hinzu. Schließlich wird Laubinger für zunächst eine | |
Saison zu DuWo ausgeliehen. Für ihn Spielpraxis nach der langen | |
Verletzungspause, für DuWo ein Aushängeschild, ein Zeichen für Ambitionen, | |
die dort noch immer gehegt werden. | |
Doch auch mit dem prominenten Neuzugang, der erst im Dezember | |
spielberechtigt war, stagniert der selbsternannte Aufstiegskandidat im | |
Mittelmaß. Nicht überall wird das Zweckbündnis freundlich begrüßt, Gerüch… | |
kommen auf: Laubinger soll sich nicht abgemeldet haben, als er in einem | |
Spiel fehlte. Von Fahrten ohne Führerschein ist die Rede – es paßt allzu | |
gut ins Klischee des durchgeknallten, ewigen Talents ohne Aussicht auf | |
Besserung. „Bei mir gibt's immer Gerüchte“, sagt Laubinger knapp, des | |
Kommentierens müde. Seine neue Heimat, das ist auch die Endstation der U 1. | |
Last exit Ohlstedt? „Ich möchte gern in der Regionalliga weiterspielen“, | |
hofft er immer noch auf einen Vertrag beim VfL 93. | |
Siege sind dabei die beste Empfehlung, doch damit hapert es – auch | |
vergangenen Sonntag. Knapp 100 Zuschauer sehen Laubinger, die Nummer zehn | |
auf dem Rücken, wie er mit seiner desolaten Mannschaft bei der Reserve von | |
Meiendorf 0:6 untergeht. Laubinger aber steht plötzlich als Musterknabe da. | |
Als erster hat er den Platz betreten, rudert kurz vor Anpfiff noch mit den | |
Armen, läßt sich bereitwillig von Libero Jeschke dirigieren – aktive | |
Integration nennt sich das Programm wohl. Auch Trainer Kalle Stark ist des | |
Lobes voll: „Er ackert hier und läßt sich nicht anmerken, daß er mal oben | |
gespielt hat.“ | |
Auf dem Meiendorfer Grandacker am Deepenhorn ist er der einzige | |
DuWo-Spieler, der so etwas wie Ideen entwickelt, auch mal einen | |
intelligenten Paß spielt. Doch Glanzlichter kann auch er nicht setzen. Nach | |
fünfzig Minuten und Spielstand 0:5 dribbelt sich Laubinger zwischen | |
Gegenspieler und Seitenlinie fest, findet keine Anspielstation, brüllt zu | |
seinem Trainer: „Das bringt nichts. Wen sollst du anspielen?“ Bis zum | |
Schlußpfiff keine Besserung: „Die können nicht auf mein Spiel eingehen, das | |
geht nicht.“ Der Mythos vom unverstandenen Genie blitzt wieder auf. Die | |
Zauberei auf kleiner Bühne läßt weiter auf sich warten. | |
Morgen um 15 Uhr spielt DuWo beim Bramfelder SV II (Ellernreihe). | |
3 Mar 1995 | |
## AUTOREN | |
Folke Havekost | |
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