# taz.de -- Insel Anjouan militärisch besetzt: Afrika greift auf Komoren ein | |
> Soldaten der Afrikanischen Union und der Komoren sind auf Anjouan | |
> eingerückt. Hinter dem Streit um eine "illegale" Inselregierung stecken | |
> wirtschaftliche Rivalitäten. | |
Bild: Bewaffnete Milizen von Oberst Mohammad Bacar, der jetzt gestürzt wurde (… | |
Es ging alles ganz schnell. Am Dienstag früh um vier landeten die ersten | |
Soldaten der Afrikanischen Union (AU) und der Armee der Komoren am Strand | |
von Anjouan. Mittags schon erklärte Armeesprecher Ahmed Sidi: "Die Insel | |
Anjouan steht unter totaler Kontrolle der Armee. Wir haben keine Toten oder | |
Verwundeten zu beklagen." | |
Nach Darstellung des komorischen Präsidenten Ahmed Abdallah Sambi, der die | |
Intervention am Montag per Fernsehansprache angekündigt hatte, ist damit | |
ein illegales Sezessionsregime gestürzt worden. 400 AU-Soldaten aus | |
Tansania und Sudan nahmen an der Landung teil. | |
Anjouan hatte sich tatsächlich 1997 von den Komoren losgesagt und einseitig | |
die Unabhängigkeit erklärt. 2001 hatten sich die Komoren allerdings | |
wiedervereinigt, als föderale "Union der Komoren" mit einer zwischen den | |
drei Teilinseln Grande-Comore, Mohéli und Anjouan rotierenden | |
Präsidentschaft. Der jetzt gestürzte Inselchef von Anjouan, Oberst Mohammed | |
Bacar, regierte schon damals die Insel. | |
2002 ließen sich die drei Inselpräsidenten sowie der damalige | |
Unionspräsident Azali Assoumani in freien Wahlen bestätigen. Assoumani | |
stammt von der Hauptinsel Grande-Comore. Bei der nächsten komorischen | |
Präsidentschaftswahl im Mai 2006 war laut Verfassung daher Anjouan an der | |
Reihe. Es siegte der religiöseste aller komorischen Politiker: Abdullah | |
Sambi, Gründer der islamistischen "Nationalen Front für Gerechtigkeit" | |
(FNJ). Sambi, ein reicher Geschäftsmann mit Religionsstudium in | |
Saudi-Arabien, Sudan und Iran, hatte sich auf Wahlplakaten selbst als | |
"Ajatollah" bezeichnet. | |
Sambi führte die Komoren in den nahöstlichen Wirtschaftsraum. Kurz nach | |
seiner Wahl empfing er eine 30-köpfige Regierungsdelegation aus dem Iran | |
und schloss mit Teheran ein Militärabkommen. Er übertrug Firmen aus den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten die Leitung der beiden wichtigsten Häfen | |
der Komoren, Moroni auf Grande-Comore und Mutsamudu auf Anjouan. Das | |
ärgerte die Teilpräsidenten beider Inseln. | |
Streit um Neuwahlen 2007 | |
Zum Bruch kam es, als am 10. Juni 2007 Neuwahlen für die Posten der drei | |
Inselpräsidenten anstanden. Weil Bacars fünfjähriges Mandat als | |
Inselpräsident von Anjouan im April abgelaufen war, setzte das | |
Verfassungsgericht der Komoren ihn noch vor der Wahl ab. Der erkannte das | |
nicht an. Die Zentralregierung erklärte, die Bedingungen für freie Wahlen | |
zum geplanten Termin seien auf Anjouan nicht gegeben, und verschob die Wahl | |
- kurioserweise nur um eine Woche, auf den 17. Juni. Bacar hielt am | |
ursprünglichen Wahltermin des 10. Juni fest und gewann die Abstimmung mit | |
knapp 90 Prozent. Die Zentralregierung sagte, die Wahl sei illegal. | |
Aus einem Disput über einen Wahltermin entwickelte sich eine Staatskrise. | |
Auf Wunsch der Unionsregierung der Komoren verhängte die AU Sanktionen | |
gegen 145 führende Politiker Anjouans - viel mehr gibt es auf der kleinen | |
Insel gar nicht - und setzte Truppen in Marsch, erst um das Embargo zu | |
überwachen, dann um den "illegalen" Inselpräsidenten Bacar zu stürzen. | |
Rivalitäten um Tiefseehafen | |
Der Streit um Wahltermine verdeckt eine viel wichtigere ökonomische | |
Rivalität. Anjouans Hauptstadt Mutsamudu ist der einzige Tiefseehafen der | |
Komoren. Bacar hat ihn zu einem Umschlagplatz des Seehandels im Indischen | |
Ozean ausgebaut, den die Zentralregierung nicht kontrolliert: 30.000 | |
Container werden monatlich in Mutsamudu umgeschlagen, fast alle im Transit, | |
mit einer Gebühr von 2.400 Dollar pro Container für den Inselpräsidenten, | |
behauptet die komorische Regierung. Das würde, wenn es stimmt, Einnahmen | |
von 72 Millionen Dollar im Monat bedeuten, viel mehr, als der komorische | |
Staat zur Verfügung hat. Größte Reederei in Mutsamadu ist die | |
britisch-kenianische Firma Spanfreight, eine der wichtigsten aufstrebenden | |
afrikanischen Schiffsgesellschaften mit Sitz in Kenias Ozeanhafen Mombasa. | |
Das gefällt weder der Exkolonialmacht Frankreich noch den neuen | |
nahöstlichen Freunden von Präsident Sambi. | |
Auf Anjouan sollen seit der Sezession von 1997 zudem rund 300 | |
Offshore-Banken registriert sein, deren Finanzgeschäfte niemand | |
kontrolliert. Mutmaßungen, die Insel diene als Geldwaschanlage, | |
möglicherweise auch für Terroristen, sind daher nicht ganz unbegründet. | |
Immerhin kommt der bis heute gesuchte mutmaßliche Urheber der Anschläge auf | |
die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998, Fazul Abdallah, von den | |
Komoren. | |
Wo sich Anjouans Präsident Bacar nun aufhält, ist nicht bekannt. Die | |
Zentralregierung behauptet, er habe sich als Frau verkleidet und sei auf | |
die französische Insel Mayotte geflohen. | |
26 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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