| # taz.de -- Im zweiten Jahr der Intifada | |
| > ■ Trotz Anerkennung Israels durch die PLO ist ein Ende der Besatzung | |
| > nicht in Sicht / Tote, Verletzte, Ausgangssperren, Festnahmen, | |
| > Sprengungen von Häusern prägen den palästinensischen Alltag in Westbank | |
| > und Gazastreifen / Bildungs- und Ausbildungsverbot / Verschärfung der | |
| > Repression, Verhärtung der Situation / „Die Intifada wird weitergehen, | |
| > bis wir unser Ziel erreicht haben“ | |
| Beate Seel | |
| Ein staubiger Platz im Zentrum der Stadt Gaza, zur Straße hin überquellende | |
| Müllcontainer. Zwei Jeeps der israelischen Armee fahren vorbei. Die | |
| heißesten Stunden des Tages sind vorüber, Frauen und Männer stehen in den | |
| Haustüren, auf den Balkons, und schwatzen mit den Nachbarn. Eine Gruppe von | |
| Kindern taucht auf. Zwei, drei, höchstens vier Jahre mögen sie alt sein. | |
| Sie sammeln Steinchen vom Boden auf, werfen sie auf einige größere Jungen, | |
| die ihnen nachsetzen und phantasievoll in „Gewehre“ verwandelte Stöcke | |
| schwingen. Die Älteren fangen die Kleinen, brüllen sie an, tun so, als | |
| würden sie sie fesseln, mißhandeln, verhören. Wie überall auf der Welt | |
| spielen die Kinder das, was sie im Alltag erleben: Intifada. | |
| „Die Israelis nehmen das Land, jagen die Leute weg und töten sie. Sie haben | |
| meinen Vater getötet, und deshalb sollen sie sterben“, sagt die | |
| sechsjährige Ibtisan. Das gelbe Kleidchen, die dazu passenden Schleifen im | |
| Haar scheinen so gar nicht zu der palästinensischen Parole zu passen, die | |
| sie mit fester Stimme vorträgt: „Mit unserer Seele, mit unserem Blut opfern | |
| wir uns für euch, ihr Märtyrer!“ Hat Ibtisan schon einmal einen Juden | |
| gesehen? Das Mädchen denkt angestrengt nach. Schließlich fällt der | |
| Groschen: „Ja, die israelischen Soldaten.“ | |
| Opferbilanz einer Familie | |
| Ibtisans Vater ist einer der „Märtyrer“ der Intifada, des Aufstandes in der | |
| Westbank und dem Gaza-Streifen, der seit Dezember 1987 über 500 Todesopfer | |
| auf palästinensischer Seite gefordert hat. Der 31jährige Arbeiter wurde am | |
| 27.April dieses Jahres bei einer Demonstration erschossen von vorne, wie | |
| die Familie betont. Er hinterließ vier kleine Kinder - Ibtisan ist die | |
| Älteste - und eine schwangere Frau. „Eigentlich müßte ich fünf Kinder | |
| haben“, sagt die junge Witwe, „aber mein letztes Kind, ein Mädchen namens | |
| Manar, ist zwei Tage nach der Geburt an den Folgen eines Tränengaseinsatzes | |
| gestorben.“ Ein totes Kind, ein erschossener Mann, ein Neffe, der durch ein | |
| Gummigeschoß verletzt wurde, zwei weitere, die im Gefängnis sitzen, ein | |
| Bruder, der letztes Jahr des Landes verwiesen wurde, weitere Verwandte, die | |
| auf Haftstrafen zurückblicken... Die Opferseite der Intifada in einer | |
| palästinensischen Familie in Gaza. | |
| Ich sitze im betonierten Innenhof des Hauses, oder besser dem, was der | |
| Großfamilie an Wohnraum geblieben ist. Bei einer früheren Festnahme des | |
| mittlerweile ausgewiesenen Bruders der Witwe im Jahr 1968 wurde ihr Haus | |
| von der Armee in die Luft gesprengt und durfte nicht wieder aufgebaut | |
| werden. Drei verwitterte Holztüren führen vom Hof in fensterlose Räume, nur | |
| in einer anderen Ecke wurde ein neues, geräumiges Zimmer errichtet. | |
| Ibtisans Familie hat sich schon immer mit der eines Onkels Haus und Hof | |
| geteilt. Doch nun steht sie ohne Ernährer da. „Anders als in Europa, | |
| unterstützen wir uns gegenseitig, selbst wenn wir Sand essen müssen“, sagt | |
| der Onkel. Er weicht jeder politischen Diskussion aus. Mit Unterbrechungen | |
| verbrachte er insgesamt elf Jahre hinter Gittern. Die Familie macht keinen | |
| Hehl daraus, daß sie politisch aktiv ist. | |
| Die Familie von Umm Ahmad dagegen ist unpolitisch, so, wie Palästinenser | |
| unter der israelischen Besatzung unpolitisch sein können. In klagendem | |
| Tonfall berichtet die etwa 60jährige Matrone im traditionellen schwarzen, | |
| bunt bestickten langen Kleid und dem weißen, locker um den Kopf | |
| geschlungenen Tuch, was ihr widerfahren ist. 17 Jahre lang war ihr Mann, | |
