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# taz.de -- Junge Knochen im Training
> Auflehnen, aber nicht alles über Bord werfen, Respekt haben, aber eigene
> Wege gehen. Im indisch-englischen Mädchenfußball bringt die charmante
> Komödie „Kick it like Beckham“ beides zusammen
von ANNETTE WEBER
„Warum ist Sporty Spice wohl die einzige der Spice Girls, die keinen Freund
hat?“ Das ist, so klar wie absurd, die Zusammenfassung von Jules’ Mutter
zum Thema Mädchen und Sport: Werden alle lesbisch. Wo es doch so viel
Spannenderes auf der Welt gäbe, aufblasbare BHs, Häkeltops, Pumps und – ah,
Jungs.
In „Kick it like Beckham“ geht es um Jungs, um Liebe, Freundschaft,
Eifersucht, Heirat. Vor allem aber geht es um wirklich coolen
Mädchenfußball. Dass der ein unausgeschöpftes Potenzial birgt, erklärte
eine Londoner Kinomacherin: „Hätten die den Film nach der Weltmeisterschaft
gezeigt, die Vereine hätten sich nach so einem Doppelkick sicher nicht
retten können. Selbst ich dachte schon daran, meine alten Knochen zum
Fußballtraining zu schleppen.“
„Kick it like Beckham“, der sweet-charmante Erweckungsfilm der
indisch-englischen Regisseurin Gurinder Chadha („What’s Cooking“,
„Bollywood United“), erzählt die Geschichte der pubertierenden Jess. Das
indischstämmige Mädchen (Paminder Nagra) aus Hounslow, einem Randbezirk
Londons, will einfach mal mit Beckham, „dem Mann ohne Haare, diesem
Skinhead“ (so Jess’ Mutter), auf dem Rasen stehen und kicken. Drumherum
gruppieren sich alle möglichen Fragen: Wie weit reicht die Anpassung, wie
weit die Kulturübertragung? Wie sieht Emanzipation aus, wie Identität? Jess
lehnt sich auf, will aber nicht alles über Bord werfen, sie respektiert
ihre Eltern und deren Werte, geht aber eigene Wege.
Die Besetzung der Kickerinnen und deren Umfeld ist hervorragend. Da ist
Parminder Nagra als coole, aufgeschlossene, langhaarige und tough-ehrliche
Jess, da ist Keira Knightley als deren butchige Kickerfreundin Jules, da
sind die Papas und die Mamas und schließlich Rhys Meyers, bekannt aus
„Prozac Nation“ und „Velvet Goldmine“, als Joe, der Trainer. An ihm mac…
sich die Schlüsselszenen fest. Er bringt die Freundschaft zwischen Jess und
Jules ins Wanken (warum die beiden nicht zusammenfinden, obwohl das ihre
gesamte Umwelt annimmt, wird nicht wirklich klar). Er fördert das
Durchhalten, die Ehrlichkeit, die Aufrichtigkeit und die Ambition, durch
die Jess am Ende zusammen mit Jules als Profikickerin in die USA aufbrechen
wird, und das mit der Unterstützung ihrer Eltern. Joe ist auch das
Kuckucksei, das Jess im häuslichen Nest zurücklässt: der weiße Brite, der
dann – Assimilation mal andersherum – zum vorbildlichen
Kricket-Schwiegersohn wird.
„Kick it like Beckham“ ist eine Komödie und übertreibt natürlich auch: D…
Mutter, Mrs. Bhamra (Shaheen Khan), ist ein bisschen zu tüddelig. Ihre Welt
bricht schon zusammen, wenn Mädchen keine runden Chapatis backen können.
Die Schwester, Pinky (Archie Panjabi), ist ein bisschen zu aufgebrezelt.
Dafür kommt sie als Surferin zwischen den Welten gut damit klar, dass sie
zu Hause Chapati bäckt und Hochzeitsaris anfertigen lässt, während sie
draußen mit Heels und Mini herumläuft und mit den Jungs rummacht. Der
Vater, Mr. Bhamra (Anupam Kher, ein gefeierter Bollywood-Star), kann den
Rassismus nicht vergessen, der ihm entgegenschlug, nachdem er als junger
Kricketspieler ins koloniale Mutterland gezogen war. Jules’ Familie
hingegen ist die Inkarnation der englischen Mittelschicht. Mama Paula
(Juliet Stevenson) gibt die Korrekturmeisterin par excellence. Sie hat
klar, wie alles läuft. Wenn andere ihre eigenen Wege beschreiten, wird sie
hysterisch.
Gurinder Chadha nimmt die schwierige Position einer Migrantentochter ernst.
Die Eltern begegnen der Ablehnung, indem sie sich auf die Tradition
verlassen. Die Schwester geht einen Doppelweg, indem sie sich nie
öffentlich gegen die Elterngeneration positioniert, aber im Verborgenen
macht, was sie will. Jess’ Weg ist anders: Sie fordert Rechte, ohne zu
verletzen, sie sucht eigene Wege, ohne sich zu assimilieren.
„Kick it like Beckham“. Regie: GurinderChadha. Mit Parminder Nagra,
KeiraKnightley, Jonathan Rhys Meyers u. a.,Großbritannien/Deutschland
2002,112 Minuten
2 Oct 2002
## AUTOREN
ANNETTE WEBER
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