# taz.de -- Islamisten mit Gewaltkalkül | |
> Die gestern verbotene Organisation Hizb ut-Tahrir betreibt antisemitische | |
> Hetze und strebt einen islamischen Weltstaat an. Problematisch für die | |
> Durchsetzung des Verbots sind ihre undurchsichtige Struktur und | |
> Vernetzung ins europäische Ausland | |
von YASSIN MUSHARBASH | |
Die islamistische Organisation Hizb ut-Tahrir ist die dritte Organisation | |
mit religiös-extremistischem Hintergrund, die Innenminister Otto Schily | |
nach dem 11. September 2001 verboten hat. Im Dezember 2001 war bereits dem | |
radikalislamischen Kalifatsstaat, im August 2002 dem Aachener | |
Spendensammelverein Al-Aksa die Tätigkeit untersagt worden. Möglich wurde | |
dies durch die Streichung des so genannten Religionsprivilegs aus dem | |
Vereinsgesetz. | |
Bei den Razzien am Mittwochmorgen in Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen und | |
Nordrhein-Westfalen durchsuchten Polizisten insgesamt 25 Wohnungen | |
mutmaßlicher Mitglieder. Dabei wurden Computer, Dokumente und Geld | |
beschlagnahmt. Zu Festnahmen kam es nicht. | |
Auf seiner Pressekonferenz am Nachmittag erklärte Bundesinnenminister Otto | |
Schily (SPD), der Aufenthaltsort des „derzeitigen Leiters“ der im Ausland | |
ansässigen und international aktiven islamistischen Organisation sei | |
unbekannt. Schily wirft der Hizb ut-Tahrir vor, gegen die | |
Völkerverständigung zu sein, zur Tötung von Juden aufzurufen und Gewalt als | |
politisches Mittel zu propagieren. Auf ihrer Homepage bezeichnet die Hizb | |
ut-Tahrir die Juden als ein Volk von „Verrätern“. | |
Die Hizb ut-Tahrir, eine Abspaltung der Muslimbrüder, wurde 1953 in | |
Jerusalem gegründet und ist in vielen islamischen Staaten verboten. Ihr | |
Ziel ist die Wiedererrichtung des Kalifats, also einer die gesamte | |
islamische Welt umfassenden religiösen Staatsordnung. Wie viele Mitglieder | |
oder Anhänger die Hizb ut-Tahrir in Deutschland hat, ist unbekannt. | |
In den vergangenen Monaten verstärkte die Organisation ihre Aktivitäten in | |
Europa aber deutlich und versuchte, an Universitäten und durch das | |
Verteilen mehrsprachiger Flugblätter vor Moscheen neue Unterstützer zu | |
finden. Das Verhältnis der Hizb ut-Tahrir zur Gewalt ist taktisch: Um | |
islamistische Staatstreiche in arabischen Staaten herbeizuführen oder | |
Israel zu bekämpfen, akzeptiert sie Gewalt als Mittel. In Deutschland geht | |
es ihr hingegen eher um den Aufbau einer logistischen und intellektuellen | |
Basis. | |
Die Hizb ut-Tahrir ist betont antiintegrativ und ruft Muslime zur | |
Segregation von der Mehrheitsgesellschaft auf. Noch am vergangenen | |
Wochenende hielt der in Duisburg lebende Repräsentant der Partei für den | |
deutschsprachigen Raum, Shaker Assem, in Castrop-Rauxel einen | |
entsprechenden Vortrag. Ob Assem der von Schily angesprochene „derzeitige | |
Leiter“ der Hizb ut-Tahrir ist, ist unklar. | |
In Deutschland fiel die Hizb ut-Tahrir im Oktober 2002 mit einer an der | |
Technischen Universität Berlin abgehaltenen Vortragsveranstaltung auf, bei | |
der auch die NPD-Aktivisten Horst Mahler und Udo Voigt anwesend waren. | |
Sprachrohr der sich selbst als intellektuelle Bewegung einstufenden | |
Organisation ist das radikalislamische und antisemitische Magazin Explizit | |
aus Wien, zu dessen Herausgebern auch Assem zählt. Assems Wohnung wurde im | |
November 2002 bei einer Razzia gegen die Hizb ut-Tahrir durchsucht, | |
belastendes Material aber nicht gefunden. | |
Problematisch für die Umsetzung des Verbots dürfte sein, dass die | |
Europazentrale der Hizb ut-Tahrir in London liegt und der hiesige | |
Repräsentant, Assem, österreichischer Staatsbürger ist. Gestern erklärte | |
Schily aber, dass er mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien und | |
Österreich in dieser Angelegenheit in Kontakt stehe. | |
16 Jan 2003 | |
## AUTOREN | |
YASSIN MUSHARBASH | |
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