| Abu Ahmad, Besitzer eines kleinen Lebensmittelgeschäfts gewesen, ihr | |
| ältester unverheirateter Sohn Ali unterhielt im gleichen Gebäude eine | |
| Reparaturwerkstatt. Heute liegt alles in Schutt und Asche. Das eingeknickte | |
| Flachdach hängt schief über den Trümmern des ehemals einzigen Stockwerks, | |
| angerostete und verbogene Betonträger ragen wirr heraus. Das Gebäude wurde | |
| am 17.Mai von der Besatzungsmacht gesprengt. Der Grund: Bei einer | |
| Demonstration während einer Ausgangssperre hatten palästinensische | |
| Jugendliche vom Dach aus Soldaten mit Steinen beworfen. | |
| „Als die Demonstration stattfand, waren die Geschäfte geschlossen“, empört | |
| sich Umm Ahmad. „Niemand hat in dem Haus gewohnt, der Besitzer lebt in | |
| Saudi-Arabien. Die, die da Steine geworfen haben, hatten mit unserer | |
| Familie nichts zu tun.“ Sie möchte mir ihren Besitz zeigen, das, was die | |
| Familie retten konnte, als die Soldaten ihr an jenem Tag eine halbe Stunde | |
| Zeit ließen, ihr Hab und Gut vor der Sprengung aus den Läden zu räumen. Ich | |
| weiß nicht, was ich erwartet hatte, jedenfalls nicht diese armselige Kiste | |
| voller Werkzeuge in einem niedrigen Kellerverschlag neben der Küche, nicht | |
| die kleine, vor sich hingammelnde Kühltheke im Hof des Nachbarn, weil in | |
| der eigenen Wohnung kein Platz ist. Die Last der Ernährung der Familie | |
| liegt jetzt auf den schmalen Schultern des 17jährigen Ali. Er jobbt als | |
| Träger, hilft beim Be- und Entladen von Lastwagen. Aber nicht jeden Tag | |
| gibt es Arbeit. Der Vater ist alt und krank, seit sein Laden dem Erdboden | |
| gleichgemacht wurde, geht es ihm schlechter. Die Kosten für ärztliche | |
| Behandlung und Medikamente steigen. Aus den Worten von Umm Ahmad spricht | |
| eine Mischung aus Resignation und Empörung über die ungerechte Behandlung. | |
| Sie will, daß die Intifada bis zum Ende der Besatzung weitergeht, „damit so | |
| was nicht mehr passiert“. | |
| Eigentlich ist es kein Wunder, daß die Steine zum Symbol der Intifada | |
| geworden sind, so sehr sind sie Teil der palästinensischen Landschaft der | |
| Westbank: Die Felsbrocken auf der roten Erde frisch bearbeiteter Felder, | |
| die Mäuerchen, die ihre Muster in die terrassierten Hänge ziehen, die | |
| hellen Quader, mit denen die Häuser in den palästinensischen Dörfern gebaut | |
| werden, die sich harmonisch in ihre Umgebung einfügen, ganz im Gegensatz zu | |
| den weißen Gebäuden der jüdischen Siedlungen auf den Bergkuppen, deren rote | |
| Ziegeldächer von weitem in der Sonne glänzen. | |
| Gemüseanbau für die Selbstversorgung | |
| In der kleinen Ortschaft kurz hinter Bethlehem ist jeder Quadratmeter Boden | |
| bepfanzt. Trauben, Tomaten, Gurken, Küchenkräuter wachsen im Schatten der | |
| Olivenhaine und in den Gärten, Setzlinge werden mit Steinbrocken vor zu | |
| starker Sonnenbestrahlung geschützt. Die Bevölkerung folgt damit Aufrufen | |
| der „Vereinigten Nationalen Führung des Aufstandes / PLO“ aus den ersten | |
| Monaten der Intifada, Obst und Gemüse anzubauen, um die palästinensische | |
| Selbstversorgung zu entwickeln und ein Stück weit vom israelischen Markt | |
| unabhängig zu werden. | |
| Beim Essen im Hause der Familie des Arztes Abu Jamal zeigt sich, daß auch | |
| der Aufruf zum Boykott israelischer Waren weitgehend befolgt wird. Mit | |
| Ausnahme der Milch stammen sämtliche Produkte aus Palästina oder dem | |
| Ausland: Oliven, Tomaten und eingelegte Gurken aus eigenem Anbau, Joghurt | |
| und Saft aus einer Fabrik in der Westbank, der selbstgemachte Ziegenkäse | |
| von Verwandten, und die Cola aus den USA. Selbst die Zigaretten, die | |
| überall herumliegen, sind ein palästinensisches Produkt. Die Marke „Good | |
| Luck“, der Name ist sicher nicht zufällig gewählt, gibt es seit Sommer | |
| letzten Jahres. Die palästinensische Tabakindustrie hat offensichtlich | |
| einen Aufschwung erlebt. | |
| Jungen und Mädchen im Aufstand | |
| Nach dem Essen setzt sich die 15jährige Nabila an ihre Hausaufgaben - und | |
| das, obwohl die Schulen in der Westbank seit Beginn des Aufstandes mit nur | |
