# taz.de -- Hausbesetzer, Mieter, Eigentümer | |
> Ein Friedrichshainer Hausprojekt macht es vor: Die Mieter kaufen das | |
> Gebäude. So werden am gefragten Boxhagener Platz langfristig niedrige | |
> Mieten für die Bewohner gesichert. Und günstige Räume für alternative | |
> Projekte erhalten | |
Vor dem Haus steht ein selbst gepflanzter Ahornbaum, die Fassade ist bunt | |
und über dem Ladenlokal hängt ein Schild mit der Aufschrift „Stadtteilladen | |
Zielona Gora“ – benannt nach der polnischen Stadt, die der Straße in | |
Friedrichshain ihren Namen gab: der Grünberger Straße. Von außen erinnert | |
also vieles noch an die Besetzer-Zeiten, aber die sind Geschichte. Das Haus | |
in der Grünberger Straße 73, das 1990 als eines der ersten in Ostberlin | |
besetzt wurde, gehört mittlerweile seinen Bewohnern. Und zwar als ein | |
Modell und ein Beispiel, das auch für andere Berliner Hausprojekte wie die | |
Yorckstraße 59 in Kreuzberg (siehe oben) Pate stehen könnte. | |
Das Modell, das aus den ehemaligen Mietern Eigentümer gemacht hat, ist | |
eigentlich recht einfach. Aber ohne das Freiburger Mietshäusersyndikat, das | |
1992 gegründet wurde, nur schwer vorstellbar. Das Syndikat ist eine Art | |
Dachverband für unterschiedliche selbst verwaltete Projekte. Es berät | |
solche Projekte und begleitet den Kauf einer Immobilie. Und im Fall der | |
Fälle verhindert es, dass die neuen Eigentümer ihr Haus irgendwann | |
meistbietend verscherbeln, um sich ein schönes Leben zu machen. | |
Denn offiziell gehört das Haus einer GmbH, in der der Hausverein und das | |
Mietshäusersyndikat Gesellschafter sind. Die Verwaltung bleibt dem | |
Hausverein überlassen, faktisch kann das Syndikat bei internen | |
Entscheidungen – etwa über Sanierungen oder Mieter – nicht mitreden. Aber | |
das Freiburger Syndikat kann sein Veto einlegen, wenn etwa der Hausverein | |
das Gebäude verkaufen will. | |
Den Bewohnern gehört das Haus seit genau einem Jahr. Vorausgegangen waren | |
monatelange Verhandlungen mit dem damaligen Besitzer. Rund 500.000 Euro hat | |
es letztlich gekostet – finanziert wurde es durch Eigenmittel der Bewohner, | |
überwiegend aber durch Bankkredite und durch die Hilfe von Freunden und | |
Verwandten, die das Projekt durch private Darlehen oder durch Bürgschaften | |
unterstützten. | |
Die Kredite werden langfristig durch die Mieteinnahmen abgestottert. Zudem | |
muss die Haus-GmbH Mittel zur Instandsetzung und Sanierung des Gebäudes | |
aufbringen – wenn auch manche Arbeiten in Eigenregie erledigt werden | |
können. Weil aber kein Hauseigentümer da ist, der den größtmöglichen Profit | |
aus seinem Investment ziehen möchte, können langfristig günstige Mieten | |
anvisiert werden. Im Moment zahlen die Bewohner im Monat 3,20 Euro ohne | |
Betriebskosten pro Quadratmeter, in den nächsten Jahren sind nur moderate | |
Mieterhöhungen zu erwarten. Zum Vergleich: Im Kiez kosten sanierte | |
Wohnungen zurzeit rund 6 Euro kalt pro Quadratmeter. | |
„Mit diesem Modell konnten wir unsere Haus- und Wohngemeinschaftsstruktur | |
erhalten“, sagt eine Bewohnerin. Bei einem kommerziellen Eigentümer hätte | |
dagegen in dem gefragten Kiez am Boxhagener Platz eine Luxussanierung | |
gedroht. Zudem schaffe die Grüni 73, wie das Haus im Kiez genannt wird, im | |
Erdgeschoss Räume für alternative Projekte. So sei Platz für eine kollektiv | |
geführte Kneipe, ein Medien- und ein Kunstprojekt sowie einen alternativen | |
Sportverein. | |
Das alles umzusetzen, kostet Arbeit – viel Arbeit. „Die Verwaltung und das | |
Bauen sind schon heftig“, so die Bewohnerin. Gleich im ersten Jahr | |
tauschten die neuen Besitzer zugige Fenster gegen neue aus, ersetzten die | |
Kachelöfen durch eine moderne Heizung und sanierten die Kellerdecke. Die | |
Bewohnerin sagt trotzdem: „Diesen Schritt würde ich immer wieder gehen.“ | |
RICHARD ROTHER | |
6 Jan 2005 | |
## AUTOREN | |
RICHARD ROTHER | |
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