# taz.de -- Iranische Schriftstellerin: Der Preis ihrer Freiheit | |
> Die Iranerin Jeannine Samadzadeh zog nach Hamburg, um dem Patriachat in | |
> ihrer Heimat zu entkommen. Ihre Erfahrungen hat sie in ihren Roman "Augen | |
> in Teheran. Drei Schwestern zwischen Iran und Deutschland" einfließen | |
> lassen. | |
Bild: Hier werden iranische Schulmädchen in Teheran in das Tragen des Tschador… | |
Die Autorin lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück, beugt sich wieder vor, sie | |
wirkt unruhig. Sie will von ihrem Buch erzählen, aber auch über ihre eigene | |
Geschichte sprechen, deshalb ist sie zum Interview ins Hamburger | |
Literaturhaus gekommen. Jetzt ist sie befangen. | |
Die 52-jährige Iranerin hat die Geschichte einer kämpferischen Frau | |
geschrieben: "Augen in Teheran. Drei Schwestern zwischen Iran und | |
Deutschland" erzählt von der jungen Jasmin im Iran der 1960er, 70er und | |
frühen 80er Jahre. Jasmin wehrt sich gegen die patriarchalen Traditionen, | |
die trotz des Modernisierungsprozesses unter dem Schah das Leben in vielen | |
Bereichen bestimmen. Und sie hat Erfolg damit. Statt zu heiraten, studiert | |
sie, reist ins Ausland, ist berufstätig. | |
Es ist eine Geschichte mit autobiographischen Zügen. Aber auf dem Cover des | |
Romans prangt der Name Shani Katayun - und das ist nicht der richtige Name | |
der Autorin, die im wahren Leben Jeannine Samadzadeh heißt und nun zögernd | |
erzählt, dass ihr der Verlag zu einem Pseudonym geraten habe. Aber ihr Foto | |
im Buch? Das passt doch nicht zusammen. Sie nickt. "Aber ich bin dem Rat | |
gefolgt. Die Bedenken haben auch mich unsicher gemacht." Sie legt Wert | |
darauf, dass es sich bei ihrem Buch um einen Roman handele - trotz | |
autobiografischer Momente. Aus dieser Richtung vermutete die Verlegerin | |
Gefahr. "Teile des Buches sind in der Wirklichkeit zu finden. Es sind auch | |
Teile meiner Geschichte. Entscheidend aber ist: Alles hätte so geschehen | |
können. Was ich beschreibe, ist verallgemeinerbar" sagt Jeannine | |
Samadzadeh. "Ich musste davon erzählen!" | |
Sie hat das Buch den Frauen im Iran gewidmet. "Schließlich bin ich selbst | |
als Mädchen, als junge Frau in Teheran aufgewachsen." Jetzt werden ihre | |
Worte klarer, jetzt ist sie bei der Sache, die ihre ist. "Ich habe mich | |
immer gefragt, schon als Kind: Woher haben sie dieses Recht? Wieso dürfen | |
sie das?" Sie, das sind die Männer der Familie, denen es erlaubt ist, die | |
Mutter zu schlagen und die ältere Schwester gegen ihren Willen zu | |
verheiraten. | |
Das, und darin stimmt sie mit ihrer Figur Jasmin überein, sollte ihr nicht | |
passieren, auf gar keinen Fall: "Für mich gab es keine Alternative: Ich | |
wollte studieren, ich wollte nicht heiraten. Ich war sehr kämpferisch. | |
Meine ältere Schwester war es nicht." | |
Jeannine Samadzadeh hält einen Moment inne: "Ich glaube schon, dass es gut | |
wäre, wenn mehr Frauen sich das trauen würden - vielleicht gäben ihre | |
Eltern auch nach. Oft geben sie nach, auch weil sie einen Skandal vermeiden | |
wollen." Manche Frauen seien zu bequem. "Man muss ja einen Preis fürs | |
Freisein zahlen. Das habe ich gemacht." Wenn ihr Vater kein "schwacher | |
Pascha" gewesen wäre, die Männer in ihrer Familie aggressiver reagierten | |
hätten? Diese Frage habe sie sich damals gar nicht gestellt. Nicht nur sich | |
