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# taz.de -- „Ja“ zum Hakenkreuz
> In Stade darf man weiterhin Hakenkreuze in die Tonne treten. Das
> Nazi-Symbol im Mülleimer sei erkennbarer Ausdruck einer Gegnerschaft zu
> den verfassungswidrigen Organisationen, heißt es
VON ANDREAS SPEIT
Das Symbol ist eindeutig. Der Kontext offensichtlich. In den vergangenen
Monaten lösten jedoch Piktogramme von Hakenkreuzen die in Mülltonen fliegen
oder in Verbotszeichen eingefangen sind immer wieder Ermittlungsverfahren
aus. Im Süden mit juristischen Folgen, im Norden ohne rechtlichen
Konsequenzen.
„Nach dem Urteil aus Stuttgart war ich mir nicht so sicher was noch
geschieht“, sagt der Veranstalter einer Antinaziaktion in Stade. In der
niedersächsischen Stadt richtete die NPD einen Tag vor der Kommunalwahl
einen Infostand aus. Auf dem Markt waren am 9. September dieses Jahres 20
Neonazis aufgelaufen. Rund um den Platz hatten Gegendemonstranten zuvor
Plakate von Bündnis 90/Die Grünen und der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes aufgehängt, auf denen Hakenkreuze die in einer Mülltonne
liegen, zu sehen waren. Die Polizei beschlagnahmte die Plakate wegen
„Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen“.
Ermittlungen wurden eingeleitet.
„Unglaublich“ für den Veranstalter, der seinen Namen nicht in der Zeitung
veröffentlicht wissen möchte. Noch „unfassbarer“ für ihn, „dass eindeu…
Antifa-Symbole strafbar sein sollen“. Denn während die Ermittlungen in
Stade liefen, entschied in Stuttgart das Landgericht, dass Hakenkreuze auch
im antifaschistischen Kontext nicht verwendet werden dürften. Am 29.
September verurteilte die 18. Strafkammer des Landgerichts den
Geschäftsführer des Versandhandels „Nix Gut“, Jürgen Kamm, wegen
„gewerbsmäßiger Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger
Organisationen“. Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler stieß sich an Tausenden
von Buttons, Aufnähern und Spuckis auf denen Hakenkreuze zerschlagen
wurden. „Wir wollen das Hakenkreuz auch nicht in entstellter Form in der
Öffentlichkeit sehen“, hob Häußler hervor, der eine grundsätzliche
„Tabuisierung des Hakenkreuzes“ im öffentlichen Raum anstrebt. Mit dem
Urteil schloss sich das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft an.
Bei der Urteilsbegründung erläuterte der Vorsitzende der Kammer Wolfgang
Küllmer, dass der Vertrieb des Symbols nicht durch die Ausnahmen, die
Paragraf 86a des Strafgesetz für Aufklärung, Forschung, Lehre, Kunst und
Meinungsfreiheit vorsehe, gedeckt sei. Keine gute Entscheidung aus dem
Süden für die Ermittlungen im Norden.
Die Stuttgarter Strafkammer beeindruckte die Stader Staatsanwaltschaft
wenig. Deren erste Ermittlungen hatten, wie schon das Verfahren, zu
öffentlichem Unverständnis geführt. Vergangene Woche stellte die
Staatsanwaltschaft nun aber das „Ermittlungsverfahren wegen der Verwendung
von Hakenkreuzen auf Wahlplakaten“ ein. Anders als sein Stuttgarter
Amtskollege sieht der Oberstaatsanwalt Burkhard Vonnahme nämlich in den
„Abbildungen den erkennbaren Ausdruck einer Gegnerschaft zu den Zielen der
verfassungswidrigen Organisationen“. Vonnahme betont, dass diese
Antifazeichen den „öffentlichen politischen Frieden nicht stören“. Die
Plakate sollen jetzt zurückgegeben werden. „Die Entscheidung erfreut mich
außerordentlich“, sagt Stefan Wenzel, Chef der Landtagsfraktion Bündnis
90/Die Grünen. „Damit müssten nun auch langwierige Auseinandersetzungen vom
Tisch sein.“
In Stuttgart ordnete das Gericht an, beim „Nix-Gut“-Versand insgesamt
16.582 Materialien mit entsprechenden Piktogrammen zu beschlagnahmen. Zudem
verurteilte das Gericht Kamm zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro. Gegen das
Urteil will Kamm Berufung einlegen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD)
erklärte unlängst der taz: „Sollte auch der Bundesgerichtshof zu der
Meinung kommen, dass unsere Gerichte in diesen Fällen eine Bestrafung
fordern, dann ist mit dem Gesetz etwas nicht in Ordnung und dann werden wir
das ändern.“
17 Oct 2006
## AUTOREN
ANDREAS SPEIT
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