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# taz.de -- Gezerre um Fernsehturm: Turm im Schlafrock
> Seit elf Jahren ist der Hamburger Fernsehturm geschlossen,
> Aussichtsplattform und Drehrestaurant stehen leer. Jetzt verhandelt die
> Telekom mit der Stadt - über die Pläne eines dänischen Architekten, die
> schon durchgefallen schienen.
Bild: Könnte ummantelt werden: Hamburgs Fernsehturm.
Er steht an einer viel befahrenen Kreuzung gegenüber den Messehallen, an
einem Ort mitten in der Stadt und doch abseits. Die Brücke, die vom Park
"Planten un Blomen" zu ihm hinüberführte, ist längst verschwunden,
Touristen verirren sich nur selten her, aber warum sollten sie auch? Der
Hamburger Fernsehturm ist für die Öffentlichkeit geschlossen,
Drehrestaurant und Aussichtsplattform stehen leer.
Der Fernsehturm in Hamburg spielt nicht dieselbe Rolle wie sein jüngerer
und größerer Bruder am Alexanderplatz in Berlin, den man überall als
Souvenir kaufen kann. Dort steht der Fernsehturm in der Kreuzung mehrerer
Sichtachsen, große Straßen laufen auf ihn zu, während man in Hamburg am
Fernsehturm immer nur vorbeifährt.
Man sieht ihn vom Hafen aus über die neuen Hochhäuser von St. Pauli
hinausragen, von der Alster aus erscheint er als Silhouette über der Stadt.
Aber im öffentlichen Bewusstsein kommt er nie an den Michel heran oder ans
Hafenpanorama. Hamburg definiert sich nicht über seinen Fernsehturm, es hat
ihn einfach.
Trotzdem ist der 279 Meter hohe Koloss ins kollektive Bewusstsein der
Hamburger eingeschrieben: als Kindheitserinnerung von Wochenendausflügen,
den Fahrstuhl hoch, Kaffee und Kuchen im Drehrestaurant, das sich einmal in
der Stunde um sich selber drehte, und von oben der Blick über die Stadt,
auf das Heiligengeistfeld mit seinen Fahrgeschäften bis hinüber zum Hafen.
Vor elf Jahren gab der damalige Betreiber des Drehrestaurants auf, ein
Nachfolger fand sich nicht. Seitdem hat es mehrere Anläufe zu einer
Wiedereröffnung gegeben. Der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU)
machte die Angelegenheit zwischendurch sogar zur Chefsache, doch passiert
ist nichts.
Die Deutsche Telekom als Eigentümerin des Turms verweist auf die
Brandschutzbestimmungen, die Fluchtwege seien nicht mehr zeitgemäß. Von
Sanierungskosten in Höhe von zehn Millionen Euro ist die Rede - ein Betrag,
den ein neuer Betreiber erst einmal investieren müsste.
In Hamburg hat sich mittlerweile sogar ein Verein gegründet mit dem Ziel,
den Fernsehturm wieder zugänglich zu machen. "Ich habe Kontakt zu
potentiellen Betreibern", sagt der Vereinsvorsitzende Jürgen Vieths, ein
junger Bauunternehmer. Bei der Telekom habe er deswegen auch schon
vorgesprochen. Es habe aber geheißen, dass man in der Sache bereits
verhandle. "Sie sagten, wenn das nichts wird, kommen wir auf euch zu",
berichtet Vieths.
Das war im Mai 2011. Im August 2011 wurde die Hamburger Öffentlichkeit von
der Nachricht aufgeschreckt, der kanadische Betreiber eines
Online-Dating-Portals würde die Sanierung des Turmes übernehmen - wenn er
ihn als Werbefläche benutzen dürfe.
Die Empörung war groß, und die Telekom lehnte das Angebot ab, "das
Geschäftsfeld" der Kanadier passe nicht "zu einem Hamburger Wahrzeichen".
Das kanadische Unternehmen konnte sich daraufhin den Hinweis nicht
verkneifen, dass die Telekom selbst Dating-Portale betreibe und sprach von
"Doppelmoral".