selbst hat sie Freiheit erstritten, wie "eine Mauer" habe sie sich vor ihre | |
vier jüngeren Schwestern gestellt: "Nach mir war Schluss mit den | |
Zwangsheiraten! Ich sagte ihnen: Geht zur Schule! Studiert!" Natürlich, | |
ihre Mutter habe gebetet, sie möge lieber den Koran lesen. Sie lacht. Wird | |
wieder still. Sie spricht es nicht aus, doch man spürt, dass sie weiß, was | |
sie für ihre Schwestern getan hat. Aber der Ältesten, der konnte sie nicht | |
helfen. "Sie hat sich das Leben genommen" erzählt sie. Das wiegt schwer. | |
1978 hat Jeannine Samadzadeh angefangen, persische Literatur zu studieren. | |
Damals, mit Anfang zwanzig, wurde sie politisch aktiv, gegen das | |
Schahregime. Das war gefährlich, doch sie habe so viel Ungleichheit | |
gesehen. Sie demonstrierte unter der Flagge des Kommunismus - um sich bald | |
darauf, nachdem der Schah im Januar 1979 das Land verlassen hatte, der | |
Revolution Chomeinis mit großer Leidenschaft anzuschließen. "Von | |
Islamischer Revolution war ja anfangs keine Rede. Die Frauen gingen raus | |
auf die Straße, mit und ohne Kopftuch. Sie hatten das Gefühl, jetzt sind | |
wir wer." | |
Chomeini habe versprochen, mit den Linken zusammenzugehen, dazu haben auch | |
die emanzipierten Frauen gehört. Aber als er sie nicht mehr brauchte und | |
seine Macht durchgesetzt hatte, war es damit vorbei. "Er hat uns | |
ausgenutzt", sagt sie. | |
Wirklich geschwächt aber hat sie eine andere große Enttäuschung. Als sie | |
sich 1981 in einen deutschen Mann verliebt, glaubt sie, dessen andere | |
Kultur sei eine Art Garant: "Keine Machoerziehung. Und: Wow! Er ist ein | |
Intellektueller!", erzählt sie mit ironischer Distanz. Weil sie ihm | |
vertraut, vollziehen beide eine islamische Hochzeit - sie wird das bereuen. | |
Die islamischen Rechte, die er dadurch als Ehemann erhält, wird er später | |
für sich zu nutzen wissen. Diese Erfahrungen hat sie - fiktionalisiert - in | |
das Buch einfließen lassen. | |
Sie wünscht sich, dass ihr Roman dazu beiträgt, orientalische Frauen | |
selbstbewusster im Umgang mit ihrer eigenen Kultur zu machen. Sie selbst | |
habe zu schnell nachgegeben, sich zu viel gefallen lassen im Gefühl, die | |
europäische Kultur ihres Mannes sei der ihren überlegen. Gegen die Machos | |
ihrer Familie wusste sie sich zu wehren. Mit dem Machismo ihres Mannes | |
hatte sie nicht gerechnet. | |
1981 ist sie mit ihm nach Deutschland gegangen, seit 1982 lebt sie in | |
Hamburg. "Mir fehlte die Erfahrung. Und da waren zwei Kinder", sagt sie. | |
"Die waren das Wichtigste, die sollten einen Vater haben." Die Kinder, | |
geboren in den ersten Jahren ihrer Ehe, waren ihr wunder Punkt. Lange schon | |
ist sie geschieden. | |
Wenn Jeannine Samadzadeh darüber spricht, klingt sie erschöpft. Die | |
Schwierigkeiten im Iran haben nicht weniger Spuren hinterlassen als die Ehe | |
mit einem Europäer. Sie kommt nochmals auf ihre Schwestern zu sprechen. | |
Nicht nur die ältere hat sie verloren, eine zweite ist jung gestorben. | |
"Beide sind an der Unterdrückung gestorben, auf verschiedene Weise. Das ist | |
Mord, keiner nennt es so", sagt sie. Und dass es diese beiden Tode sind, | |
diese Verluste, die das Leben wirklich schwer machen. | |
12 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Carola Ebeling | |
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