| kurzen Unterbrechungen von den Besatzungsbehörden geschlossen wurden. | |
| Während in zahlreichen Dörfern für Kinder im Grundschulalter oft, | |
| ungeachtet eines strikten Verbots der Besatzungsbehörden, in Privathäusern | |
| alternativer Unterricht organisiert wird, besucht Nabila einmal in der | |
| Woche vormittags für drei Stunden ihre Schule - durch die Hintertür. | |
| Unterrichtet werden die traditionellen Hauptfächer Arabisch, Englisch, | |
| Mathematik, Naturwissenschaften, für den Rest der Woche bekommen die | |
| SchülerInnen Hausaufgaben mit auf den Weg. „Ganze Tage sitze ich dran“, | |
| stöhnt Nabila. Aber sie ist froh, daß sie wenigstens einmal in der Woche | |
| zum alternativen Unterricht in die Schule gehen kann, denn sie hat das | |
| Gefühl, viel versäumt zu haben. | |
| Ein besonders harter Schlag war die Schließung der Schulen für die | |
| Jugendlichen der Abschlußklassen und die Eltern kleiner Kinder. Sollten die | |
| Schulen im Herbst nicht wieder eröffnet werden, würde bereits der dritte | |
| Jahrgang von Erstkläßlern nicht ordnungsgemäß eingeschult. Ihnen wird nicht | |
| nur verweigert, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, sondern auch, sich | |
| an regelmäßigen Unterricht zu gewöhnen, neue Freundschaften zu schließen | |
| und ein eigenes Leben außerhalb der Familie zu führen. Angesichts der | |
| kinderreichen palästinensischen Familien trifft das Bildungs - und | |
| Ausbildungsverbot jede Familie ganz unmittelbar. | |
| Ihren letzten regulären Schultag hat Nabila im Januar erlebt, als ihre | |
| Schule drei Wochen lang geöffnet war. Doch nicht jeder ist so wild aufs | |
| Lernen wie sie. Nabila lacht, als sie sich daran erinnert, wie Jungen aus | |
| ihrem Dorf damals eine palästinensische Fahne auf dem Dach des Gebäudes | |
| hißten, um die Soldaten zum Einschreiten zu provozieren. „Die Jungen wollen | |
| demonstrieren, die Mädchen etwas lernen“, faßt Rauda, eine junge Verwandte | |
| und Lehrerin aus Ostjerusalem, ihren Eindruck zusammen. „Für die Mädchen | |
| ist die Schule oft die einzige Möglichkeit, aus dem Haus zu kommen und | |
| andere Leute zu treffen. Für Jungen ist das nicht so wichtig.“ Natürlich | |
| gibt es auch Mädchen und junge Frauen, die sich an Demonstrationen | |
| beteiligen. Nabila zum Beispiel. Neulich geriet sie mitsamt ihren | |
| Geschwistern in eine Demonstration. Dabei wurde der jüngste Bruder, ein | |
| vierjähriger Knirps, von einem Gummigeschoß ins Gesicht getroffen. Nachdem | |
| sie und ein älterer Bruder den Kleinen in einer Klinik abgeliefert hatten, | |
| gingen die beiden sofort wieder auf die Straße, um die israelischen | |
| Soldaten mit Steinen zu bewerfen. „Über eine halbe Stunde lang haben wir | |
| sie aufgehalten“, erzählt Nabila stolz. | |
| Nabila, die sich mit ihrem türkisfarbenenfarbenen T-Shirt und den engen | |
| Jeans durchaus auf der Strandpromenade von Tel Aviv sehen lassen könnte, | |
| hat Glück: Ihre Eltern stehen politisch eher links, sie kann, wenn sie | |
| möchte, ihre Freundinnen besuchen, und seit neuestem hat sie auch einen | |
| Freund, mit ausdrücklicher Billigung von Vater und Mutter. „Wenn der Vater | |
| aufgeschlossen ist, haben die Mädchen jetzt größere Freiheiten als vor der | |
| Intifada. Wenn der Vater aber eher traditionell eingestellt ist, kann das | |
| ins genaue Gegenteil umschlagen. Die Eltern halten ihre Töchter im Haus, | |
| weil sie eine übersteigerte Angst vor Festnahmen und Vergewaltigungen | |
| haben“, kommentiert Rauda. „In solchen Fällen gibt es eine neue Tendenz, | |
| die Töchter wieder im Alter von 14, 15, 16 Jahren zu verloben. Dann ist es | |
| natürlich die Familie, die den Ehemann aussucht.“ | |
| Während unseres Gesprächs hat Rauda immer wieder auf die Uhr geblickt, sie | |
| möchte keinesfalls zu spät nach Jerusalem aufbrechen. Bei Einbruch der | |
| Dämmerung sollte mir klarwerden, warum. Eine etwas gespenstische Atmosphäre | |
| senkt sich über die 5.000-Seelen-Gemeinde. Die Laternen bleiben dunkel, aus | |
| den Häusern flimmert zur Seite der Straße hin nur das bläuliche Licht des | |
