| # taz.de -- Genossen machen die taz: „Ecuador sucht einen eigenen Weg“ | |
| > Der Botschafter Jorge Jurado über die von der Regierung Ecuadors | |
| > angestoßene Debatte über das gute Leben. Und was andere von der | |
| > Diskussion lernen können. | |
| Bild: Indigene in Ecuador protestieren gegen geplante Minenbauprojekte. | |
| taz: Herr Botschafter, wie ist das Konzept des „Buen Vivir“ entstanden und | |
| aus welchen Wurzeln speist es sich? | |
| Jorge Jurado: An dem Konzept wird seit sechs Jahren in Ecuador gearbeitet. | |
| Letztlich diskutieren wir: Wo sollen wir als Land hin, welches sind unsere | |
| Ziele, wollen wir uns genauso entwickeln, wie sich die Industriestaaten | |
| entwickelt haben oder sollen wir einen eigenen, anderen Weg suchen? Aus | |
| dieser Frage ist das Konzept des „Buen Vivir“ entstanden – aber das heißt | |
| längst nicht, dass dieser Prozess abgeschlossen ist. Das Konzept ist in | |
| unserer neuen Verfassung von 2008 fest verankert. Der neue Nationalplan für | |
| die Entwicklung Ecuadors 2012-13 trägt den Namen „Nationalplan für das gute | |
| Leben“. | |
| Können Sie uns konkrete Beispiele zur Umsetzung des Konzeptes nennen? | |
| Im Bildungsbereich sind gerade diese Woche 2.700 Studenten ausgewählt | |
| worden, die zum Studieren ins Ausland geschickt und mit Stipendien | |
| ausgestattet werden. Wir erhoffen uns, dass sie später in der Klein- und | |
| Mittelstandsökonomie arbeiten. Natürlich gehört zum Buen Vivir auch alles, | |
| was mit Umwelt zu tun hat, wie zum Beispiel die Yasuní-Initiative, die | |
| Ecuador 2007 der Welt vorgestellt hat. Dabei verzichtet Ecuador auf die | |
| Ausbeutung der Erdölreserven, die teilweise unterhalb des Nationalparks | |
| Yasuni-ITT im Amazonas-Becken liegen. | |
| Ein Kritikpunkt aus Europa ist, das „Buen Vivir“-Konzept sei | |
| technologiefeindlich. | |
| Die Regierung Ecuadors ist überhaupt nicht technologiefeindlich, im | |
| Gegenteil. Wir müssen Technologien beherrschen, um aus der Abhängigkeit | |
| herauszukommen und wirklich unabhängig zu werden. Andersherum gibt es | |
| allerdings im Land Gruppen, die vielleicht eine stärkere Ausrichtung auf | |
| das Zusammenleben mit der Natur auf einer natürlichen Basis wünschen und | |
| auf die anderen Entwicklungswege verzichten wollen. Solche Visionen gibt | |
| es, aber das ist nicht die Position unserer Regierung. Wie ich schon gesagt | |
| habe: Es ist ein Prozess, eine Entwicklung, die zur Zeit stattfindet, und | |
| die verschiedensten Meinungen werden derzeit diskutiert. | |
| Gibt es auch alternative Ideen aus dem Norden, die in das Konzept mit | |
| einfließen? | |
| Wir möchten einen bestimmten Entwicklungsstand erreichen, aber wir sind uns | |
| absolut bewusst, dass der Entwicklungsweg des Nordens in den letzten fünf, | |
| sechs Dekaden, keine Antwort auf unsere eigenen Entwicklungsanforderungen | |
| und Ideen ist. Allerdings: Wir brauchen einen bestimmten Grad von | |
| Industrialisierung, wir brauchen einen bestimmten Grad von Produktion. Aber | |
| wir müssen auch die natürlichen Ressourcen schützen, insbesondere die | |
| Biodiversität. Wir waren imstande, der Weltgemeinschaft einen Vorschlag wie | |
| die Yasuní-ITT-Initiative zu unterbreiten. | |
| Wo sehen Sie Chancen und Möglichkeiten, das Konzept des Buen Vivir in | |
| Deutschland und Europa aufzugreifen? | |
| Die größten Chancen sehe ich vor allem für die ärmsten Länder der so | |
| genannten Dritten Welt. In den Industriestaaten besteht die Chance darin, | |
| eine Diskussion über die Grenzen des Wachstums zu entfachen. Man hat auch | |
| in der Bundesrepublik gesehen, dass bestimmte technologische Entwicklungen, | |
| wie zum Beispiel die Atomenergie, keine Antwort für die Zukunft sein | |
| können. Hier wurde bereits eine Wende eingeschlagen. Das Konzept des Buen | |
| Vivir beruht darauf, dass sich die Gesellschaft die Frage stellt: Wie viel | |
| sollen wir konsumieren, wie sollen wir uns sozial entfalten, gibt es | |
| Alternativen zur Konsumgesellschaft? | |
| Konsum ist wichtig, um die Grundbedürfnisse des Menschen zu decken. Aber es | |
| gibt auch einen anderen Konsum, der nicht unbedingt diesen Stellenwert in | |
| der Gesellschaft haben kann. Den muss man in Frage stellen, und das Konzept | |
| des „Buen Vivir“ kann eine Diskusssion in dieser Richtung entfachen. Sollen | |
| wir weiter mehr Autos haben oder sollte der Fortschritt anderen Zwecken | |
| dienen? Das Konzept eröffnet viele Tore, um die gesellschaftliche | |
| Entwicklung in den letzten 50, 60 Jahren zu hinterfragen. | |
| Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April | |
| erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk | |
| oder am [1][eKiosk] auf taz.de. | |
| 13 Apr 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Glenz | |
| Reiner Schulze | |
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| Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
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