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# taz.de -- Kein Ort für Schwule
> Schulleiter gesucht im Oldenburger Land: Als sich ein schwuler Lehrer
> bewirbt, regt sich Protest; der Pfarrer sammelt ihn, der Bewerber zieht
> zurück. Gegen Homophobie trommelt jetzt - der Schützenverein.
Bild: Da lang - oder nicht? Der Weg in die Grundschule führt in Rechterfeld of…
RECHTERFELD taz | Der Schulleiterstreit von Rechterfeld – man könnte ihn
als bäuerlichen Schwank inszenieren, wenn der Ausgang nicht so ernst wäre.
Aber vielleicht wäre das auch genau das richtige Ende dieses Stücks.
Schwänke müssen ja nicht lustig ausgehen, sie können den Leuten auch den
Spiegel vorhalten. Seht mal her, geht es bei Euch wirklich so zu?
Die Ingredienzien jedenfalls stimmen: Die Grundschule in dem
1.200-Einwohner-Dorf, das zur Gemeinde Visbek im erzkatholischen Landkreis
Vechta gehört, – Südoldenburg, agrarisch geprägt, schwärzer als das
Strauß-Bayern – sucht seit Monaten einen Schulleiter. Einer bewirbt sich;
Schulvorstand, Schulausschuss und CDU-Bürgermeister sind angetan, ein
Kandidat nach Maß, endlich: Das Ende der Vakanz scheint nah.
Doch dann: Ein Anruf nach dem anderen, so berichtet die Oldenburgische
Volkszeitung, geht beim katholischen Ortspfarrer ein. Alle beschweren sie
sich über den Bewerber, schwul sei er und evangelisch – wobei man nicht
weiß, was schwerer wiegt für die Leute. Der Pfarrer teilt dem Lebenspartner
des Bewerbers mit, dass es Proteste gibt, bietet ein Gespräch mit dem
Bewerber an, der in dem Moment selbst nicht zu Hause ist. Aber dazu kommt
es nicht mehr: Der Mann will doch lieber Lehrer in Bremen bleiben und
weiter zwischen dem Wohnort in der Nähe von Rechterfeld und der Großstadt
pendeln, die ihm – jetzt noch mehr vielleicht – als Ort erscheint, an dem
es egal ist, wie er lebt und liebt.
Der Pfarrer als Hauptfigur, wie es sich gehört für einen katholischen Ort,
in dem die Kirche – immer noch, und nicht nur ihr backsteinerner
Neogotik-Bau – in der Mitte des Ortes steht. Hermann Josef Lücker, so heißt
der Geistliche, sagt, zehn Rechterfelder hätten ihn angerufen. Ihre
„Sorgen, Ängste und Nöte“ hätten sie ausgedrückt. Er habe ihnen gesagt,…
sollten sich direkt an den Kandidaten wenden, das aber hätten sie nicht tun
wollen. Also habe er es getan, weil es wichtig sei, dass man „offen und
ehrlich miteinander redet“. Aber hat er damit nicht erst losgetreten, was
er jetzt selbst als „Katastrophe“ bezeichnet? Nein, sagt er, er habe das
nicht unter den Teppich kehren wollen.
Auf die Idee, seine Schäflein zur Räson zu bringen, ihnen etwas von jener
liberalen Haltung zu predigen, die er für sich selbst reklamiert, und so –
mit der Autorität seines heiligen Amtes – jene Sorgen, Ängste und Nöte aus
der Welt zu schaffen, auf diese Idee ist er wohl gar nicht erst gekommen.
Nun beklagt auch er sich darüber, dass Schmutz über Rechterfeld ausgekübelt
wird, dass das Katholische und Bäuerliche und Konservative zu jener Mixtur
verrührt wird, aus der die Südoldenburger zwar einerseits ihr
Selbstbewusstsein speisen, unter der sie aber immer auch leiden. Pfarrer
Lücker will jetzt Schaden abwenden, vom Dorf, von der Region. Er sagt, es
sei den Anrufern nicht um „schwulenfeindliche Äußerungen oder darum, dass
der Bewerber evangelisch ist“ gegangen, es sei „nicht wahrhaftig“, was
jetzt berichtet werde. Ja, was war denn dann das Problem? Er könnte es
erklären, aber er tut das nicht, sondern will darüber schweigen, was die
umtrieb, die jetzt der homophoben Hetze beschuldigt werden. Und lacht am
Telefon, als man sagt, dass das aber auch nicht weiterhelfe bei der Suche
nach Gründen für das, was passiert ist.
Auch wenn am Freitag eine Solidaritätskundgebung für den Ex-Kandidaten
geplant ist, sich die Vorsitzende des Schulvorstands Elke Meyer-Pundsack
für den Mann ausspricht und „eine Riesenschweinerei“ nennt, was passiert
ist, auch wenn sich die einflussreiche Schützenbruderschaft St. Antonius
gegen Schwulenhetze wendet – wenn auch aus Sorge um den
Wirtschaftsstandort, wie der Vorsitzende Markus Dorissen-Wesjohann bekennt
–, und auch wenn jetzt viele betonen, man könne die Leute nicht über einen
Kamm scheren, schwulenfeindlich sei ihr Dorf nicht: Der Kandidat, der zur
Sache nichts mehr sagen möchte, wird sich nicht umstimmen lassen. Und die
Rechterfelder werden noch lange darüber nachdenken, was ein paar Leute aus
ihrem Ort angerichtet haben.
3 May 2012
## AUTOREN
Felix Zimmermann
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