| # taz.de -- Hellseher darf sich nicht mit Omo messen | |
| > Wahrsager wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen zu Bewährungsstrafe | |
| > verurteilt / 200.000 Mark mit Weissagung von Lottozahlen und | |
| > telepathischer Partnerzusammenführung 1988 verdient / Richter ermahnte | |
| > Angeklagten zu vorsichtigerer Berufsausübung ■ Aus Bremen Dirk | |
| > Asendorpf | |
| Eigentlich hatte Dieter P. schon einen gutbezahlten Job. Von seinem | |
| Tellerchen im Klo des Spielcasinos von Bad Zwischenahn sammelte er Münzen | |
| und Chips im Wert von rund 5.000 Mark im Monat. Doch dann ging er bei einer | |
| Kartenlegerin in die Lehre und stellte als „Fernheiler“, „Hellseher“ und | |
| „Partnerzusammenführer, sogar in schwierigen Fällen“, seinen lukrativen J… | |
| im Spielcasino schnell in den Schatten. Einkünfte von über 200.000 Mark | |
| allein 1988 hatte die Bremer Staatsanwaltschaft zusammengestellt und | |
| Anklage wegen „Betruges durch Vorspiegelung falscher Tatsachen“ erhoben. Am | |
| Mittwoch sprach das Schöffengericht sein Urteil. | |
| Fünf schwere Jahre stehen dem Bremer Hellseher damit nun bevor. So lange | |
| muß er nämlich bei der täglichen Berufsausübung darauf achten, daß er bei | |
| der Werbung für seine telepathischen Kräfte nicht zuviel verspricht. Sonst | |
| setzt er die Bewährung für die 18monatige Haftstrafe aufs Spiel. Für die | |
| Bewältigung der schweren Aufgabe gab Richter Ulrich Hoffmann in der | |
| mündlichen Urteilsbegründung einen Tip: „Je mehr Sie im Dunkeln lassen, | |
| desto weniger gefährlich für Sie.“ Gemeint war Dieter P.s Anzeigentext, mit | |
| dem er in der Regenbogenpresse um KundInnen für sein Kartenlegen und | |
| Wahrsagen warb. „Hüten Sie sich vor Garantiezusagen“, warnte der Richter | |
| den Hellseher, der bislang zum Beispiel als „Gewinnzentrale Dieter P.“ bei | |
| Verwendung seiner geweissagten Lottozahlen „garantiert 99,9 Prozent Gewinn“ | |
| versprochen hatte. | |
| Denn nach Auffassung des Gerichts darf zwar Omo versprechen, daß beim | |
| Gebrauch dieses Waschmittels „auch hartnäckige Flecken garantiert | |
| verschwinden“. Doch ein Hellseher darf seine Qualitäten nicht genauso | |
| marktschreierisch anpreisen. Und das, obwohl Dieter P. von Telepathie | |
| sicher mehr versteht als Omo vom Flecken Beseitigen. | |
| Immerhin hatte es der Bremer Hellseher geschafft, eine einzige Kundin aus | |
| Winterthur dazu zu bringen, ihm über 110.000 Mark für die Zusammenführung | |
| mit dem Berliner Schauspieler B. (der volle Name wurde nur unter Ausschluß | |
| der Öffentlichkeit preisgegeben) telegraphisch anzuweisen. | |
| „Ich bin total normal, ich würde so etwas nie machen“, sagte Eva E. als | |
| Zeugin vor Gericht, „ich habe das gemacht, weil ich nicht mehr ich selbst | |
| war; ich hatte meinen Willen verloren“. Tatsächlich wies Eva E. nach dem | |
| ersten Telefonat mit dem Hellseher täglich größere Summen an, um die | |
| telepathische Partnerzusammenführung zu unterstützen zunächst 850 Franken, | |
| dann 2.000, am achten Tag bereits 10.000, schließlich 54.000 Franken. | |
| „Ich wurde irgendwie hypnotisiert“, meint Eva E. heute. Erst wenige Stunden | |
| vor dem versprochenen Treffen mit dem Schauspieler B. in Zürich sei es ihr | |
| „wie Schuppen von den Augen gefallen“. Sie sei nach Hause geeilt und habe | |
| ihrem ahnungslosen Mann alles berichtet. | |
| Drei ähnliche Fälle teurer Partnerzusammenführung hatte die | |
| Staatsanwaltschaft ebenso angeklagt wie das Schicksal von knapp 20 | |
| Personen, die mit Dieter P. gerne Lotto-Millionär geworden wären, am Ende | |
| jedoch einen Verlust von 500 Mark verbuchen mußten, weil den Gebühren für | |
| den Hellseher keine Gewinne gegenüberstanden. | |
| Die Anklage wegen geweissagter Lottozahlen ließ die Staatsanwältin im Laufe | |
| der Verhandlung jedoch wieder fallen: „Den Leuten muß auch die Freiheit | |
| gegeben werden, blöd genug zu sein, das zu glauben“, sagte sie in ihrem | |
| Plädoyer. In den Partnerzusammenführungen sah sie jedoch die „Ausnutzung | |
| einer menschlichen Ausnahmesituation“. Sie forderte neben einer | |
| Bewährungsstrafe auch ein „Berufsverbot“ für Dieter P. | |
| Mit diesem Ansinnen zeigte sich P.s Anwalt überhaupt nicht einverstanden: | |
| „Sie können ihm nicht jede Nische nehmen“, verteidigte er seinen Mandanten, | |
| der mehrmals vorbestraft ist und dem für seinen Beruf als Hellseher vom | |
| Bewährungshelfer selber ein Gewerbeschein verschafft worden war. Und was | |
| die finanzielle Schädigung bei Dieter P.s telepathischen | |
| Partnerzusammenführungen anbelange, schwenkte der Anwalt stolz einen Packen | |
| Überweisungsquittungen. Noch am Morgen vor der Urteilsverkündung hatte er | |
| im Auftrag des Hellsehers 155.000 Mark an alle KundInnen vom Vorjahr | |
| zurücküberwiesen. | |
| In seinem Plädoyer stellte der Strafverteidiger den Kundinnen des | |
| Partnerzusammenführers noch eine peinliche Frage: „Ist es wirklich so ganz | |
| legal, wenn sich jemand mit telepathischen Kräften einen Partner erkaufen | |
| will und damit dessen Familie unglücklich macht?“ Seine Erkenntnis aus der | |
| Zeugenvernehmung: „Wer nicht selber ein potentieller Betrüger ist, wird | |
| auch nicht auf Betrüger hereinfallen.“ | |
| 17 Feb 1989 | |
| ## AUTOREN | |
| dirk asendorpf | |
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