| Fernsehers hinter den Fensterscheiben. Wenn mal ein Auto vorbeifährt, dann | |
| ohne Licht. Im Dorf herrscht das, was man gemeinhin eine „gespannte | |
| Atmosphäre“ nennt. | |
| Selbstjustiz gegen | |
| Kollaborateure | |
| Vor einer Woche, so berichtet Nabilas Vater Abu Jamal, zog die Intifada in | |
| diesen bislang ruhigen Flecken ein - unter dem offenkundigen Beifall der | |
| sechsköpfigen Familie. Abends gegen 22 Uhr ging plötzlich die | |
| Straßenbeleuchtung aus, und ein Trupp von vermummten jungen Männern zog zu | |
| den Häusern von zwei „Kollaborateuren“, Palästinensern also, die mit der | |
| Besatzungsmacht zusammenarbeiten, und schlugen sie krankenhausreif. In | |
| diesem Falle galten die beiden Opfer nicht als Spitzel oder als | |
| Spekulanten, die palästinensischen Grund und Boden auf- und an jüdische | |
| Siedlungen weiterverkaufen, sondern als Drogenhändler. Die Aktion war | |
| anscheinend gut geplant. Als das israelische Militär anrückte, waren die | |
| Maskierten bereits wieder von der Bildfläche verschwunden. | |
| Seit Beginn des Aufstandes wurden wiederholt vermutete Kollaborateuere | |
| erschossen, erstochen oder mit einem Beil zerhackt, vor allem jedoch, seit | |
| die Führung des Aufstands im April dazu aufrief, die Kollaborateure zu | |
| bestrafen, ein Anzeichen für die allgemeine Verhärtung der Situation. Die | |
| Zahl der Getöteten beläuft sich mittlerweile auf über vierzig. In den | |
| ersten Monaten der Intifada hatte die Führung sie wiederholt aufgefordert, | |
| ihrer Tätigkeit öffentlich, etwa in einer Moschee oder Kirche, | |
| abzuschwören. Später wurden sie „verwarnt“: ihr Auto ging in Flammen auf | |
| oder sie wurden, wie im vorliegenden Falle, zusammengeschlagen. | |
| Die beiden Drogenhändler, so Abu Jamal weiter, seien nicht die einzigen im | |
| Dorf, und bei einem habe ein Bekannter ein M -16-Gewehr der israelischen | |
| Armee herumstehen sehen. Außerdem gebe es noch den Muchtar, den | |
| Ortsvorsteher, der ebenfalls als Kollaborateur gilt und der meinen | |
| Gastgeber für das Vorgehen der maskierten Jugendlichen verantwortlich | |
| macht. Im Dorf heißt es nun, die Kollaborateure seien von der israelischen | |
| Armee mit zusätzlichen Waffen ausgerüstet worden. | |
| Wie um solchen Gerüchten zusätzliche Nahrung zu verleihen, tauchten an | |
| diesem Morgen Flugblätter auf, die nach Meinung von Abu Jamal aus der Feder | |
| des israelischen Geheimdienstes stammen. Auf glattem, hellgrünen Papier mit | |
| gestochen scharfem Druck wird darin die Bevölkerung im Namen von | |
| „Jugendlichen“ aufgefordert, jedwede Angriffe auf Polizisten und Soldaten | |
| zu unterlassen und statt dessen gegen die übrigen Kollaborateure | |
| vorzugehen. Ein Besucher nach dem anderen tröpfelt in den kleinen „Salon“ | |
| des Hauses, um die Angelegenheit zu diskutieren. Die Kinder werden aus dem | |
| Zimmer geschickt. „Mit diesen Flugblättern sollen die Jugendlichen ermutigt | |
| werden, ihre Aktion zu wiederholen, damit das Militär sie dann festnehmen | |
| kann“, kommentiert Abu Jamal. „Gleichzeitig könnte der Aufruf die | |
| Kollaborateure animieren, gegen palästinensische Aktivisten vorzugehen.“ | |
| Abu Jamal fühlt sich bedroht. „Sie haben schon einmal einen Brandsatz gegen | |
| mein Haus geschleudert“, sagt er. „Das nächste Mal ist vielleicht mein Auto | |
| dran. Was soll ich machen? Soll ich in einem anderen Zimmer schlafen? Aber | |
| welche Auswirkungen hätte das auf meine Kinder? Ich kann nur weitermachen | |
| wie bisher. Ich habe mich darauf eingestellt, daß ich nicht mehr erleben | |
| werde, wie meine Kinder heranwachsen.“ | |
| Soziale Rolle der Aktivisten | |
| Munir, ein Apotheker aus Gaza, ist des Lobes voll über die Trupps | |
| vermummter junger Palästinenser. Gerade noch hatte ich am hellichten Tag im | |
| Stadtzentrum eine Gruppe von ihnen gesehen, wie sie die Straße überquerten | |
| als gerade keine Patrouille der Armee in Sicht war, einige Männer | |
| ansprachen und mit ihnen in einem Hauseingang verschwanden. „Ich bin zu | |
| alt, um auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren“, sagt der | |