Keine Woche später sickerte durch, dass die Telekom längst selbst bei der
Stadt vorgesprochen hatte - mit den Plänen eines dänischen Architekten, der
den Fernsehturm "ummanteln" wollte, wie es in der Hamburger Baubehörde
heißt. Der Fernsehturm in seiner jetzigen Gestalt sollte nur noch das
Betonskelett eines neuen Bauwerks sein, das von fern an eine große Zigarre
erinnern würde. Gedacht sei an ein Hotel. Ein Investor sei auch schon
gefunden, der Name werde aber noch nicht genannt.
Wieder war der Aufschrei groß. Vertreter der Stadt verwiesen darauf, dass
der Hamburger Fernsehturm unter Denkmalschutz stehe und es deswegen
zumindest eines internationalen Architektur-Wettbewerbes bedürfe, wenn
seine Gestalt angetastet werden sollte.
Der Hamburger Architekt André Poitiers bemerkte, in Hamburg gebe es schon
genug Hotels, und auch der Chef des zuständigen Bezirksamts Mitte, Markus
Schreiber (SPD), zeigte sich skeptisch. Man wolle den Fernsehturm "in
seiner jetzigen Gestalt erhalten".
Ohnehin fragten sich manche, ob sich die Aufregung um den Fernsehturm
überhaupt lohnt. Ende 2010 hatte die Bild-Zeitung berichtet: "Die Tage des
Fernsehturms sind gezählt." Statiker würden dem Turm noch höchstens 30
Jahre geben. "Spätestens dann ist die Bausubstanz ausgehärtet, können die
Schwingungen in der Höhe nicht mehr abgefedert werden", so die Bild.
Telekom-Sprecherin Stefanie Halle wurde mit dem Satz zitiert, 2035 als Jahr
des Abrisses klinge "nicht unrealistisch".
Im Mai 2011 zog die Welt mit einem ähnlichen Bericht nach, und auch im
Wikipedia-Artikel über den Hamburger Fernsehturm findet sich bis heute der
Satz: "Baustatiker haben 2010 im Turm eine Haltbarkeit von höchstens noch
30 Jahren erkannt", und dann kommt die Sache mit der Aushärtung.
Für "großen Blödsinn" hält das der Stuttgarter Architekt Jörg Schlaich, der
neben dem Dach des Münchner Olympiastadions auch den Hamburger Fernsehturm
gebaut hat. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein negatives Ereignis
eintreten wird", sagt Schlaich.
Dass nach Jahrzehnten der Beton aushärte, die Steifigkeit minimal zunehme,
sei möglich, aber das habe auch Vorteile: Der Turm werde fester, schwinge
weniger. "Diese Auswirkung kann man auch positiv sehen", sagt Schlaich und
verweist auf die Winterstürme, denen so ein Turm standhalten müsse.
Andere Architekten vom damals mit dem Bau beauftragen Architekturbüro
Leonhardt sehen das ähnlich, und auch Telekom-Sprecherin Halle will von dem
Bild-Bericht, in dem sie zitiert wird, nichts wissen: Das sei eine
"ausgedachte Geschichte", sagt sie auf Anfrage.
Der Fernsehturm habe für die Telekom durchaus eine Zukunft, für Investoren
sei man darum "immer offen". Nur "seriös" müssten die Investoren sein, sagt
die Telekom-Sprecherin, und so einen habe man gerade auch an der Hand. Über
das Konzept liefen Gespräche mit der Stadt.
Für den Fernsehturm zuständig ist bei der Stadt Hamburg der Oberbaudirektor
Jörn Walter, und der sagt, das mit den Verhandlungen sei "nicht ganz
falsch". Die Stadt habe ein Interesse daran, die Aussichtsplattform wieder
zu eröffnen, bei dem Konzept handele es sich um eine "modifizierte Fassung"
der Pläne des dänischen Architekten Christian Bay-Jørgensen - derselben,
die im Sommer für Aufregung gesorgt hatten. Die Frage, sagt Walter, sei:
"Soll man diese Nadel in ein Hochhaus verwandeln?" Die Telekom versuche
derzeit, auf die Bedenken einzugehen, das neue Konzept sei "verträglicher"
und näher dran an der jetzigen Gestalt des Fernsehturms.
"Wir versuchen jetzt, die Form des Fernsehturms mehr herauszubringen",
bestätigt Architekt Bay-Jørgensen. Im Februar oder März könnten die Skizzen
vorgestellt werden. "Die Hamburger", sagt Bay-Jørgensen, "verdienen es,
dass der Turm wieder zugänglich wird."
5 Jan 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
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