# taz.de -- Grünen-Streit in Hamburg-Mitte: Die Grünen zerlegen sich | |
> Extremismus-Beschuldigungen, Fraktionsspaltung, Austritts-Ultimaten und | |
> Intrigen-Vorwürfe: Im Bezirk Mitte haben sich die Grünen geschreddert. | |
Bild: Erheben schwere Vorwürfe gegen die grüne Landesvorsitzende: die Mitglie… | |
HAMBURG taz | Die Schlammschlacht der Grünen im Bezirk Mitte geht in die | |
nächste Runde. Nachdem sich die 16 gewählten Bezirks-Abgeordneten der | |
Partei aufgrund von Extremismus-Vorwürfen in zwei Fraktionen zerlegt haben, | |
erhob am Dienstag die kleinere, sechsköpfige Fraktion, die sich nun Grüne2 | |
nennt, schwere Vorwürfe gegen die Landesvorsitzende der Partei, Anna | |
Gallina und ihren Lebensgefährten. Von einer „Rufmordkampagne“, „Intrige… | |
und „rassistischen Anwürfen“ ist die Rede. Die sechs Abweichler drohen | |
zudem „juristische Konsequenzen“ an. | |
Ins Rollen gekommen war die Lawine, die den grünen Bezirkswahl-Erfolg in | |
Mitte längst überrollt hat, durch eine Mail vom 7. Juni, in der Gallina den | |
frisch gewählten Abgeordneten Fatih Can Karismaz und Shafi Sediqi vorwarf, | |
extremistischen Organisationen nahezustehen. Sediqi habe 2016 die | |
islamistische Hilfsorganisation Ansaar International finanziell | |
unterstützt, Karismaz stehe der Bewegung Millî Görüş nahe, die vom | |
Verfassungsschutz beobachtet wird. Obwohl beide Abgeordnete betonen, | |
„Extremismus in jeder Form abzulehnen“, landeten die Vorwürfe binnen | |
weniger Tage in der Presse. | |
„Das ist existentiell gefährdender Rufmord“, sagt Sediqi, der nun | |
juristisch gegen die Behauptungen vorgehen will. Gleichzeitig räumt der | |
28-jährige Politiker ein, 2016 aus „humanitären Gründen“ an zwei | |
Waisenhäuser in Nigeria und Ghana und eine Klinik in Aleppo, die von Ansaar | |
ins Leben gerufen worden seien, jeweils „Beiträge zwischen 15 und 20 Euro | |
gespendet“ zu haben. „Ich kannte Ansaar nicht und würde heute eine solche | |
Spende nicht wieder tätigen“, sagt Sediqi. | |
„Die Extremismus-Vorwürfe sind völlig unbewiesen und mit dem, was auf dem | |
Tisch ist haltlos“, sagt die Abgeordnete Meryem Dagmar Celikkol, die sich | |
mit den beiden Islamismus-Verdächtigen solidarisiert. Nachdem Sediqi und | |
Karismaz aufgrund der Vorwürfe nicht in die Grünen-Fraktion aufgenommen | |
wurden, hatten sich Celikkol und drei weitere Abgeordnete aus Protest mit | |
ihnen solidarisch erklärt und eine zweite Grünen-Fraktion gegründet. | |
## Zweitstärkste Fraktion trotz Sieg | |
So blieben die Grünen trotz ihres Sensations-Sieges bei der Bezirkswahl nur | |
zweitstärkste Fraktion hinter der SPD. Der Landesvorstand der Grünen hatte | |
die sechs Abgeordneten daraufhin wegen parteischädigenden Verhaltens | |
aufgefordert, bis zum 1. Juli aus der Partei auszutreten. Ansonsten werde | |
ein Ausschlussverfahren eingeleitet. „Wir sind Grüne durch und durch, | |
keiner von uns sechs plant, derzeit unsere Partei zu verlassen“, so | |
Celikkol. | |
Man habe nichts dagegen, dass die grüne Partei, auch mit Hilfe ihres | |
Schiedsgerichts die Vorwürfe überprüfe, die erfolgte Vorverurteilung aber | |
sei „nicht hinnehmbar“, sagt die 49-Jährige, die von der Gruppe zur | |
Fraktionschefin ernannt wurde. Die beiden Beschuldigten würden noch auf ein | |
Angebot des Landesvorstandes zu einem Gespräch warten. Stattdessen würden | |
nur noch anwaltliche Schreiben hin- und hergeschickt. Der stellvertretende | |
Landesvorsitzende der Grünen, Martin Bill, betont hingegen, der | |
Landesvorstand habe „mehrfach Terminvorschläge gemacht“, die die beiden | |
Beschuldigten immer“wieder abgesagt“ hätten. | |
Als Auslöser der Schlammschlacht vermuten einige der abgespaltenen Gruppe | |
ein Revanchefoul. Ex-Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg soll Karismaz | |
und Sediqi persönlich dafür verantwortlich gemacht haben, dass er in seinem | |
Wahlkreis nicht wieder aufgestellt wurde. Osterburg, der für die taz nicht | |
zu erreichen war, ist der Lebensgefährte von Gallina. Ihr werfen zahlreiche | |
Parteimitglieder nun „totales Versagen beim Krisenmanagement“ vor. Bill | |
hingegen betont, es sei „unsäglich, dass dabei auch die Familie“ von | |
Gallina mit einbezogen worden sei, und spricht von unbelegten | |
Anschuldigungen, Spekulationen und Gerüchten“, mit denen die Grünen2 „die | |
Berichterstattung befeuern“ würden. Der Landesvorstand prüfe deswegen | |
„rechtliche Schritte“ gegen die Abtrünnigen und werde auch das | |
Landesschiedsgericht einschalten. | |
Weil in Mitte Parteineueintritte die Zusammenstellung der Kandidatenlisten | |
zugunsten der beiden Beschuldigten beeinflusst haben sollen, plädiert die | |
grüne Vizebürgermeisterin Katharina Fegebank nun dafür, „genauer und (zu) | |
überprüfen, wen wir aufnehmen“. Da die beiden aktuell Beschuldigten auch | |
von Neumitgliedern mit Migrationshintergrund unterstützt worden waren, | |
spricht die Grünen2-Fraktion nun von der innerparteilichen Gefahr | |
„rassistischer Aufnahmekontrollen“. | |
26 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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