| Geschäftsmann. „Aber unseren jungen Leuten kann ich nur anerkennend auf den | |
| Rücken klopfen. Sie werfen nicht nur Steine, sie spielen auch eine wichtige | |
| soziale Rolle. Was hat die Polizei schon früher gegen die Kriminalität | |
| unternommen? Da gab es Personen, die bekannt dafür waren, daß sie | |
| gelegentlich Einbrüche verübten und Frauen belästigten. Oder das | |
| Drogenproblem: Vor dem Aufstand kam es jede Woche zwei bis drei Mal vor, | |
| daß mich jemand in meinem Laden bedrohte, weil er ein bestimmtes Medikament | |
| ohne Rezept haben wollte. Jetzt gibt es das nicht mehr, die Leute haben | |
| Angst, sich offen zu zeigen. Vor allem die Drogenhändler, von denen einige | |
| bestraft worden sind. Die werden von der Bevölkerung als gefährliche | |
| Personen angesehen, die Behörden ließen sie gewähren und haben ihnen sogar | |
| Waffen zu ihrem Schutz gegeben. Dafür mußten sie dann Informationen | |
| liefern. Auch Abhängige kann man leicht unter Druck setzen.“ Die Forderung | |
| der Führung des Aufstandes nach dem Rücktritt der palästinensischen | |
| Polizisten im Dienste der Besatzungsmacht sei daher populär gewesen, so | |
| Munir, da sie ohnehin zu nichts nütze gewesen seien. | |
| Die Trupps der Maskierten betreiben nicht nur Selbstjustiz gegenüber | |
| Kollaborateuren oder „Personen mit schlechtem Lebenswandel“ (Munir). | |
| Während der von der Aufstandsführung festgelegten Ladenöffnungszeiten | |
| überwachen sie die Preise, werfen das Auge auf bestimmte zentrale Plätze, | |
| wie zum Beispiel den Markt oder den Abfahrtsort der Sammeltaxis und | |
| versuchen, Konflikte zu regeln. Offenbar haben sie einen Teil der | |
| Funktionen übernommen, die in den ersten Monaten des Aufstands in den | |
| Händen der Komitees, der Organe der Selbstorganisation der Bevölkerung, | |
| lagen und die im Sommer letzten Jahres verboten wurden und nun unter | |
| erschwerten Bedingungen arbeiten mußten. | |
| Neben der internen Abrechnung mit Kollaborateuren gibt es auf | |
| palästinensischer Seite eine weitere Reaktion auf die Verschärfung der | |
| Repressionen und den zunehmenden Druck, dem die Bevölkerung besetzten | |
| Gebiete ausgesetzt ist. bereits zum zweiten Mal hat die Führung des | |
| Aufstandes jetzt in einem ihrer regelmäßig erscheinenden Communiques dazu | |
| aufgerufen, für jeden getöteten Palästinenser einen israelischen Soldaten | |
| oder Siedler umzubringen. Werden die Steine also auch in Zukunft das Symbol | |
| der Intifada bleiben? Die meisten palästinensischen Gesprächspartner sind | |
| dafür. „Wir befinden uns am Scheideweg“, analysierte der bekannte | |
| palästinensische Kommentator Madi Abdel Hadi die Lage. „Entweder die | |
| Intifada setzt sich auf demselben Niveau fort wie bisher, mit der | |
| Möglichkeit einer politischen Lösung, oder aber das ganze eskaliert.“ Nur | |
| ist ein halbes Jahr nach den gemäßigten Resolutionen des Exilparlaments der | |
| PLO in Algier, der Anerkennung Israels und der Ausrufung des Staates | |
| Palästina ein Ende der Besatzung nicht in Sicht. | |
| Der Schamir-Plan, eine Totgeburt | |
| „Alle Menschen sind Brüder geworden“, entgegnet ein junger Straßenkämpfer | |
| aus Gaza auf meine Frage nach dem wichtigsten Erfolg der Intifada. Auch für | |
| den Apotheker Munir zählt die große Einheit der Bevölkerung im Kampf gegen | |
| die Besatzung zu den wichtigsten Errungenschaften, eine Einheit, in der die | |
| islamisch-fundamentalistische Hamas-Bewegung ausdrücklich mit einschließt, | |
| obwohl er selbst hinter den Beschlüssen der PLO steht. Als zweiten großen | |
| Fortschritt wertet er deren diplomatische Erfolge. Die Resolutionen der PLO | |
| in Algier werden in zahllosen Gesprächen immer wieder als „realistisch“, | |
| „der Situation angemessen“ oder „den Erwartungen der Intifada entsprechen… | |
| bezeichnet. Ungeachtet der jüngsten Vorschläge des israelischen | |
| Ministerpräsidenten Schamir ist man hier der Auffassung, daß der Ball nun | |
| im gegnerischen Lager liegt. Nicht nur auf der diplomatischen Ebene, | |
| sondern vor allem auch vor Ort, ist jedwede positive israelische Reaktion | |
| auf die gemässigte Haltung der PLO ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: In den | |
| letzten Wochen und Monaten ist die Repressionsschraube deutlich angezogen | |
| worden, und angesichts der vielen Opfer mit Verletzungen im Brustbereich, | |
| die die Krankenhäuser im Gaza füllen, scheut sich ein Arzt nicht, von einem | |
| Trend hin zu einer „shoot-to-kill„-Politik zu sprechen. | |
| „Der Schamir-Plan ist eine Totgeburt“, meint Munir und wählt damit eine | |
| Formulierung, die allenthalben in Gesprächen mit Palästinensern fällt. „Die | |
| ganze Welt weiß, daß wir bereits eine Vertretung haben, die PLO. Schamir | |
| will mit seinem Vorschlag, Wahlen unter der Besatzung abzuhalten, die PLO | |
| umgehen und die palästinensische Einheit spalten, in diejenigen, die in den | |
| Gebieten leben und der Führung draußen. Wahlen, das klingt gut im Westen, | |
| in den USA, aber im Grunde will Israel nur Zeit gewinnen. Der Plan ist eine | |
| Falle, denn wer weiß, ob es nach der vorgesehenen Periode von fünf Jahren, | |
| wenn die Palästinenser sich gut benehmen“, | |
| -hier schwingt ein ironischer Unterton mit - „überhaupt zu späteren | |
| Verhandlungen über eine endgültige Lösung kommt, wie Schamir jetzt sagt?“ | |
| Und da ist schließlich die offene Frage, worüber eigentlich verhandelt | |
| werden soll. Über Radio Monte Carlo und das arabische Programm des | |
| israelischen Fernsehens verfolgen die Palästinenser Äußerungen israelischer | |
| Spitzenpolitiker sehr genau: Schamir, der kürzlich sagte, Israel werde sich | |
| „keinen Zentimeter aus den besetzten Gebieten zurückziehen, Außenminister | |
| Arens, der bekräftigte, Gespräche mit der PLO werde es nicht geben, und | |
| eine Teilung Jerusalems käme nicht in Frage... Solche Erklärungen und das | |
| Auftreten der Soldaten vor Ort hinterlassen bei den Palästinensern den | |
| Eindruck, daß es Israel ist, das keinen Frieden will. Die Hoffnungen | |
| richten sich auf Druck aus dem Ausland, auf Westeuropa, die USA, eine | |
| gemeinsame Initiative der Supermächte, auf eine internationale | |
| Friedenskonferenz. Haidar Abu Schafi, der Leiter des palästinensischen | |
| Roten Halbmonds in Gaza, sprach in diesem Zusammenhang von einer „Periode | |
| des Abwartens“. Eine Formulierung, die nicht gerade auf Zustimmung stößt. | |
| Doch wie kann man damit auch die eigene Haltung beschreiben, wenn es | |
| täglich neue Tote, neue Verwundete, neue, im Gaza-Streifen oft einwöchige, | |
| Ausgangssperren, neue Überfälle von Siedlern auf palästinensische Dörfer in | |
| der Westbank gibt? | |
| Bewaffnete Angriffe? | |
| So ist es eigentlich nicht sehr überraschend, wenn der Aufruf der Führung | |
| des Aufstands, Soldaten und Siedler zu töten, auch Zustimmung findet, vor | |
| allem unter denjenigen, die aus ihrer Unterstützung für die radikale | |
| „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ von George Habasch keinen Hehl | |
| machen. „Ihr im Ausland geht immer gleich an die Decke, wenn die | |
| Palästinenser, mal Gewalt anwenden“, sagt ein junger Arbeiter in | |
| Ostjerusalem, der aus einem Dorf in der Westbank stammt. „Wieviele von uns | |
| sollen denn noch sterben, bis ihr endlich einmal aufwacht?“ - „Ich fände es | |
| besser, wenn wir weitermachen wie bisher“, meint ein Krankenpfleger aus | |
| Nablus. „Aber wie lange können wir das noch durchhalten? Fast jeden | |
| Nachmittag kommen die Soldaten, durchkämmen die Altstadt und nehmen junge | |
| Leute fest. Wie lange können wir noch stillhalten?“ | |
| Diese Communiques der Führung haben zweifellos Kontroversen ausgelöst. Die | |
| einen bezweifeln ihre Authentizität, verweisen auf die Distanzierung der | |
| PLO in Tunis, andere befürchten, die in der Führung des Aufstands | |
| zusammenarbeitenden palästinensischen Parteien können über die Wahl der | |
| Mittel uneins sein, wieder andere stehen dahinter oder äußern Verständnis. | |
| Vielleicht gibt Munir so etwas wie eine Mehrheitsposition wieder, wenn er | |
| sagt, daß die Palästinenser zwar grundsätzlich ein Recht hätten, auch | |
| bewaffnete Aktionen durchzuführen, aber hinzufügt: „Die Palästinenser haben | |
| es bisher der Welt leicht gemacht, ihr Problem zu verstehen. Das Töten von | |
| Soldaten und Siedlern könnte falsch ausgelegt werden, außerdem spielt es | |
| nur Israel in die Hände. Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation, auch | |
| in internationaler Hinsicht, kann man diesen Weg nicht akzeptieren. Und | |
| selbst wenn es eines Tages zu verstärkten Angriffen auf Soldaten und | |
| Siedler kommen sollte, glaube ich nicht, daß man von einer Rückkehr zum | |
| bewaffneten Kampf sprechen kann. Ganz abgesehen davon, daß es gar nicht | |
| möglich ist, für jeden von uns einen der Ihren zu töten, wäre das eher eine | |
| Reaktion auf die Brutalität der Besatzung und keine neue Strategie.“ | |
| Hamas, die fundamentalistische Opposition | |
| Diese Kontroverse ist gewissermaßen eine PLO-interne , denn sie wird unter | |
| den Palästinensern geführt, die hinter den vier wichtigsten, in der Führung | |
| des Aufstands zusammengeschlossenen Parteien stehen: Al Fatah von Yassir | |
| Arafat, die Demokratische Front, die Volksfront und die Kommunistische | |
| Partei. Aber es gibt auch noch eine andere Stimme, vor allem im | |
| Gaza-Streifen: die von Hamas, sozusagen eine islamisch-fundamentalistische | |
| Opposition zur PLO und der nationalen Führung der Intifada. An den | |
| Hauswänden und Mauern von Gaza wird ein regelrechter Parolenwettstreit | |
| ausgetragen. Während die Führung die Bevölkerung aufruft, israelische | |
| Produkte zu boykottieren, für die es arabischen Ersatz gibt, oder an die | |
| Geschäftsleute appelliert, ihre Waren möglichst billig abzugeben, wirbt | |
| Hamas mit „Ja zum Kampf - nein zu Verhandlungen!“ | |
| Hamas ist eine Abkürzung und steht für „Bewegung des islamischen | |
| Widerstandes“, bedeutet aber zugleich auch (Glaubens-)Eifer. Obgleich die | |
| fundamentalistische Strömung in Gaza erst in den ersten Monaten des | |
| Aufstandes unter diesem Kürzel öffentlich auftrat, ist die Bewegung nicht | |
| so neu, wie es vielleicht scheinen mag. Wie auch in anderen | |
| arabisch-islamischen Ländern erlebte der Fundamentalismus in den besetzten | |
| Gebieten der siebziger Jahre einen Aufschwung. Mit Ausnahme einer Gruppe | |
| namens Jihad, die den bewaffneten Kampf gegen Israel bereits in den letzten | |
| zwei Jahren vor dem Aufstand auf ihre Fahnen schrieb, agierten die | |
| Fundamentalisten vornehmlich im erzieherischen und wohltätigen Bereich. An | |
| den Universitäten, wo sie bei Studentenratswahlen zum Teil Bündnisse mit Al | |
| Fatah eingingen, taten sie sich unter wohlwollender Duldung der | |
| Besatzungsbehörden vor allem mit Aktionen gegen linke Palästinenser hervor. | |
| Einige ihrer Aktivisten erhielten sogar Waffen zu ihrem Schutz. Eine | |
| Situation, die die hebräische Zeitung 'Ydiot Acharonot‘ kürzlich zu der | |
| Bemerkung veranlaßte, Israel habe eine Schlange an seinem Busen genährt. | |
| Die Behörden haben sich dieser Auffassung offensichtlich angeschlossen, | |
| denn Hamas wurde in dieser Woche, wie auch Jihad, verboten. | |
| Neu ist vielmehr, daß die in Hamas zusammengeschlossenen Gruppen sich nun | |
| in den Kampf gegen die Besatzung eingereiht haben. Das erste Communique, | |
| das Hamas nach Beginn des Aufstands veröffentlichte, trug gleich die Nummer | |
| vier, um nicht hinter denen der Nationalen Führung zurückzufallen. Eine | |
| Grundsatzerklärung vom August 1988 trug den Titel „Charta“ - in Anlehnung | |
| an die Charta der PLO. Der Anspruch, eine fundamentalistische Alternative | |
| zur Palästinensischen Befreiungsbewegung und der Führung des Aufstands zu | |
| bilden, ist damit deutlich manifestiert. | |
| „Wir streben einen islamischen Staat in ganz Palästina an. Wir wollen nicht | |
| die Juden strafen oder töten, aber sie müssen unter dem Schirm des Islam | |
| leben. Wenn es zu einem Ende der Besatzung in den Gebieten kommen sollte, | |
| dann müssen die Palästinenser entscheiden, wer ihr Führer sein soll. Aber | |
| bestimmte Dinge akzeptieren wir nicht, wie zum Beispiel die Anerkennung | |
| Israels oder bestimmte UNO -Resolutionen“, erläutert Mohammed, ein Aktivist | |
| von Hamas, die Ziele seiner Bewegung. Für ihn ist der Koran die einzige | |
| Grundlage des Handelns. „Wenn ich zwei Bücher habe, und in einem ist schon | |
| alles enthalten, was es zu sagen gibt, warum soll ich dann noch das andere | |
| lesen? Alle guten Elemente anderer Ideologien wurden bereits vom Koran | |
| aufgenommen. Der Koran weiß mehr über die Menschen als sie selbst“, | |
| entgegnet er auf meine Frage nach dem Verhältnis von Hamas zur PLO. „Als | |
| Kämpfer wollen wir das gleiche, unabhängig von der Ideologie, weil wir das | |
| gleiche Problem haben, die Besatzung. Später können wir dann sehen, welche | |
| Art von Staat wir wollen.“ | |
| „Es gibt keinen Weg zurück“ | |
| Es war Munir, der Apotheker, gewesen, der mir Mohammed vorgestellt hatte. | |
| Denn ungeachtet seiner politischen Sympathien für die palästinensische | |
| Linke ist Munir ein tief religiöser Mann. Er zählt viele Mitstreiter von | |
| Hamas, die nach der Verhaftungswelle Mitte Mai im Gefängnis sitzen, zu | |
| seinen engen Freunden. „Die Leute wollen jetzt keinen Streit, schon gar | |
| nicht in den Familien“, sagt er. „Deshalb werden jetzt auch alle | |
| Streikaufrufe befolgt, egal, ob sie von Hamas oder von der PLO kommen.“ | |
| Nein, einen nennenswerten Aufschwung von Hamas im Zuge des Aufstandes sieht | |
| er nicht. Mohammed hatte auf die gleiche Frage lapidar entgegnet: „Wir | |
| waren schon immer stark.“ - „Vielleicht reagiert die Öffentlichkeit jetzt | |
| anders“, kommentiert Munir, „die Fundamentalisten werden im Ausland, vor | |
| allem in den USA, als gefährlich eingeschätzt. Es ist wahrscheinlich kein | |
| Zufall, daß die Festnahmen der Hamas-Mitglieder genau zu dem Zeitpunkt | |
| erfolgten, als Arens Washington besuchte.“ Munir schätzt die Stärke von | |
| Hamas in Gaza auf zwanzig bis dreißig Prozent. Er meint, daß ihr Einfluß | |
| nach der Ablehnung der Resolutionen des palästinensischen Exilparlaments | |
| und die Anerkennung Israels sogar etwas zurückgegangen ist. | |
| „Es gibt für uns keinen Weg zurück. Wenn wir jetzt aufgeben, werden wir | |
| alles verlieren. Die Intifada wird weitergehen, bis wir unser Ziel erreicht | |
| haben.“ Darin sind sich Munir und Mohammed einig. In Variationen höre ich | |
| die gleichen Sätze von der Lehrerin in Rauda, der Schülerin Nabila, ihrer | |
| Großmutter, die schon vier Besatzungen erlebt hat - die türkische, die | |
| britische, die jordanische und jetzt die israelische - und die ihr genaues | |
| Alter nicht kennt, von den Jugendlichen im Flüchtlingslager Jabalia, | |
| gelegentlich mit dem Zusatz: „Entweder wir erreichen unser Ziel oder wir | |
| sind alle tot.“ Wie oft hatte ich dieses Credo des Aufstands schon bei | |
| einem früheren Besuch in Palästina vor einem Jahr gehört... | |
| „Die Intifada wird weitergehen, bis wir unseren eigenen Staat haben“, sagt | |
| auch der achtjährige Jamal, Sohn des Arztes aus dem Dorf bei Bethlehem in | |
| der Westbank, und fügt hinzu: „Du solltest auch über die Situation der | |
| Kinder schreiben. Gibt es ein anderes Land auf der Welt, wo Kinder getötet | |
| und verletzt werden und nicht in die Schule gehen dürfen? In anderen | |
| Ländern können Kinder auch Hobbies haben, sie können Musik machen, tanzen | |
| oder in einen Sportclub gehen. Ich möchte gerne Musiker werden, aber ich | |
| glaube, das geht nicht, weil man früh anfangen und viel üben muß. Es ist | |
| schwierig, sich hier zu bewegen, zum Beispiel zu einem Lehrer zu fahren, | |
| wegen der ganzen Straßenkontrollen und Ausgangssperren.“ Kann Jamal sich | |
| vorstellen, in einem anderen Land zu leben, wo Kinder ein normales Leben | |
| führen können? „Nein. Ich möchte alles machen, was Kinder in anderen | |
| Ländern auch machen können, aber ich will es hier machen“, sagt der Junge. | |
| Er wendet sich wieder seinen Buntstiften zu und malt ein Bild: Eine riesige | |
| palästinensische Fahne, vermummte Jugendliche, einen brennenden Autoreifen | |
| und Berge von Steinen. | |
| 23 Jun 1989 | |
| ## AUTOREN | |
| beate seel | |
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